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Großmachttöne. Politische Mobilisierung und akustische Kommunikation in Berlin 1871-1918

Buchprojekt von PD Dr. Daniel Morat

Im Zuge der „Fundamentalpolitisierung“ (Hans-Peter Ullmann) und der Partizipation immer weiterer Bevölkerungsteile am politischen Geschehen seit Ende des 19. Jahrhunderts veränderten sich die Bedingungen des Politikmachens im Deutschen Reich schon vor dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Einführung der parlamentarischen Demokratie im Jahr 1919. Die politischen Parteien und Bewegungen des Kaiserreichs setzten daher ebenso wie die Imperialpolitik Wilhelms II. und seiner Regierungen auch auf neuartige Formen der politischen Massenmobilisierung, wie sich etwa am populären Charakter der Flottenpolitik zeigen lässt. Berlin als Reichshauptstadt und imperial city spielte dabei eine zentrale Rolle als Aufmarschplatz und Bühne der symbolischen Politik.

Vor diesem Hintergrund untersucht diese Studie die unterschiedlichen Formen der politischen Mobilisierung mit akustischen Mitteln, die als „Klangpolitik“ gefasst wird. Dabei geht es im ersten Kapitel zunächst allgemein um die akustische Ordnung des öffentlichen Raums. Im zweiten Kapitel stehen die Formen der Klangpolitik ‚von oben’ im Mittelpunkt, d.h. der Einsatz klanglicher Mittel zur symbolischen Repräsentation der Macht und zur Sicherung von Gefolgschaft etwa bei nationalen Feiertagen, Paraden, Aufmärschen, Militärkonzerten etc. Das dritte Kapitel widmet sich dann der Klangpolitik ‚von unten’, d.h. der akustische „Straßenpolitik“ (Thomas Lindenberger) bei Kundgebungen und Demonstrationen vor allen Dingen der Arbeiterbewegung. Das vierte Kapitel stellt die Frage nach der Bedeutung des politischen Redens in Anwesenheitssituationen wie der Parlamentssitzung oder der Wahlkampfveranstaltung unter den Bedingungen der beginnenden Massenmedialisierung. Welche Rolle spielten das gesprochene Wort und die Stimme des Politikers oder der Politikerin, wenn sich das Gesagte in erster Linie durch Presseberichte und andere Formen der Verschriftlichung verbreitete? Das fünfte Kapitel untersucht abschließend gesondert die akustische Mobilisierung während des Ersten Weltkriegs. Wie gestaltete sich das viel beschworene „Augusterlebnis“ in akustischer Hinsicht? Wie wurden zu Beginn und im weiteren Verlauf des Krieges Klänge an der Heimatfront bewusst zur Mobilisierung und Stärkung des Durchhaltewillens eingesetzt? Indem sich die Studie diesen und verwandten Fragen widmet, trägt sie zur akustischen Erweiterung der in den letzten Jahren viel diskutierten Kulturgeschichte des Politischen bei und präzisiert unser Verständnis politischer Mobilisierungsprozesse im Kaiserreich.

Geschichte und Gesellschaft
Arbeitsbereich Zeitgeschichte
Stadtgeschichte