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Vorbericht zur Kampagne 2014

In der Kampagne 2014 konzentrierten sich die Arbeiten an der Unteren Agora auf den östlichen Hofbereich sowie die angrenzenden Räume. Es wurden erneut große Partien des Baus von Bewuchs gereinigt und anschließend im Maßstab 1:50 zeichnerisch aufgenommen. Auch die Aufnahme der zugehörigen Bauglieder wurde fortgesetzt. Zudem wurden zwei archäologische Sondagen im östlichen Teil der Nordhalle sowie im zentralen östlichen Hofbereich durchgeführt. Zwei intensive Reinigungen im Hofbereich dienten der Säuberung und Dokumentation einzelner Baubefunde. Schließlich erfolgte die Auswertung des keramischen Fundmaterials aus den Sondagen des Vorjahres. Ein Hauptaugenmerk der Kampagne 2014 lag erneut auf der relativchronologischen Entwicklung der Unteren Agora. Im folgenden werden die vorläufigen Ergebnisse kurz skizziert.

Pergamon, Untere Agora. Sondage in der Nordhalle (2014).

In einer ersten Bauphase wurde die Untere Agora als Hofanlage mit den umlaufenden Hallenbauten und den ursprünglich zugehörigen Räumen errichtet. Fundmaterial aus den Sondagen des Vorjahres, das aus bauzeitlichen Befunden stammt, ist in den Zeitraum des späten 1. Jhs. v. Chr. / frühen 1. Jhs. n. Chr. zu datieren. Die Bearbeitung des 2014 geborgenen Fundmaterials aus der Unterfütterung des Hallenbodens der Nordhalle steht gegenwärtig noch aus. Zwei in diesem Bereich freigelegte Tonrohrleitungen lassen sich typologisch in das 1. Jh. v. Chr. datieren.

Pergamon, Untere Agora. Sondage im östlichen Hofbereich (2014).

Unsicher ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch die zeitliche Stellung eines massiven L-förmigen Fundamentzuges, der im zentralen östlichen Hofbereich liegt und an dessen Westseite eine zweite Sondage angelegt wurde. Da im Verlauf der Ausgrabungen hier keine ungestörten antiken Schichten angetroffen wurden, war die Datierung der Struktur auf archäologischer Grundlage nicht möglich. Mögliche Anhaltspunkte ergeben sich jedoch aus der Lage und der technischen Zurichtung des Fundaments. Seiner Ausrichtung nach verlief die Ostmauer des Bauwerks in ca. 11 m Abstand parallel zur Front der östlichen Hofhallen. Das Fundament und die Hofhallen waren demnach aufeinander bezogen. Aufgrund der Zurichtung des Fundaments aus lokalem Geschiebestein und grob zugerichteten Tuffblöcken erscheint es zudem denkbar, dass der Fundamentzug im Hof älter ist als die umfassende Hallenarchitektur.

Pergamon, Untere Agora. Hofareal ohne byzantinische Einbauten (nach W. Dörpfeld)

Die zweite Bauphase der Unteren Agora ist von einem massiven Eingriff in die bestehende Baustruktur gekennzeichnet. Wie bereits von Dörpfeld erkannt worden war, wurden dabei massive Pfeiler im westlichen Teil der Nordhalle eingebaut, die unter einander mit Gurtbögen aus roh bearbeiteten Andesitblöcken ausgesteift wurden. Schon Dörpfeld brachte diese Baumaßnahme mit massiven Senkungen in Verbindung, die sich im östlichen Teil der Anlage beobachten lassen, ohne allerdings die Konsequenzen für das Erscheinungsbild des Baus insgesamt ausreichend zu berücksichtigen. So besteht Grund zu der Annahme, dass mit Errichtung der Pfeilerarchitektur im westlichen Bereich der Nordhalle der östliche Teil derselben faktisch aufgegeben wurde. Möglicherweise war ein Teil der Hallenarchitektur in diesem Bereich kollabiert und wurde nicht wieder hergestellt.

