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Privatleben

Theodor Wolff mit seinen Kindern: vor 1914

Theodor Wolff mit seinen Kindern: vor 1914

Mit den Kindern am Strand der Ostsee: um 1912

Mit den Kindern am Strand der Ostsee: um 1912

Die Familie

Das Wenige, das sich zum familiären Leben sagen läßt, findet sich im strengen Sinn des Wortes ”am Rande” von Briefen, von autobiographischen Aufzeichnungen und in Erinnerungen, Tagebüchern oder Korrespondenzen einiger Zeitgenossen. Das originale Tagebuch Ernst Feders liefert die meisten Hinweise zur redaktionellen und politischen Situation; auch in ihm hat das Persönliche nur einen Nebenplatz und steht in den meisten Fällen sogar im direkten Bezug zur politischen Sphäre - wenn das Wahlverhalten der Familie erwähnt wird oder die Angst vor Attentaten. Theodor Wolff bewahrt, und dies ist der gewichtigere Grund, nicht nur wenig Persönliches auf, sondern die Familie hat ihren Platz insgesamt nicht im Mittelpunkt seines Lebens. Rudolf Wolff antworte zwar, wenn er direkt zu einzelnen Ereignissen befragt wurde, aber er erzählte nicht – es mangelte an Stoff, an Geschichten und an Episoden, die sich immer erneut erzählen lassen. Aenne Wolff kehrte immer wieder einmal zum Theater zurück, Richard suchte sich die Natur, Rudolf fand die Musik und Lilly entdeckte die Innenarchitektur. Sein Vater sei zärtlich und interessiert gewesen, sagte Rudolf, sei gelegentlich auch mit in die Ferien gefahren, aber nur, falls der Beruf es ermöglicht habe und selbst dann habe eigentlich meistens der Rückruf gedroht.

Das Ehepaar Wolff: Ende der 1930er Jahre

Das Ehepaar Wolff: Ende der 1930er Jahre

Die Kindererziehung lag in den Händen der Mutter, im Haushalt unterstützt von dem Kindermädchen, einer Köchin und Putzfrau, so lange es sich die Familie leisten konnte. Die Kinder erlebten die Tee-Einladungen oder Abendessen ungleich häufiger als gesellschaftlich-berufliche Veranstaltungen und deutlich seltener als private. Auf ihnen soll es relativ ernst und spartanisch zugegangen sein, so daß die trockenen Kekse, die soliden Kekse und der Verzicht auf das Tischtuch, die Elisabeth Castonier vorrangig im Gedächtnis geblieben sind, die Veranstaltungen angemessen illustrieren dürften (169). Selbst in den ruhigeren Zeiten des Exils passierte es Theodor Wolff nicht nur einmal, daß er den Geburtstag seiner Aenne verpaßt – aber in Nizza übernimmt er eine Pflicht gewissenhaft, den Einkauf, doch er beschränkt sogleich die Verantwortung auf den Bereich Fleisch, Wurst und Schinken.

Auseinandersetzung mit seiner
Jüdischen Herkunft

Erst im Exil und dabei vor allem in seinem Manuskript „Die Juden“ hat Theodor Wolff sich gründlicher mit dem Judentum, dem Antijudaismus und mit dem Antisemitismus der Nationalsozialisten auseinander gesetzt. Er tat es im vollen Bewusstsein der quälenden Ungewissheit über sein eigenes späteres Schicksal in einer sich unaufhaltsam verschlechternden Exilsituation, in nur geringer Kenntnis der nationalsozialistischen Mordtaten – von einem systematisch betriebenen Massenmord an den Juden ahnte er nichts – und auch nur unvollständig informiert über die Mitwirkung der französischen Sicherheitskräfte an den Verfolgungen seiner unmittelbaren Umgebung. Alles, was er in Nizza über Kollaboration der französischen Exekutive mit der Gestapo erfuhr und erlebte, musste ihn noch tiefer enttäuschen als das Verhalten der Italiener.

In dem Vichy-Frankreich wollte er, nachdem seine Anfang der vierziger Jahre halbherzig erfolgten Ausreisepläne gescheitert waren, eine doch prinzipiell nicht unzuverlässige Bastion der Freiheit sehen. Deshalb stößt man in seinen Ausführungen über „Die Juden“ auf eine heute sprachlich-inhaltlich irritierend wirkende Zurückhaltung im Urteil über die Verfolger. Mit der breiten Masse der geflüchteten Juden verband den geachteten, gebildeten und zeitlebens um Assimilation bemühten Theodor Wolff wenig. Über ostjüdische Emigranten vermochte er sich, wie zahlreiche andere deutsche Juden, keineswegs freundlich, ja in geradezu abschätziger Überheblichkeit zu äußern. Theodor Wolff hat so gut wie nie eine Synagoge besucht, erzählte sein Sohn Rudolf, dennoch habe er seinen Glauben nicht verleugnet. „Ich verstehe, daß Menschen, die immer herumgestoßen und aus ihrem Boden gerissen werden, eine Heimat brauchen, in der sie sich verwurzelt fühlen. (...) Wenn hinter den Fenstern einer benachbarten Wohnung ein frommes Ehepaar die Sabbatlichter anzündet, so sind das zwar nicht meine Kerzen, aber ihr Licht ist warm.“

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