Transkulturelle Perspektiven in der Kunst(geschichte) / Transcultural Perspectives in Art (History)
News vom 27.10.2021
—for English version see below—
"Transkulturelle Perspektiven in der Kunst(geschichte)"
Berliner Graduierten-Symposium für moderne und zeitgenössische Kunstgeschichte
(Freie Universität Berlin / Humboldt-Universität zu Berlin)
Berlin/online, 12.-13. November 2021 (Webex Meetings)
Konzeption und Organisation: Prof. Dr. Eric C. H. de Bruyn, Prof. Dr. Eva Ehninger, Dr. des. Johanna Függer-Vagts und Dr. André Rottmann mit Hanna Steinert, Johanna Engemann und Frederik Luszeit
Bitte melden Sie unter folgendem Link an:
https://forms.gle/v5QUvCA5uwYTXwUo9
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Keynotes:
Prof. Dr. Monica Juneja, Universität Heidelberg, 12. November 2021
Dr. Sudeep Dasgupta, Universiteit van Amsterdam, 13. November 2021
In Kooperation zwischen dem Arbeitsbereich Neueste Kunstgeschichte / Modern and Contemporary Art des Kunsthistorischen Instituts der FU Berlin und dem Fachbereich Kunstgeschichte der Moderne des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte der HU Berlin findet im Wintersemester 2021/2022 zum dritten Mal das gemeinsame Berliner Graduierten-Symposium für moderne und zeitgenössische Kunstgeschichte statt.
Ziel der jährlichen Nachwuchstagung ist es, fortgeschrittenen Master-Kandidat*innen und Promovierenden zu Beginn der Dissertation die Möglichkeit zum Austausch über aktuelle Projekte in den Forschungsfeldern der Geschichte und Theorie künstlerischer Praktiken und visueller Phänomene vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart zu bieten. Jede Tagung ist dabei einem übergeordneten Thema gewidmet, das die gemeinsame Diskussion rahmt. Das Organisationsteam möchte dabei eine Plattform des Dialogs zwischen Nachwuchswissenschaftler*innen und geladenen Expert*innen bieten. Zudem werden Vortragende vergangener Graduierten-Symposien dazu eingeladen, sich als Moderator*innen an den Sektionen zu beteiligen, um die Vernetzung inner- und außerhalb des deutschsprachigen Raums ebenfalls zu fördern.
Unter dem Titel „Transkulturelle Perspektiven in der Kunst(geschichte)“ ist das diesjährige Graduierten-Symposium den Fragen gewidmet, die sich aus den komplexen Prozessen der Globalisierung für die Wissensordnungen, Theorien und Methoden kunsthistorischer Forschung, Kunstkritik und kuratorischer Praxis seit dem 19. Jahrhundert ergeben.
In der kunsthistorischen Forschung kann das Paradigma der Transkulturalität als Gegenentwurf zu Untersuchungsperspektiven verstanden werden, die einem verengten, national oder territorial konzipierten Kulturverständnis folgen. Im Zuge einer kritischen Methodenreflexion werden durch transkulturelle Ansätze die Komplexität geopolitischer Relationen, kultureller Austauschprozesse und polyvalenter Rezeptionsmodelle hervorgehoben. Diese Verschiebung des Blickwinkels hat zur Folge, dass Bildmedien des 19. Jahrhunderts – wie die Fotografie und der Film, die Postkarte und die Dia-Projektion – verstärkt einbezogen werden, womit ihre historisch-spezifischen Funktionen und Anwendungen ebenso in den Fokus rücken wie die lokalen, geographisch unterschiedlich aufgebauten Archive solcher Bestände.
Auch der Blick auf die europäische und nordamerikanische Kunst der Moderne muss sich unter transkulturellen Vorzeichen grundlegend wandeln: In ihren verschiedenen ästhetischen Strömungen und avantgardistischen Ausprägungen hat sie wiederholt selbst dann den Anspruch von Universalität formuliert, wenn ihre Ideen und Verfahren sich der Aneignung visueller Kulturen des Globalen Südens verdankten, denen die Zeitgenossenschaft abgesprochen wurde, indem sie beispielsweise innerhalb einer kolonialen Wissensordnung als ‚das Andere‘ definiert und exotisiert wurden. Zugleich hat die Kunstgeschichte eine hierarchische Unterscheidung zwischen den vermeintlichen Zentren und Peripherien der Avantgarden implementiert, wodurch die vielfältigen Verflechtungen zwischen kulturellen Praktiken im transnationalen Maßstab ignoriert und die Rezeption und Anerkennung der Phänomene einer globalen Moderne, Transmoderne oder alternativen Moderne (‚alternative modernities‘) blockiert wurden. Bis hin zur Konzeptkunst der 1960er Jahre wurden Praxisformen oftmals nur als avanciert erachtet, wenn sie einem Programm formaler oder strategischer Innovation verpflichtet waren, im Zuge dessen Prozesse kultureller Enteignung (implizit oder explizit) legitimiert oder aber kosmopolitische, migrantische und diasporische Narrative als mit nationalen Konstruktionen von Kulturgut und Erinnerung inkompatibel ausgeklammert wurden.
Selbst jüngere Diskurse der Entgrenzung und Erweiterung des postmodernen künstlerischen Feldes verblieben innerhalb eines eurozentristischen Rahmens. Auch jene zeitgenössischen Kunstpraktiken, die sich den Erfahrungen von Diaspora und Migration widmen, wurden in eine ‚Kontaktzone‘ verwiesen, die zwar dynamisch, aber nichtsdestotrotz hierarchisch strukturiert ist. Auch wenn die aktuelle Formation einer globalisierten Kunstwelt die Diversität moderner und zeitgenössischer Kunstpraktiken in einem proliferierenden, transnationalen Ausstellungswesen und Marktgeschehen stärker sichtbar werden lässt als dies jemals zuvor der Fall war, ist damit kein neuer Universalismus verbunden. Vielmehr stellt dieser Globalisierungsprozess das Fach Kunstgeschichte vor die Aufgabe, andere Konfliktlinien, alternierende Hierarchien und neue Formen des Elitismus zu kartieren.
