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Religion

Religion und Weltanschauungen

Der Bereich Religion und Weltanschauungen stellt eine wichtige Dimension des vormodernen und modernen China sowie Taiwans dar. Dabei ist es oft schwer zu fassen, was genau im Chinesischen unter Religion zu fassen ist. Die Anwendung des Terminus Religion (zongjiao 宗教) – wie auch anderer westlicher Begriffe auf chinesische Phänomene – erweist sich immer wieder als nur bedingt hilfreich. So kann man fragen, ob oder inwieweit Konfuzianismus eine Religion ist (oder eine Philosophie) oder zumindest eine religiöse Dimension hat. Dieselbe Frage ließe sich aber auch gegenüber dem Buddhismus stellen oder sogar dem Daoismus. Zugleich ist klar, dass diese Traditionen – sowie die Volksreligion und in neuerer Zeit auch Christentum und Islam – die chinesische Geschichte und Kultur zutiefst geprägt haben.

Konfuzianismus und andere intellektuelle Traditionen

Konfuzianismus, Buddhismus und Daoismus werden zusammengenommen als die “Drei Lehren” (sanjiao三教) Chinas bezeichnet. Im vormodernen China stellt der Neokonfuzianismus seit der Song-Zeit einen Forschungsschwerpunkt dar. Untersucht werden neben neuen Konzeptionen, die auf die Herausforderungen des Buddhismus und Daoismus antworteten, auch die Ritentradition und die Einbettung in gesellschaftlich-politische Veränderungen. Im 20. Jh. und der Gegenwart stellt das Erbe des Konfuzianismus in der Moderne und der moderne Neukonfuzianismus ein wichtiges Forschungsfeld dar. Aber auch Christentum, Islam und viele kleinere Religionsgemeinschaften sind Teil chinesischer Geschichte und Gegenwart, die anhand ihrer Schriften und indigenen Denktraditionen untersucht werden können.

Religionsdiskurse und -semantiken und ihr Wandel

Ein besonderer Forschungsschwerpunkt am Institut liegt auf dem semantischen Wandel und Religionsdiskursen im modernen China. Mit Einführung des modernen Religionsbegriffs (zongjiao) finden sich seit ca. 1900 explizite Debatten um die Rolle von Religion(en) in China. Wie werden seit der Einführung westlich geprägter Begrifflichkeiten und Kategorien religiöse Traditionen und Phänomene beschrieben? Wie ist der anhaltende Wandel religionsbezogener Semantiken kontextuell zu analysieren, der nicht nur den Religionsbegriff selbst umfasst, sondern auch Begrifflichkeiten wie Aberglaube, Glaube, religiöse Erfahrung, Mystik, Religionsfreiheit etc.? Wie verhalten sich Religionsdiskurse zu Diskurse um Modernisierung, Nation und Ethik.

Religion(en) als Teil der Gesellschaft

Neben den intellektuellen Traditionen kann Religion als Teil gesellschaftlicher Wirklichkeit sowohl des vormodernen als auch modernen China betrachtet werden. Insbesondere die „Volksreligion“ mit ihren lokalen Tempeln, Tempelfesten und Sitten stellt einen integralen Teil lokaler Gesellschaft dar. Die Begegnung einzelner religiöser Tradition und ihrer Akteure fand auf lokaler Ebene als Teil gesellschaftlicher Austausch- und Veränderungsprozesse statt, z.B. im Aufeinandertreffen christlicher Mission mit den vorfindlichen Traditionen. Moderne Transformations- und Globalisierungsprozesse haben in der Gegenwart zu grundlegenden Veränderungen des religiösen Feldes geführt, die je nach lokalen Kontexten (Taiwan, VR China, Hongkong, Überseechinesen) komparativ analysiert werden.

Religion(en) und der Staat

Der Staat spielt sowohl im Verhältnis zu den religiösen Traditionen eine Rolle, wie umgekehrt diese auf den Staat zurückwirken. Im vormodernen kaiserlichen China stellte der Staat einen wichtigen Akteur im religiösen Feld dar und privilegierte die Lehre des Konfuzianismus als Staatsorthodoxie. Buddhismus und Daoismus waren ebenfalls zugelassen, jedoch kontrolliert. Andere Gruppen wurden als „Sekten“ hingegen ausgegrenzt und verfolgt. In der heutigen kommunistischen VR China sind die offiziellen Religionsverbände dem Staat korporatistisch untergeordnet, aber anerkannt. Andere Gruppen (Untergrundkirchen, Falun Gong) sind hingegen repressiven Maßnahmen ausgesetzt.

 

Die Professur Kultur und Geschichte Chinas mit Schwerpunkt Religionen kooperiert eng mit dem Lehrstuhl für Geschichte und Kultur Chinas an der Universität Leipzig (Prof. Ph. Clart). Seit mehreren Jahren organisieren wir gemeinsam ein Forschungs- und DoktorandInnen-Kolloquium „Religions in China“.

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