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Umkämpfte Klangräume. Politiken des Akustischen im frühneuzeitlichen Zürich

Frühneuzeitliche Stadtgesellschaften wurden primär durch Kommunikation unter Anwesenden integriert. Die Medien einer solchen Kommunikation umfassten neben Sprache, Ritualen und Druckmedien auch Klänge. Diese strukturierten den sozialen, kulturellen und politischen Raum der Stadt in epochenspezifischer Weise. Die Klänge frühneuzeitlicher Städte waren lesbar, sie bildeten ein höchst komplexes akustisches Medien- und Kommunikationssystem, das den Alltag rhythmisierte, den Stadtraum strukturierte und spezifische Ereignisse durch spezifische akustische Signale kommunizierte. Klänge können damit analog zu optischen Medien als vernetztes Kommunikations- und Mediensystems aufgefasst werden, das kulturell geformt ist, gesellschaftlichen Normierungen unterliegt und in gesellschaftliche Konflikte eingebunden ist. Historische Akteure hörten nicht nur anders, sondern folgten auch spezifische soundways, die ihre soziale Welt formten und mit Sinn versahen. Vor allem aber nutzten sie Klänge als akustische Medien der Raumkonstitution und Mittel der Konfliktaustragung. Städtische Räume konnten akustisch besetzt, bestritten und umkämpft werden. Als Leitfragen des Projekts ergeben sich: Inwiefern lassen sich Klänge als Medien politischer Macht verstehen? Welches Wissen über politische Ordnungen kann über welche Klänge kommuniziert werden? Wer verfügt in welchem Kontext über die Macht, mit welchen Klängen den Stadtraum zu besetzen? Welche Strategien der akustischen Subversion lassen sich im Gegenzug identifizieren? Welche Klänge werden wie gehört, verstanden, interpretiert, „gelesen”? Gibt es eine distinkte Klangumwelt frühneuzeitlicher Städte? Politisches Klang- und Hörwissen entsteht, so die Hypothese des Projekts, vor allem durch Wissen um die akustische Legitimitätsordnung einer Gesellschaft. Legitimität und Illegitimität von Klängen sind Kategorien der gesellschaftlichen Machtproduktion. Politische Macht ist also immer auch Definitionsmacht über die legitime Klangproduktion und die angemessene Hörpraxis in einer politischen Ordnung. Zugleich gilt aber: Was zu einem gegebenen historischen Zeitpunkt als illegitim, als Lärm also, galt, stand in keiner Weise von vornherein fest, sondern war Gegenstand gesellschaftlicher Konflikte. Das Projekt verfolgt diese Politiken des Akustischen am Beispiel der frühneuzeitlichen Stadt Zürich in einer Langzeitperspektive vom späten 15. bis zum frühen 19. Jahrhundert und interessiert sich dabei besonders für die Beziehung zwischen politischen, religiösen und sozialen Transformationsprozessen und ihrer jeweiligen akustischen Wissensproduktion.

DFG