Zugleich haben postkoloniale Perspektiven sowohl konventionelle kunsthistorische Methodologien als auch museale Praktiken signifikant verändert. Die Gegenwart ist durch die drängende Suche nach einer Repräsentationspolitik geprägt, die auch den modernistischen Kanon über die Kritik an Auslassungen hinaus herausfordert und die ihm zugrundeliegenden Narrative strukturell auf den Prüfstand stellt. Gleichermaßen ist die Kunstwissenschaft zu einer längst überfälligen Auseinandersetzung mit den kolonialen Ursprüngen westlicher Museen aufgefordert sowie mit einer intensiv geführten Debatte um die Restitution von Kulturgütern und insgesamt mit der Dekolonialisierung von Institutionen der Forschung, der Lehre und des Sammelns konfrontiert.
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English version
“Transcultural Perspectives in Art (History)”
The Berlin Graduate Symposium for Modern and Contemporary Art History
(Freie Universität Berlin / Humboldt-Universität zu Berlin)
Berlin/online, November 12-13, 2021 (Webex Meetings)
Organized by Prof. Dr. Eric C. H. de Bruyn, Prof. Dr. Eva Ehninger, Dr. des. Johanna Függer-Vagts and Dr. André Rottmann with Hanna Steinert, Johanna Engemann and Frederik Luszeit
To register please visit: https://forms.gle/v5QUvCA5uwYTXwUo9
…
Keynotes:
Prof. Dr. Monica Juneja, Universität Heidelberg, 12. November 2021
Dr. Sudeep Dasgupta, Universiteit van Amsterdam, 13. November 2021
In the fall semester 2021, the Berlin Graduate Symposium for Modern and Contemporary Art History will take place for the third time as an event jointly organized by the department of Modern and Contemporary Art at the Art History Institute of FU Berlin and the research area of Modern Art History in the Department of Art and Visual History of HU Berlin.
The annual symposium aims to bring advanced graduate students (MA and PhD) into an open exchange about their current research projects within the fields of art history and visual culture from the nineteenth century to the present. For each conference another central theme helps to focus the shared discussions. The organizers of the symposium wish to provide a platform for a diverse group of young scholars to engage in a free and critical dialogue among each other and with invited experts. Furthermore, participants of past symposia will be invited to lead discussions in the interest of further expanding a community of young scholars within Germany and abroad.
This year’s graduate symposium, “Transcultural Perspectives in Art (History),” addresses the impact of the complex processes of globalization on the formation of art-historical knowledge, its theories and methods of research, as well as the practices of art criticism and curating since the nineteenth century. In art-historical research, the paradigm of transculturality can serve as a counter-model to approaches and perspectives that are restricted to a national or territorial understanding of culture. Submitting the conventional methods and concepts of the discipline to scrutiny, a transcultural approach foregrounds the complexity of geo-political relations, cultural processes of exchange, and the polyvalence of reception models. This change in perspective resulted in a reconsideration and, frequently, re-evaluation of nineteenth-century media such as photography and film, postcards and slide projections and their specific function and use, while the locally and geographically diverse structures of archives and their holdings have also received renewed attention.
From a transcultural vantage point, the critical study of modern art in Europe and North America likewise has undergone substantial change: In its various aesthetic currents and avant-garde manifestations, Euro-American art claimed to be universal even if many of its ideas and procedures were based on the appropriation of visual cultures of the Global South whose contemporaneity by this very same gesture was denied, situating them as ‘exotic’ or otherwise ‘other’ within a colonial order of knowledge. By the same token, art history implemented a hierarchical division between the supposed centers and peripheries of the avant-garde, which ignored the multiple entanglements and negotiations between cultural practices on a transnational scale. It also blocked a recognition of such historical phenomena as a global modernism, transmodernity or “alternative modernities.” Up to the moment of 1960s’ conceptualism, artistic practices were deemed advanced only if they adhered to a program of formal and strategic innovation, which, implicitly or explicitly, encouraged processes of cultural dispossession or, alternatively, repressed cosmopolitan, migrant or diasporic narratives as incompatible with national constructs of cultural heritage and remembrance.
Even more recent conceptions such as the “expanded field of art” or the cross-disciplinary nature of postmodern art, tend to remain enclosed within a framework of euro-centric thought. Likewise, contemporary art practices which engage with diasporic or migratory experiences may still be relegated to ‘contact zones’ which are structured in a dynamic, yet hierarchical manner. There is no doubt that the recent formation of a ‘globalized’ art world, with its ever-expanding, transnational exhibition system and market economy, has given visibility to a more diverse set of modern and contemporary artistic practices than ever before, but this development of a so-called ‘global art history’ should not be mistaken for some new form of universalism. Rather, this process of globalization has caused different force lines, alternate hierarchies and new forms of elitism to emerge which we, as art historians, must learn to detect and trace.
At the same time, postcolonial perspectives have significantly challenged and altered the conventional set of art-historical methods and museum practices. Our present is marked by the urgent need for a new politics of representation, which is not satisfied by merely pointing towards the gaps and omissions within the modernist canon of art, but is willing to question the construction of its dominant narratives on a more profound, structural level. A similar challenge that art history faces today is the long overdue reckoning of Western museums with their colonial past, giving rise to a vigorous debate about the restitution of cultural artifacts and, more in general, the decolonization of our institutions of teaching, research, and collecting.