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Dr. Matthias Sieberkrob

Sieberkrob

Sprachbildung und historisches Lernen – „Aber mir ist überhaupt nicht klar, wie“. Ziele, Professionalisierung, Umsetzung

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Die durchgängige Sprachbildung ist in der Lehrer*innenbildung und im Schulsystem seit ca. 15 Jahren ein Thema, das alle Ebenen und beteiligten Disziplinen betrifft. In diesem Kontext fokussiert die Dissertation drei Kernaspekte der Sprachbildung beim historischen Lernen. Erstens werden die Ziele des Konzepts reflektiert und konkretisiert. Dabei wird über das Ziel des bildungssprachlichen Lernens aller Schüler*innen hinaus der normativ-emanzipatorische Charakter der durchgängigen Sprachbildung expliziert. Hierfür wird das Handlungsfeld Schule einer intersektionalen Analyse unterzogen und Agency als Ziel zur Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten in der Gesellschaft positioniert, was mit emanzipatorischen Ansätzen des historischen Lernens in Verbindung gebracht wird. 

Zweitens wird die Frage nach der Professionalisierung von angehenden Geschichtslehrer*innen für die Sprachbildung im Geschichtsunterricht in den Blick genommen. Auf der Grundlage von Rahmenbedingungen der Lehrer*innenbildung und kompetenztheoretischen Überlegungen wird dabei zunächst die Komplexität der Professionalisierung für dieses Thema herausgearbeitet. Empirisch werden vierzehn Planungsgespräche sprachbildenden Geschichtsunterrichts von sechs studentischen Zweierteams vor, während und gegen Ende des Berliner Praxissemesters untersucht. Dabei wird drei Forschungsfragen nachgegangen. Erstens wird danach gefragt, welche Aspekte sprachbildenden Geschichtsunterrichts die Student*innen benennen. Zweitens wird der Frage nachgegangen, welche Unterschiede sich zwischen den Planungsgesprächen der drei Erhebungszeitpunkte zeigen. Drittens wird danach gefragt, welche Unterschiede sich zwischen zwei Untersuchungskohorten offenbaren, von denen eine mit dem narrativen Paradigma der Geschichtsdidaktik den sprachlichen Kern des historischen Lernens als Schwerpunktthema in ihrem Studium wählte. Die mit einer qualitativen Inhaltsanalyse untersuchten Planungsgespräche zeigen, dass sich die Student*innen insgesamt schwer damit tun, Sprachbildung in ihre Unterrichtsplanungen einzubringen. Am häufigsten planen sie sprachbildende Maßnahmen, die die Sprachrezeption unterstützen sollen. Bereits deutlich seltener planen sie Maßnahmen zur Unterstützung der Sprachproduktion. Weitere Aspekte spielen daneben nur eine äußerst geringe Rolle in den Planungsgesprächen. Zudem bedenken die Student*innen hauptsächlich die Wort-, aber nur selten die Satz- und Textebene. Die sprachbildenden Maßnahmen werden dabei weitgehend unabhängig vom geplanten historischen Lernen gedacht. Auch der Vergleich von früheren und späteren Planungsgesprächen sowie zwischen den Untersuchungskohorten zeigt keine großen Unterschiede auf. Insgesamt fällt es den Student*innen erkennbar schwer, das sprachliche und historische Lernen zusammenzudenken.

Die Ergebnisse der Empirie sind Anlass und Grund für den dritten Kernaspekt der Dissertation. Denn sie sind der Ausgangspunkt für einen geschichtsdidaktisch profilierten theoretischen Entwurf sprachbildenden Geschichtsunterrichts, der die Frage nach der Umsetzung fokussiert. Hierfür werden zunächst theoretische Grundlagen zum Zusammenhang von Sprache, Geschichte und historischem Lernen dargelegt. Hierauf aufbauend wird der Entwurf sprachbildenden Geschichtsunterrichts ausgearbeitet. Er wird den Ansprüchen der durchgängigen Sprachbildung inklusive des eingangs herausgearbeiteten emanzipatorischen Charakters gerecht und nimmt das historische Lernen zum Ausgangspunkt der sprachbildenden Bemühungen. Er ist sowohl für die Praxis des Geschichtsunterrichts als auch für die Professionalisierung von Geschichtslehrer*innen ein Mehrwert, da er ein Rahmenmodell bietet, das die grundsätzliche Frage nach dem Wie der Umsetzung sprachbildenden Geschichtsunterrichts beantwortet. Der Entwurf besteht im Kern aus dem Ansatz der Sprachbildung im Fachunterricht mittels Lernaufgaben, was mit genredidaktischen Überlegungen kombiniert wird. Er bezieht Förderansätze und Methoden ebenso mit ein wie die lebensweltliche Mehrsprachigkeit der Schüler*innen.

Die Dissertation ist 2023 mit dem Titel „Sprachbildung und historisches Lernen – aber wie? Ziele, Professionalierung, Umsetzung“ bei Vandenhoeck & Ruprecht erschienen. Sie steht hier open access zur Verfügung. 

queerhistory@fu-berlin
Arbeitskreis Geschichtsdidaktik theoretisch
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