Pergamon, Untere Agora. Reste eines Kalkofens im östlichen Hofbereich.

In diesem Zusammenhang ist vermutlich auch die Errichtung eines Kalkofens vor der Nordhalle zu sehen, der im Rahmen einer intensiven Säuberung freigelegt werden konnte. Zwar steht eine archäologisch fundierte Datierung des Ofens vorläufig noch aus. Jedoch ist der Ofen seiner Funktion nach nur mit zwei Bauphasen sinnvoll in Verbindung zu bringen, wenn man voraussetzt, dass der gebrannte Kalk unmittelbar am Ort verwendet wurde. Neben den umfangreichen Baumaßnahmen der zweiten Phase wurde Kalkmörtel nur in geringem Umfang zur Errichtung der byzantinischen Kirche verwendet. Für eine Zuweisung des Ofens an Phase 2 sprechen jedoch zwei Indizien: Zum einen saß der Ofen bei seiner Errichtung auf dem antiken Hofpflaster auf, zum anderen fanden sich charakteristische Reste der Ofenfüllung auch in Schichten, die ihrerseits der Errichtung der Kirche vorausgehen. Es besteht daher Grund zu der Annahme, dass der Ofen für die sehr aufwendigen Konsolidierungsmaßnahmen der zweiten Bauphase angelegt und anschließend nicht vollständig abgetragen wurde.

Pergamon, Untere Agora. Sondage in der Nordhalle (2014).
Bauzeitlicher Boden mit Tonrohrleitung sowie sekundäre Fußbodenunterfütterung der Bauphase 3.

Eine dritte Bauphase wird durch den Einbau einer Reihe von Räumen im östlichen Hofbereich markiert. Weitere Eingriffe an der bestehenden Bausubstanz der Anlage gehen mit diesen Maßnahmen einher, so dass von einem umfangreichen Umbau gesprochen werden kann, der auch die Nutzung der Anlage nachhaltig verändert haben muss. Dabei wurde unter anderem den ursprünglichen Räumen 2-4 eine Gruppe von drei Räumen vorgelegt. Ihrem Charakter nach handelt es sich bei den durch diese Baumaßnahmen geschaffenen Strukturen aller Wahrscheinlichkeit nach um Wohnräume. Reste ähnlicher Einbauten lassen sich auch andernorts am Bau nachweisen, ohne dass ihre Zeitstellung oder ihr Umfang im Einzelnen genau zu bestimmen wären. Ein terminus post quem für die Errichtung der Räume im östlichen Teil der Nordhalle sollte sich aus dem Fundmaterial der hier angelegten Sondage ergeben, dessen Auswertung für die Kampagne 2015 vorgesehen ist.

Eine vierte Bauphase bildet die Errichtung der byzantinischen Kirche im Hofbereich. Die Kirche selbst ist faktisch nur in ihren Fundamentzügen erhalten, wie sich aus dem Niveau der Oberkante eines in situ befindlichen Schwellblocks der nördlichen Tür ergibt. Das wenig qualitätvolle Mauerwerk der Fundamente darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ausstattung des aufgehenden Bauwerks unter Verwendung von Marmorspolien durchaus als aufwendig zu bezeichnen ist, was mit den großzügigen Abmessungen des Baus korrespondiert. So konnten im Verlauf der Kampagne 2014 mehrere mutmaßlich zugehörige Bauglieder aus Marmor, identifiziert werden, darunter eine sechseckige profilierte Basisplatte aus weißem Marmor, die dem Ambo der Kirche zuzuweisen sein dürfte. Mit der Errichtung der Kirche folgt eine weitere intensive Nutzungsphase, die maßgeblich durch die Anlage von Gräbern definiert ist, die ihrer Lage nach die Kirche berücksichtigen. Mehrere dieser Gräber wurden durch die Sondage im Hofbereich erfasst.

(A. Öztürk – B. Emme)