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Teilprojekt "Kulturtechniken- Ordnungsinstrumente" im DFG-Projekt Bild - Schrift - Zahl

Mitarbeiter/innen:
Förderung:
DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft)
Projektlaufzeit:
01.01.2004 — 31.12.2007

Einleitung und Ziele

»Bild Schrift Zahl« ist eine seit drei Jahren von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bislang mit rund 2 Millionen Euro geförderte Forschergruppe; die Verlängerung um weitere drei Jahre ist bereits positiv begutachtet. Die Teilprojekte der Forschergruppe "Bild-Schrift-Zahl" werden von Hochschullehrern der Humboldt-Universität (6), der Technischen Universität (1) und der Freien Universität (2) geleitet.

Das Spektrum der BSZ-Forschungen begreift Bild, Schrift und Zahl als Basismedien der modernen Kommunikation - in ihrer historischen Genese bis zu ihrer aktuellen Wirkmächtigkeit bei der digitalen Kodierung, Speicherung und Verarbeitung. Im Zentrum der Untersuchungen steht die ordnende Funktion von Zahlen, Schrift(zeichen) und Bildern, d.h. die Frage: Auf welche Art und Weise lassen sich durch die Kombination verschiedener Kulturtechniken Ordnungssysteme erzeugen? Wie nutzt die Gesellschaft die diesen Techniken inhärenten systematisierenden Potentiale? Welche Erkenntnismöglichkeiten werden durch ihre heuristische Instrumentalisierung erschlossen? In drei unabhängig voneinander konzipierten Fallstudien ergibt sich in der Zusammenschau eine mehrdimensionale Perspektive auf das Beziehungsgeflecht von Bild(ern), Schrift(en) und Zahl(en).

Arbeitsprogramm

Genese und Normierung der archaischen metrologischen System

In unserem Arbeitsprogramm wurden am Anfang Genese und Normierung der metrologischen Systeme in Mesopotamien als Beispiel für die produktive Verschränkung von Bild, Schrift und Zahl untersucht. Metrologische Systeme zählen zu den wichtigsten und zugleich alltäglichsten Ordnungssystemen, d.h. Systeme, welche die Wahrnehmung der Welt verändern und diese neu strukturieren können. Sie bieten die Möglichkeit, quantitative Informationen über konkrete Objekte, Getreidemenge bzw. Größe und Umfang von Flächen usw. mit Hilfe der Sprache bzw. der Schrift zu übermitteln und zu speichern.

Am Beginn der keilschriftlichen Überlieferung steht eine Gruppe von Dokumenten, welche verschiedene Stadien des Übergangs zwischen protoschriftlichen Notationsformen und Schrift im eigentlichen Sinne dokumentieren. Diese so genannten archaischen Texte entstanden zwischen etwa 3400 v. Chr. und 2900 v. Chr. an verschiedenen Orten, vor allem im Südlichen Zweistromland sowie im Iran. Sie entstammen dem Bereich frühstaatlicher Wirtschaftsverwaltung und verzeichnen Einlieferung und Auslieferung landwirtschaftlicher Güter, zum Beispiel Getreideprodukte, Vieh, Bier, Milch aber auch Fisch oder Tongefäße.

Das Prinzip der Anordnung der Zeichen auf der Oberfläche dieser Tontafel, d.h. der Zuordnung von Zeichen zu Plätzen, erlaubt, zwei voneinander getrennten strukturellen System zu verbinden: einem System von Ortsbeziehungen zwischen den Plätzen und einem System von Symbolbeziehungen zwischen den Zeichen. So werden numerische Angaben mit Hilfe von „Zahlzeichen“, in die Oberfläche des Tons eingedrückt und stets vor dem Gezählten positioniert, in Informationsgruppen zusammengefasst und in Kästen von anderen Informationsgruppen sichtbar getrennt. Das System von Ortsbeziehungen lässt sich auch durch die Schreibreihenfolge der Zahlzeichen ansehen. Die größten Werte stehen gewöhnlich links, die Kleinsten rechts, und es existiert meist eine symmetrische Anordnung der Zeichen, wie z. B. auf der Rückseite dieser Tontafel.

Die Zahlwerte zwischen den Zahlzeichen verweisen auf ein System von Symbolbeziehungen, d.h. in diesem Fall den arithmetischen Beziehungen der Zahlzeichen zueinander.

Forscher der Freien Universität und des Max Planck Instituts für Wissenschaftsgeschichte Forschungsgruppe von Berlin konnten 13 so genannte „Zahlzeichensysteme“ unterscheiden. Diese Zahlzeichensysteme dienen zur Zählung bzw. Notierung sehr unterschiedlicher Dinge, z.B. Getreide, Zeit, Fläche, Bier. Um die produktive Verschränkung von Bild, Schrift und Zahl zu erklären, wurde der Aufbau diese Zahlzeichensysteme untersucht. Hierbei ist zu beachten, dass diese auf eine höchst komplexe Weise verschiedene Ebenen operationalisieren:

1. die konkrete physische Ebene

2. die symbolische Ebene

3. die Ebene der Darstellung.

