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Theodor von Schön

Wissenschaftliche Bedeutung

von Schöns Landhaus

Zur wissenschaftlichen Bedeutung einer kritischen Edition der „Persönlichen Schriften“ des ostpreußischen Reformers Theodor von Schön

von Bernd Sösemann

"Theodor von Schön in der preußisch-deutschen Historiographie" als Download

1. Schriften

Eine angemessene Ausgabe der Autobiographien, Korrespondenzen, Berichte, Schriften und Tagebücher Theodor von Schöns, stellt eines der außerordentlichen Desiderata der Forschungen zur Geschichte Preußens dar. Bislang sind die „liberalen“ Grundzüge jener Zeit, die eng mit dem Namen und Werk Theodor von Schöns verknüpft sind, zumeist nur in unzulänglichen und teilweise sogar verfälschenden Publikationen bekannt geworden.

2. Leben

Theodor von Schön (1773 – 1856), Schüler von Immanuel Kant und Christian Jakob Kraus, Königsberg, gehörte zu den bedeutendsten jüngeren Mitarbeitern des Freiherrn vom Stein und entwickelte sich in den folgenden Jahren zu einem der entschiedensten preußischen Reformer. Schön trat 1793 in den preußischen Staatdienst. In den Jahren 1796 bis 1799 unternahm er im Auftrag seiner Behörde eine ausgedehnte Reise durch Deutschland und Großbritannien, die ihn mit den neuesten Entwicklungen in Verwaltung, Recht, Landwirtschaft, Bergbau und Industrie bekannt machte.

3. Tagesaufzeichnungen und Autobiographien

Diese Tagesaufzeichnungen dienten auch als Grundlage für Berichte, die Schön an den Provinzialminister für Ost- und Westpreußen, Friedrich Leopold von Schrötter, schrieb. Die Erfahrungen seiner Reisen konnte Schön anschließend im preußischen Staatsdienst auswerten, insbesondere während der Reformära und als Oberpräsident von Westpreußen (1816 – 1824) bzw. von Ost- und Westpreußen (1824 – 1842). Außerdem legte er in mehreren autobiographischen Fragmenten sein Verständnis der Reformen dar und rechtfertigte darin u.a. seine Tätigkeiten.

4. Hohe Staatsämter

Als Mitglied der Immediatkommission (1807) setzte er sich für die Bauernbefreiung und die Beseitigung der Erbuntertänigkeit ein; im Rahmen der Beratungen über eine preußische Städteordnung befürwortete er eine sehr weitgehende Freiheit der Repräsentanten des Bürgertums. Als höchster Beamter seiner Provinz gehörte er zusammen mit Johann August von Sack und Ludwig von Vincke zu der „liberalen Fraktion“ der Oberpräsidenten, die eine Verfassung, Pressefreiheit, größere Rechte der Landstände, weitergehende Verwaltungs-, insbesondere Gemeinde- und Gerichtsreformen erstrebte und über lange Zeit in scharfer Auseinandersetzung mit dem konservativen Teil der Ministerialbürokratie agierte. 1840 zum Staatsminister ernannt, forderte Schön im gleichen Jahr die Einlösung des wiederholten Verfassungsversprechens Friedrich Wilhelms III. In einer spektakulären Aktion entließ Friedrich Wilhelm IV. den unbequemen Mahner (1842). Schön zog sich auf sein Landgut nach Arnau bei Königsberg zurück.

5. Edition

Im „Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz“, Berlin-Dahlem, liegt das Depositum „von Brünneck“. Es enthält den Nachlaß Schöns. Die Tagebücher Schöns, die Reise-Rapports, die frühen privaten Schriften, Teile der Korrespondenz und die späteren autobiographischen Schriften bilden einen Bestand vielfach aufeinander bezogener Quellen. Sie in einer Abteilung zu edieren, liegt deshalb nahe. Eine eng aufeinander bezogene Auswertung dieser „Persönlichen Schriften“ stellt sowohl für die Geschichte und Deutung der preußischen Reformen und der ihnen vorausgehenden Jahre („Reformen vor den Reformen“) einen großen Gewinn dar, als auch für zahlreiche allgemeinhistorische Disziplinen (Wirtschafts-, Sozial-, Verkehrsgeschichte, Geschichte der öffentlichen Kommunikation, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Landesgeschichte). Mit ihren Bemühungen um eine permanente Reform des preußischen Staates versuchten die Beamten um Stein und Hardenberg, Vincke, Motz und Schön strukturelle Probleme Preußens vorausschauend zu lösen, deren ganze Dynamik erst in späteren Jahrzehnten erkannt wurde. In der Wirkungsgeschichte der Preußischen Reformen und bei ihrer Umsetzung in die Praxis der täglichen Politik spielte Schön eine wichtige Rolle – vor allem als Oberpräsident von West- bzw. West- und Ostpreußen (1816 – 1842). Über diesen Abschnitt seines Wirkens sind wir bisher ungenügend informiert; in den Einzelheiten fraglich ist auch Schöns Mitwirkung an der preußischen Verfassungsbewegung und sein Einfluß auf die Geschichte des „Vormärz“.

6. Ältere Dokumentationen

Von 1875 bis 1883 erschien eine erste Ausgabe ausgewählter Korrespondenz und amtlicher Schriften Schöns sowie der Autobiographien in insgesamt 6 Bänden (Halle/S. 1875; Berlin 1875 – 1883). Weitere Bände (Berlin 1879 – 1891) basieren auf Tagesnotizen Schöns von seiner Reise durch Deutschland und Großbritannien. Ferner erschienen noch „Nachträge“ und ein Band „Zur Knaben- und Jünglingszeit Theodor von Schöns nach dessen Papieren“ (Berlin 1896). Alle bisherigen Veröffentlichungen erreichen kein wissenschaftliches Niveau und erfolgten ersichtlich unter politischen Gesichtspunkten. Die Herausgeber wollten Schön als Wortführer einer besonderen Ausprägung des Liberalismus erscheinen lassen, die es ihrer Ansicht nach im Kaiserreich als Gegenposition zu Bismarcks Politik wiederzubeleben galt. Die wissenschaftliche Anfechtbarkeit dieser Ausgabe fiel schon den Zeitgenossen auf; doch konnten sie nicht erkennen, in welchem Ausmaß in die Originalüberlieferungen eingegriffen und verfälscht worden war. Denn auf textkritische Anmerkungen und einen systematischen Sachkommentar hatten die Herausgeber durchgehend verzichtet.

7. Zielsetzungen

Der Herausgeber und die Bearbeiter wollen mit der Präsentation der „Persönlichen Schriften“ Theodor von Schöns den Prozeß und das Ergebnis der Umwälzungen in Preußen intensiver ausdrücken, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit ins 19. Jahrhundert reichten. Die Edition wird auch Aufschlüsse über den Gang der Reformen im einzelnen sowie über die Auseinandersetzung um Geist und Charakter der preußischen Modernisierung geben. Der „editorische Schatten“ und die editionswissenschaftlichen Details werden in jeder Phase erläutert und begründet. Umfangreiche differenzierte Register erschließen die vorgelegten Materialien; Abbildungen und Graphiken vermitteln einen Eindruck von der Persönlichkeit des Autors, von seinen Reiserouten, den Handschriften, der Entstehung und der Anordnung der Schriften. In ausführlichen Einführungen teilt der Herausgeber das Nötige zu Vita und Werk mit, zur Entstehungszeit und Rezeptionsgeschichte sowie zur Editiorik.

 

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