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Johann(es) Trithemius

Johann Trithemius

1.1. Name, Tätigkeiten und Positionen

Johann Trithemius [Johannes Trithemius, Johann Zeller]

Mönch (OSB); Abt; Priester; Visitator; humanist. Gelehrter und Schriftsteller; Historiker; Reformer; röm.-kath.

1.2. Geburts- und Todesjahr und -ort

* 01. 02. 1462 Trittenheim/Mosel b. Trier

† 13. 12. 1516 Würzburg

1.3. Herkunft, Lebensbeschreibung, Konfession

entstammte einer mäßig begüterten Winzerfamilie, Vater: Name nicht ganz sicher, evt. Heidenberg, früh gest., Mutter verheiratete sich 1470 erneut, Stiefvater Zell; floh mit 17 Jahren nach Trier, dann Heidelberg, dort und in Köln Studium; in Heidelberg war JT Mitglied der sodalitas litteraria Rhenana − neben u. a. Wimpheling, Cuspinian; Ordenseintritt (OSB) 1482 in Sponheim; 1483 zum Abt gewählt; kümmerte sich um die Hebung der monast. Disziplin und der wiss. Bildung sowie um die wirtsch. Situation des Sponheimer Klosters, ferner um die Vermehrung der Bibliothek; Integration Sponheims in die Bursfelder Reformkongregation, der Sponheim seit 1470 angehörte; für diese benediktinische Reformbewegung setzte er in den folgenden 2 Jahrzehnten seine ganze Kraft ein, u. a. zahlreiche Visitationsreisen, Reden vor Bursfelder Versammlungen (die z.T. gleich publiziert und damit einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden); JT gestaltete das Kloster zu einer Akademie, die jede Bildungsmöglichkeit im Kloster schaffen sollte − sowohl für die Mönche als auch für außerhalb lebende bildungswillige Laien und humanist. Gelehrte: großzügige Beherbergung von Gästen, großzügige Bücherkäufe; humanist. Gelehrter und Handschriftensammler, Kontakte zu zahlreichen Humanisten (z. B. Celtis, Wimpheling, Pellikan, W. Pirckheimer; Butzbach war einer seiner Schüler) sowie zu seinen Patronen Joachim v. Brandenburg und Maximilian I.; Visitator in der Bursfelder Kongregation; u. a. vertrat er in einer Schrift über die Hl. Anna 1494 die unbefleckte Empfängnis Marias; darauf griff ihn der Frankfurter Dominikaner Wigand Wirt an, woraus sich eine lit. Fehde entwickelte (in der auch Johann v. Soest auf Trithemius‘ Seite lit. in Erscheinung trat, s. d., zur Fehde vgl. Arnold (s.u. 1.4) Kap. 7, 103-113); schwere Missstände in seinem Kloster − u. a. wg. häufiger Abwesenheit − führten dazu, dass er Sponheim aufgab und 1506 die Schottenabtei in Würzburg übernahm, wo er sich ganz seinen lit. Studien und wiss. Arbeiten widmen konnte; 1506 hätte er alternative Angebote gehabt, die er zugunsten der monast. Lebensform ausschlug: an den Höfen von Brandenburg und der Pfalz, in der Stellung eines Hofhistoriographen im Kreis Ks. Maximilians I. zu leben, Einladung des Bf.s v. Cahors, Germanus de Ganay, nach Frankreich; 1514 führte er das Würzburger Schottenkloster der Bursfelder Kongregation zu; verfasste hist., literaturhist., naturwiss., theol. Werke; autobiographische Mitteilungen in seinen historiograph. Werken

