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Germania magna – Ein neuer Blick auf eine alte Karte

Entzerrte geographische Daten des Ptolemaios für die antiken Orte zwischen Rhein und Weichsel

 

Die um 150 n. Chr. in Alexandria entstandene Geographike Hyphegesis des Klaudios Ptolemaios (kurz auch häufig „Geographie“ genannt) als einziges vollständig erhaltenes Werk der antiken Kartographie hat seit jeher besondere Aufmerksamkeit erregt. Dies gilt insbesondere nicht zuletzt für den Teil, der Germanien behandelt: Hier sind neben geographischen Angaben zu Flüssen und Gebirgen vor allem die insgesamt 90 Orte (poleis) hervorzuheben, die Ptolemaios verzeichnet hat und die stets Anlass für Spekulationen, aber auch Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Abhandlungen waren.

Abb. 1: Germanien nach der Ptolemaios-Handschrift des Nicolaus Germanus von 1468.

 

Im Rahmen des vom Instituts für Geodäsie und Geoinformationstechnik der TU Berlin durchgeführten DFG-Forschungsprojekte „Welt des Ptolemaios“ und „Antiker Atlas des Ptolemaios“ kam es zu einer intensiven Zusammenarbeit bei der Bearbeitung der von Ptolemaios überlieferten Daten zur Germania magna. Das Team bestand aus zwei Wissenschaftlern der Geodäsie (Prof. Dr. Dieter Lelgemann und Dipl.-Ing. Christian Marx), einem Altphilologen (Andreas Kleineberg M. A.) und Dr. Hans-Jörg Nüsse von archäologischer Seite. Ziel war es zum einen, die Germanien betreffenden Verzerrungsparameter zu bestimmen und darauf aufbauend zusammenhängende Gebiete (sog. Transformationseinheiten) herauszufiltern, die einer ähnlichen Verzerrung unterlagen. Bereits in früheren Untersuchungen war erkannt worden, dass sich die Informationen des Ptolemaios aus verschiedenen Quellen zusammensetzten und das zu rekonstruierende Kartenbild zu Germanien dementsprechend diversen Verzerrungen unterliegt. Zum anderen sollte zugleich eine möglichst plausible Verknüpfung der antiken Koordinatenangaben mit den archäologischen Quellen erzielt werden.

Abb. 2: Transformationseinheiten in Germanien (Graphik: Ch. Marx).

 

Nach den Ergebnissen der Datenanalyse konnten insgesamt 12 Transformationseinheiten im Raum zwischen Rhein und Weichsel ermittelt werden. Damit zeichnet sich ein noch wesentlich kleinteiligeres Bild als bislang ab. Zugleich wird die Heterogenität der Informationsquellen des Ptolemaios deutlich. Es lassen sich limesnahe Bereiche erkennen, zu denen durch die römischen Okkupationsbestrebungen offensichtlich detaillierte Kenntnisse vorlagen. Im Inneren Germaniens gelegene Gebiete bleiben prinzipiell wesentlich schwerer beurteilbar. Dennoch sind Zusammenhänge mit  Besiedlungsschwerpunkten und der Verbreitung von sog. „Fürstengräbern“ zu beobachten, die nicht als zufällig betrachtet werden können. Offenbar spiegeln sich hier römische Interessensphären wider, wie unterschiedlich diese auch gewesen sein mögen. Als wahrscheinlich wichtigste Erkenntnis bleibt festzuhalten, dass es sich bei der ptolemäischen Karte in erster Linie um ein geopolitisches Kartenbild handelt. Vor diesem Hintergrund spielt eine direkte Verknüpfung der poleis mit archäologischen Fundstellen eine eher untergeordnete Rolle – der Wert der in der Karte verborgenen Informationen liegt prinzipiell auf einer übergeordneten räumlichen Ebene und nicht auf der Ebene des Fundpunkts. Eine konkrete Lokalisierung und Gleichsetzung mit germanischen Siedlungen gestaltet sich nach wie vor schwierig und wird in vielen Fällen vermutlich nie mit letzter Gewissheit erfolgen können.

 

Lit.:

Germania magna – Ein neuer Blick auf eine alte Karte. Entzerrte geographische Daten des Ptolemaios für die antiken Orte zwischen Rhein und Weichsel. Germania 89, 2011 (zusammen mit Ch. Marx und A. Kleineberg).

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