Anders ausgedrückt: das zu messende oder zu zählende Objekt, die kognitive Konstruktion und die Konvention über die Erfassung des Zahlzeichensystems, und die Kombination von numerischen und darstellenden Zeichen. So sind Zeichen (Ebene 3) nicht mit der dahinter liegenden Vorstellung (Ebene 2) bzw. mit den gezählten oder gemessenen Objekten (Ebene 1) zu identifizieren. Daraus ergeben sich grundlegende Konstitutien für das Zahlkonzept in dieser frühen Kultur.

 

Schriftgeschichte als Kulturgeschichte

Das Nachdenken über Schrift, Bild und Zahl, wie es sich historisch in Theorie und Kritik der Schrift darstellt, erweitert sich zur Reflexion über Schrift als Maßstab von Kultur.

Viele Theorien über die Entwicklung der Schrift werden von einem in der Renaissance ausgebildeten europäischen Phonozentrismus implizit beeinflusst. Mit der Entstehung der sogennanten „piktographischen“ Texte zu Beginn des 20. Jt., entwickelten sich verschiedene Theorien über den Anfang der Schrift, des Typs «von Piktogramm zum Alphabet», d.h. von einer «écriture de choses» (Sachen-Schrift) bis zum Alphabet durch eine «écriture de mot» (Wort-schrift). Das hatte zur Folge, dass die interne Entwicklung der Keilschriftsysteme und ihre typologische Vielfalt, wie logograpische, syllabographische und alphabetische Typen, unterschätzt bzw. verkürzt, und nur als eine auf das griechische Alphabet zentrierten Schriftentwicklung angesehen werden.

Um die Diskussion um das Verhältnis von Bild, Schriftzeichen und Zahl auf dem Hintergrund unserer Schriftreflexion einzuführen, haben wir zwei Schwerpunkte ausgewählt:

- Der Beginn der Schriftentwicklung
Die Entwicklung schriftlicher Notationsformen ist im ausgehenden vierten Jahrtausend v. Chr. bezeugt. Zu den protoschriftlichen Verwaltungshilfen zählten Siegel und gegenständliche Zählsymbole, die so genannten „Tokens“ bzw. „Calculi“, d.h. dreidimensionale Objekte unterschiedliches Gestalt (Tetraeder, Zylinder, Kugeln, Linsen...). Nach einer geläufigen Theorie werden sie als Vorläufer der ersten Zeichen betrachtet. Man nimmt an, sie seien von Tonkugeln, welche auf die Oberfläche der so genannten Tonbullen, kugelförmige Objekte, die häufig gesiegelt waren und die in ihrem Inneren mehrere Tokens enthielten, eingedrückt worden. Diese Hypothese wird anhand der Theorie, dass das Prinzip der Anordnung grundlegend für die Konzeption einer Schrift ist, untersucht.

- Die Entwicklung des Alphabets
Die ersten sogenannten „alphabetischen“ Zeichen wurden entweder auf Materialien mit fester Oberfläche wie Papyrus, Ostraka, Stein oder Metall gepinselt bzw. geritzt, oder mit Hilfe eines Griffels in weichen Ton eingedrückt. Das Produkt des ersteren Verfahrens wird lineare Alphabetschrift genannt, das des letzteren Keilalphabetschrift.

Die linearen Alphabetschriften sind früher als Keilalphabetschriften bezeugt. Die ältesten Inschriften in linearer Alphabetschrift stammen aus zwei benachbarten Regionen; Sinai und Syrien-Palästina, und werden deshalb “protosinaitisch" und “protokanaanäisch" genannt. Diese Unterscheidung ist rein geographisch, nicht aber schriftgeschichtlich bzw. linguistisch begründet.

Nach dem Assyriologen I. Gelb war keines dieser Schriftsysteme ein Alphabet. Diese Innovation rechnet er den Griechen zu, welche das Erbe der phönizischen Schrifttradition antraten. Mit der Einführung von Extrazeichen für Vokale im 8. Jahrhundert kam es nach I. Gelb zum revolutionären Schritt, welcher das griechische Alphabet von der phönizischen Schrift unterschied.

Mit Hilfe von archäologischen und schriftlichen Befunden des Alten Vorderen Orients kann gezeigt werden, dass die Identifikation eines Alphabets ein Problem der Interpretation von bestimmten Zeichen ist und sich nicht allein durch die Befundlage begründet.

 

Teilnehmer:
Prof. Dr. Eva Cancik-Kirschbaum
Wiss. Mitarbeiter: Grégory Chambon
Hilfskraft: Babette Schnitzlein

DFG- Projekt Bild, Schrift, Zahl
Kulturtechniken, Ordnungsinstrumente
Gelfertstraße 45
Zimmer 9
14195 Berlin
Tel. 838 56763

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