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Ostsiedlung

Interdisziplinäre Untersuchungen zum soziokulturellen Wandel während der hochmittelalterlichen "Ostsiedlung" im ländlichen Raum am Beispiel der Region Penkun, Mecklenburg-Vorpommern

 

Projektleiter:

Prof. Friedrich Lüth, RGK Frankfurt

Prof. Michael Meyer, FU Berlin

Prof. i.R. Johan Callmer, HU Berlin

 

 

In dem von der DFG geförderten Vorhaben zur  Wüstung Wouezk (bei Penkun) werden mehrere parallele Fragestellungen zu hoch- und spätmittelalterlichen Entwicklungen im ländlichen Raum Ostdeutschlands zu einem Komplex verdichtet. Das betrifft erstens Fragen nach der Struktur und den Traditionslinien der neu angelegten Dörfer und den Unterschieden zu den slawischen Siedlungen, was zweitens auf gleiche Weise für den Hausbau zutrifft; drittens nach den Veränderungen auf technologischem Sektor (Landnutzung, Keramikherstellung, Eisen- und Buntmetallurgie); viertens nach den ökologischen Folgen, welche durch die zunehmende Aufsiedlung und Auflichtung ausgelöst wurden sowie fünftens nach den sich verändernden Lebensbedingungen der Menschen (Lebenserwartung, Krankheitsbelastung, Ernährung).

 

In dem konsequent interdisziplinären Forschungsansatz sind neben der Archäologie, die Anthropologie (Uni Mainz), Paläoökologie (Uni Greifswald), Paläozoologie (Deutsches Archäologisches Institut), Bodenkunde (Humboldt Universität) sowie zwei Archäometrie-Laboratorien in Dänemark und Schweden unmittelbar beteiligt. Weitere Analysearbeiten erfolgen in Zusammenarbeit mit der Dendrochronologie-Abteilung am Deutschen Archäologischen Institut in Berlin sowie den C14-Laboratorien in Poznań und Erlangen.

 

Teilbereiche:

Archäologie

Auf der hochmittelalterlichen Wüstung Wouezk wurden großflächige Grabungen durchgeführt (ca. 2 ha), die sowohl Siedlungsbereich (Büssow 3, 14) als auch Teile des Kirchhofes (Büssow 1) einschlossen. Die Mehrzahl der bislang datierten Befunde in der Wüstung enthielt mittelalterliches Keramikmaterial des 13. Jh.. Es wurden mehrere Keller festgestellt, die selten in Stein ausgeführt waren. Des Weiteren wurde eine Pfostenreihe zwischen zwei Kellern festgestellt. Bei einem Befund liegt der Verdacht nahe, dass es sich um Überreste eines abgebrannten (Neben-) Gebäudes in Schwellbalkenbauweise handelt. Weitere Hinweise auf Hausgrundrisse liegen nicht vor. Diese werden über den Kellern gelegen haben. Die Phosphatmethode erbrachte keine für die Suche nach Hausgrundrissen auswertbaren Ergebnisse. Die Aufarbeitung der Grabung ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Neben den mittelalterlichen Befunden, auf denen das Hauptaugenmerk liegt, konnten sowohl neolithische Grab und Siedlungsbefunde, Areale einer bronze- bis eisenzeitlichen sowie frühslawische Siedlungsreste geborgen werden.

 

Anthropologie

Der Vergleich zwischen der späten slawischen und der hochmittelalterlichen Population ist bereits in Arbeit. Es werden jeweils 50 Individuen des komplett gegrabenen, spätslawischen Bestattungsplatzes Penkun 28 mit dem hochmittelalterlichen Kirchhof Büssow 1 hinsichtlich Ernährung (Analyse stabiler Isotopen), Alterserwartung und Krankheitsbelastung verglichen. Beide Plätze sind nur wenige Kilometer voneinander entfernt und liegen auch nur wenige Jahrzehnte auseinander. Die Analysen an der Universität Mainz durch die Arbeitsgruppe Kurt W. Alt sind noch nicht abgeschlossen.

