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Keramiktechnologie

„Keramiktechnologie und kulturelle Identität zwischen Balkan und Mitteleuropa: die späte Vinča-Kultur und ihre Nachbarn im rumänischen Nordbanat“

 

Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) seit Juli 2007

Projektleitung: Dr. Barbara Dammers („Eigene Stelle“)

 

Ausgangspunkt der Studie waren Beobachtungen, die während der ebenfalls von der DFG geförderten Ausgrabungen des Instituts für Prähistorische Archäologie der Freien Universität Berlin (Prof. Dr. Wolfram Schier) und des Museum des Banats in Timişoara (Prof. Dr. Florin Draşovean) in der Tellsiedlung von Uivar (Banat, NW-Rumänien) bei der Fundbearbeitung gemacht worden waren: in den spätneolithischen Schichten und Befunden wurden neben der vorherrschenden Vinča-C-Keramik auch Scherben von sieben weiteren Kulturen, lokalen Gruppen und keramischen „Fazies“ gefunden. Einige weisen auf Kontakte zu Kulturen in der ungarischen Tiefebene (Theiss-Kultur) und in Siebenbürgen (Gruppen Turdaş und Foeni) hin. Andere, wie die Banater Kultur und die von uns neu definierte „lokale Vinča-Keramik“, gelten als lokale Phänomene. Das Banat kann also bereits während des Neolithikums als eine „Drehscheibe“ zwischen Balkan und Mitteleuropa betrachtet werden.

 

 

   

 Theiss - Keramik                                       lokale Vinča-Keramik

                 (Foto: Museum des Banats)

 

 

Anhand des neolithischen keramischen Fundmaterials von Uivar wird in diesem Projekt die kulturelle Variabilität im rumänischen Nordbanat in synchroner und neuerdings auch in diachroner Hinsicht erforscht. Diese Variabilität zeigt sich sowohl im Verzierungsstil und Formenschatz als auch in der Herstellungs-Technologie. Die nach typologisch-stilistischen Kriterien vorgenommene archäologische Klassifikation wird daher der archäometrisch erkennbaren Gruppenbildung gegenüber gestellt.

Unter Leitung von Prof. Dr. Klaus Bente wurden am Institut für Mineralogie, Kristallographie und Materialwissenschaft der Universität Leipzig bereits Stichproben von Scherben der verschiedenen mittel- und spätneolithischen Gruppen und Fazies aus Uivar archäometrisch analysiert. Bewährte invasive Methoden, wie die optische Mikroskopie, die lokale chemische Analytik und die Röntgendiffraktions-Analyse, werden durch die innovative hochauflösende 3D-Tomografie ergänzt. Damit sind erstmals die Möglichkeiten gegeben, prähistorische Keramiken zerstörungsfrei zu untersuchen und die invasiven archäometrischen Methoden daraufhin zu überprüfen, ob sie Methodenartefakte erzeugen. Der für die Analyse von Vinča-und gleichzeitiger Keramik neue systematische Einsatz der nichtinvasiven Methodik, der referenzierende Charakter und zudem die exemplarische Anwendung einer innovativen Methodenkombination zur Feststellung der Brennparameter (Brenntemperatur, –atmosphäre, Pigmente) machen das interdisziplinäre Projekt in mehrfacher Hinsicht zu einer Pilotstudie.

 

 

Aufnahmen der 3D-Tomographie einer Vinča-Scherbe mit polierter Oberfläche und (makroskopisch nicht sichtbaren) Fingerabdrücken sowie feinen Poren in Lineation

(Foto: IMKM Universität Leipzig)

 

Bei der Interpretation des Phänomens der kleinräumigen Koexistenz mehrerer keramischer Fazies führt die Einbeziehung von Ansätzen aus Sozial- und Kommunikationswissenschaften über die in Südosteuropa nach wie vor beliebten migrationistischen Erklärungsmodelle weit hinaus: Keramik wird nun als Mittel der aktiven Konstruktion und Kommunikation kultureller Identität, ihre stilistische und technologische Variation als Hinweis auf individuelle Handlungsmacht („Agency“) begriffen.

 

Die überraschenden Ergebnisse der letzten beiden Grabungskampagnen in den Jahren 2007 und 2008 in Schnitt I legen sogar die Modifikation solcher Interpretationen nahe: die ältesten Schichten und Befunde des Tells gehören großteils einer mittelneolithischen Kultur an, die von der ungarischen Forschung als Szakálhát-Kultur und von der rumänischen Forschung als Banater Kultur oder deren Regionalgruppe Bucovăţ bezeichnet wird. In diesem formativen Horizont sind aber auch Scherben weniger Gefäße der Vinča-Kultur vertreten. Die basalen Schichten der Tellstratigraphie von Uivar erlauben somit die Erforschung von Prozessen der Tellformation und der Akkulturation hin zur Vinča-Kultur an der Wende zwischen Mittel- und Spätneolithikum.

 

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