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Die zweite Republik

Die Regierungszeit Rhee Syngmans (Yi Sŭng-man) endete am 28. April 1960 mit dessen Flucht ins Exil auf Hawaii. In den frühen Monaten nach dem Abtritt Rhees erfasste eine Welle der Hoffnung auf einen tatsächlichen demokratischen Wandel das Land, weshalb die Zeit nach dem Abtritt Rhee Syngmans und vor dem Amtsantritt Chang Myons (Chang Myŏn) auch als „Seouler Frühling“ (Sŏurŭi pom) bekannt wurde. Einschränkungen im Pressewesen und in den politischen Aktivitäten der Bevölkerung wurden aufgehoben, was sich in der Etablierung einer Unzahl neuer Magazine, Zeitungen und Interessengruppen niederschlug

In der Periode des Übergangs war die politische Macht auf zwei verschiedene Zentren verteilt: das Übergangskabinett von Heo Jeong (Hŏ Chŏng) und die Nationalversammlung. Heo Jeong machte deutlich, dass er (a) die antikommunistische Politik verstärkt vorantreiben werde, (b) Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und (c) die Beziehungen zu den USA verbessern wolle. Die Nationalversammlung erarbeitete derweil zügig einen neuen Verfassungsentwurf, der die Etablierung eines parlamentarischen Kabinettsystems inkl. einer Zwei-Kammer-Regierung vorsah, in dessen Zentrum der Premierminister und das Kabinett standen, welche wiederum der Nationalversammlung verpflichtet waren. Das Präsidentenamt umfasste primär zeremonielle Funktionen. Die neue Verfassung wurde am 15. Juni 1960 vorgestellt und kurz darauf verkündet; die anschließenden Wahlen zur Bildung eines Kabinetts fanden am 29. Juli statt.

     Chang Myŏn

Die demokratische Partei (DP; minjudang) gewann eine deutliche Mehrheit in beiden Häusern; Yun Po-sŏn wurde zum Präsidenten gewählt und am 19. August wurde Chang Myŏn zum Ministerpräsidenten bestimmt, Yun Po-sŏn übernahm das primär zeremonielle Präsidentenamt. Es schien so, als sei nach dem Ende der autoritären Rhee-Ära die Zeit für eine tatsächliche Demokratie gekommen.

Doch bereits in weniger als einem Jahr sollte die anfangs so umjubelte Zweite Republik einem militärischen Coup zum Opfer fallen. Was war passiert? Eine Reihe von z.T. interdependenten Elementen hatte zu dem schnellen Ende der Zweiten Republik beigetragen:

Ein wichtiges Element war zweifelsohne die Schwäche der Demokratischen Partei selbst. Bereits unmittelbar nach den Wahlen fand ein erbarmungsloser Machtkampf zwischen den beiden Flügeln innerhalb der DP statt. Die Partei wurde von diesem anhaltenden Faktionalismus nachhaltig geschwächt, der letztlich in der Abspaltung eines Parteiflügels und deren Gründung der Neuen Demokratischen Partei (sinmindang) im September 1960 gipfelte.

Auch die Zögerlichkeit bei dem von der Bevölkerung erhofften revolutionären Wandel sowie eine mitunter ebenfalls zweifelhafte politische Praxis trugen letztlich zum Ende der Zweiten Republik bei. Die Partei kam überraschend schnell und unerwartet an die Macht und die Basis der Partei in der Bevölkerung erwartete eine zügige und umfassende Säuberung aller Elemente der vorherigen Rhee-Regierung. Diesen Ansprüchen wurde die Partei jedoch nicht gerecht und erließ unter diesem Druck eine Reihe durchaus zweifelhafter Gesetze und Bestimmungen; so wurde bspw. das NSG weiter verschärft; dies führte letztlich zu Beginn 1961 zu einer zunehmenden Entfremdung zwischen der Regierung und der Bevölkerung. Das Pendel schien rückblickend betrachtet von Rhee Syngman mit seinem ultraautoritären Führungsstil nun unter Chang Myŏn ins andere Extrem umzuschlagen, nämlich Führungsschwäche und Unsicherheit. Die Anzahl der Korruptionsfälle stieg kontinuierlich an, ebenso wie die Kriminalitätsrate.

Am Ende muss jedoch angemerkt werden, dass die Zweite Republik nicht zuvorderst an diesen sicherlich ernsten Entwicklungen zerbrach. Nicht die eigene Schwäche oder der Mangel an Unterstützung aus der Bevölkerung waren die auslösende Ursache für das schnelle Ende der Zweiten Republik – die Regierung von Chang Myŏn wurde letztlich vom Militär gestürzt, einer mächtigen Kraft in Südkorea, die seit den 1950er Jahren Schritt für Schritt anwuchs und die nun ins Herz des politischen Systems Südkoreas vordrang.

AKS
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