 

Archäobotanik

Die paläoökologischen Analysen umfassen 10 Bohrkerne, die aus dem näheren Siedlungsbereich der Wüstung Wouezk stammen und alle mittelalterliche Sedimentschichten enthielten. Es wurden die drei am nächsten an der Siedlung liegenden Bohrkerne hochauflösend für den Zeitraum zwischen 1000 und 1500 n. Chr. analysiert. Eines dieser Profile wurde in niedrigerer Auflösung bis in das Neolithikum hinein untersucht.

 

Archäometrie I: Keramikanalysen

Die Keramikanalyen übernahm Torbjörn Brorsson. Er hat mehrere Warenarten untersucht. Dazu gehören der Vergleich der hochmittelalterlichen grauen Irdenware mit der slawische Keramik, die sowohl von den benachbarten Inselsiedlung Penkun 1 stammt, als auch Stücke, die neben der grauen Irdenware häufig in den hochmittelalterlichen Befunden vorgefunden wurde. Hinzugezogen wurden ebenfalls Fragmente der auf dem Siedlungsplatz angetroffenen Sukower  Ware.

Das wichtigste Ergebnis löst die Frage nach Kontinuität sowie Traditionslinien in der Keramikproduktion zwischen der slawischen und der hochmittelalterlichen Periode. Brorsson konnte feststellen, dass es nur einen langsamen Wechsel in der Keramiktechnologie gab. Es wurden in beiden Perioden unterschiedliche Brennverfahren verwendet, bei der unterschiedliche Keramikmischung Verwendung fanden. Er fand heraus, dass die hochmittelalterliche graue Irdenware noch in der alten Tonmischung und die spätslawische Keramik bereits in der neuen Tonmischung produziert worden sind. Oder in seinen Worten: "It was a time for adopting new techniques and it was not a new package containing of foreign potters moving to this region and setting up new workshops. The old potters learned how to make the new vessels types and this result is one important clue to the interpretation of how a Slavonic region started a material culture from a non-Slavonic region."

 

Archäometrie II: Archäometallurgie

Ähnliche Ergebnisse werden auch von den metallurgischen Analysen erwartet. Es liegen bereits erste Analysen vor, die aber noch statistisch abgesichert werden müssen. Beim jetzigen Arbeitsstand scheint die Buntmetallurgie sich kaum zwischen der slawischen Periode und der späteren Ostsiedlungszeit zu unterscheiden. Anders ist es hingegen bei der Eisenmetallurgie, denn die aus härterem Eisen oder gar Stahl geschmiedeten Gegenstände stammen aus der slawischen Zeit. Damals wurde wohl hauptsächlich Schrott recycelt.  In der späteren Zeit der deutschen Ostsiedlung im slawischen Raum verfügte man zwar über mehr Eisen. Dieses hatte aber eine schlechtere Qualität. Aber auch hier sind die Analysen noch nicht abgeschlossen.

 

Archäozoologie

Bislang wurde die Tierknochen unserer  hochmittelalterlichen Wüstung mit denen der spätslawischen Siedlung Falkenwalde 10 verglichen. Die Anteile an Wildtierknochen unterscheiden sich in beiden Siedlungen recht stark. In der slawischen Siedlung Falkenwalde liegt der Anteil mit 15,1 % beträchtlich höher als in der Wüstung Wouezk mit 5,5 %.

Vergleicht man die durchschnittlichen Anteile der wichtigsten Haustiere zwischen beiden Siedlungen, so sind die Differenzen verhältnismäßig gering. Unterschiede zeigen sich hauptsächlich in der Zunahme der Nutzung von Pferd und Schaf/Ziege und der Abnahme der Schweineknochenanteile.

Die Archäzoologie ist eine von drei Wissenschaften in unserem Projekt, die sich neben Anthropologie und Paläoökologie mit der Ernährung der damaligen ländlichen Bevölkerungen auseinander setzen. Aus dem Zusammenspiel erwarten wir spannende Ergebnisse.

 

 

Abbildungen

 

Lage des Fundplatzes in der Penkuner Seenlandschaft, vorzügliche Bedingungen für Pollenanalysen

 

Sehr kleiner Ausschnitt vom Werksabfall des Schmiedes


Es befand sich auch jede Menge Hausmüll in den ergrabenen Befunden

 

Neben Holz-Erde-Kellern konnte auch eine Ausführung in Stein frei gelegt werden, oben rechts der Einstieg

 

Kontakt: axelpollex@zedat.fu-berlin.de

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