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Mīrzā Āqā Khān Kermānī

Mīrzā Āqā Khān Kermānī

Mīrzā Āqā Khān Kermānī
Bildquelle: Wikipedia

Mīrzā Āqā Khān Kermānī gehört zweifellos zu den einflussreichsten und vielseitigsten iranischen Intellektuellen des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Geboren in der Provinz Kerman, genoss er eine traditionelle Ausbildung in islamischem Recht, persischer und arabischer Literatur, Mathematik und Philosophie. Er lernte zudem Englisch und Französisch. In Religionsfragen stand er unter einer Vielzahl von Einflüssen von Seiten seiner Eltern und Lehrer, wofür sein ambivalentes Religionsverständnis in seinen Schriften ein Spiegel ist. So ist er in manchen seiner Schriften der Schia gegenüber aufgeschlossen in anderen kritisch, gleiches gilt für den Sufismus, die Ismāʿiliyya und den Zarathustrismus. Am deutlichsten ist, in einer bestimmten Phase seines Schaffens seine Hinwendung zum im 19. Jahrhundert in Iran entstandenen Babismus ausgeprägt, den er als eine religiöse Erneuerungsbewegung verstand. Das hinderte ihn aber nicht daran, sich zugleich als Agnostiker zu verstehen. Insgesamt scheint er das Phänomen der Religion als notwendig aber keine Konfession als Ganze als überzeugend betrachtet zu haben. Nach Konflikten mit dem Statthalter in Kerman entschied er 1884 nach Istanbul auszuwandern, wo er sich einer Gemeinschaft von Exiliranern anschloss und die letzten 10 Jahre seines Lebens verbrachte. Hier stand er mit anderen einschlägigen Intellektuellen in Kontakt. So half er dem in London ansässigen Malom Khān seine Zeitschrift Qānūn unter den Iranern in Istanbul zu verbreiten und dort eine Freimaurerloge zu etablieren. Al-Afghānī unterstützte er zeitweise in seinen pan-islamischen Ambitionen. Zudem rezipierte er ausgiebig verschiedene Strömungen europäischen Denkens und verfasste, diese verarbeitend, eine Reihe von Monographien und Artikel, insbesondere für die in Istanbul erscheinende Exilzeitschrift Akhtar. Als 1896 der mit dem Babismus sympathisierende Mīrzā Rezā Kermānī Nāṣir ad-Dīn Schah erschoss, wurde Mīrzā Āqā Khān beschuldigt, mit in den Mordkomplott verstrickt zu sein. Im selben Jahr wurde er, inzwischen in Trabzon unter Hausarrest stehend, von den osmanischen Offiziellen ausgewiesen und in Tabriz hingerichtet. In den nur 10 Jahren seiner Istanbuler und Trabzoner Zeit aber hatte er ein Werk geschaffen, das – wenn auch in sich vielfach widersprüchlich – als exemplarisch gelten kann für den Versuch eines iranischen Denkers divergierende intellektuelle Strömungen aus Europa und der islamischen Welt im Zusammenhang zu rezipieren. Da seine publizierten Werke erst einige Jahre nach seinem Tod erschienen und viele seiner Schriften bis heute nicht publiziert sind, stellt die Frage der Rezeption seines Denkens eine besondere Herausforderung dar. Insgesamt hat der mit bereits 42 Jahren gestorbene Mīrzā Āqā Khān ein in sich ambivalentes Werk hinterlassen, das dem intellektuellen Diskurs in Iran vielerlei Impulse zu Themen wie Religionskritik und Religionspluralismus, dem Verständnis von Nation, aber auch zum anti-Arabisch / Antisemitischen Rasse-Denken gab. Die Bedeutung und Wirkung seines Werkes für die auf ihn folgende Geistesgeschichte Irans sowie sein Wirken im Kontext einer transregionalen Ideengeschichte der Aufklärung zu untersuchen, ist Gegenstand des Forschungsprojektes TransIranIdee.

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