1.4. Literatur zur Person

Jöcher 4, 1326-1329; ADB 38 (1894) 626-630 (Wegele); PRE 20 (1908) 132-134 ([G. H. Klippel +] Hauck); 24 (1913) 582 (Hauck); LThK2 10 (1965) 366f. (P. Volk); LThK3 10 (2001) 263f. (Klaus Ganzer); RGG3 6 (1962) 1042f. (H. Büttner); BBKL 19 (2001) 1446-1454 (Christoph Schmitt) (Lit.); Fränkische Lebensbilder NF 5 (1973) 45-63 (Klaus Arnold); EncR 4 (1996) 178f. (Karin Brinkmann Brown); EncRen 6 (1999) 172f. (Noel L. Brann); Wilhelm Schneegans, Abt Johannes Trithemius und Kloster Sponheim. Kreuznach 1882, 287 (Verz. der sämtl. Schriften JTs); Isidor Silbernagl, Johannes Trithemius. Eine Monographie. Regensburg 21885 (Landshut 11868), 236-250 (Verz. der sämtl. Schriften JTs; ohne „Nepiachus“); Paul Lehmann, Merkwürdigkeiten des Abtes Johannes Trithemius. München 1961; Hans Gerwalin (Bearb.), 500 Jahrfeier Johannes Trithemius: 1462-1962, am 11. August 1962 in Trittenheim. 2. Aufl. Trittenheim a. d. Mosel 1976 (zuerst 1962); Christel Steffen, Untersuchungen zum „Liber de scriptoribus ecclesiasticis“ des Johannes Trithemius. In: Archiv f Gesch des Buchwesens 10 (1970) 1247-1354; Klaus Arnold, Johannes Trithemius (1462-1516). (= Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg 23). Würzburg 1971; ders., De viris illustribus. Aus den Anfängen der humanistischen Literaturgeschichtsschreibung: Johannes Trithemius und andere Schriftstellerkataloge des 15. Jahrhunderts. In: Humanistica Lovaniensia 42 (1993) 52-70; Noel L. Brann, The Abbot Trithemius (1462-1516). The Renaissance of Monastic Humanism. (= Studies in the history of Christian thought 24). Leiden 1981; Nikolaus Staubach, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit: Die historiographischen Fiktionen des Johannes Trithemius im Lichte seines wissenschaftlichen Selbstverständnisses. In: Fälschungen im Mittelalter: Internationaler Kongreß der Monumenta Germaniae Historica, München, 16.-19. September 1986. Bd. 1: Kongreßdaten und Festvorträge; Literatur und Fälschung. (= Schriften der MGH 33). Hannover 1988, 263-316; Christine Treml, Humanistische Gemeinschaftsbildung. Sozio-kulturelle Untersuchung zur Entstehung eines neuen Gelehrtenstandes in der frühen Neuzeit. (= Humanistische Texte und Studien 12). Hildesheim/Zürich/New York 1989, 49 (der sodalitas Rhenana zugerechnet). 52. 53 (dto.); Richard Auernheimer/Frank Baron (Hgg.), Johannes Trithemius. Humanismus und Magie im vorreformatorischen Deutschland. (= Bad Kreuznacher Symposien 1). München 1992; Karlfried Froehlich, Johannes Trithemius on the Fourfold Sense of Scripture. The Tractatus de Inuestigatione Scripturae (1486). In: Richard A. Muller (Hg.): Biblical Interpretation in the Era of Reformation. FS David C. Steinmetz. Grand Rapids 1996, 23-60; Michael Kuper, Johannes Trithemius, der schwarze Abt. (= Reihe Biografie 5). Berlin 1998; Roland Behrendt, The Library of Abbot Trithemius. In: The American Benedictine Review 51,1 (2000) 3-23

Autobiograph. Quelle: Pellikan, Chronikon ed. Riggenbach 44. 49

2.1. Quelle: benutzte Edition

(a) autobiographischer Abschnitt in: De scriptoribus ecclesiasticis. Basel 1494 u. ö.; wieder in: Johannes Trithemius, Opera Historica. Ed. Marquard Freher. 2 Teile. Frankfurt, M. 1601 (= ND 1966) Teil 1, 184-400: 398f., Werkverz. 399

(b) Catalogus illustrium virorum Germaniae. o. O. u. J./Mainz 1495, wieder in: Opera Historica (s.o. 2.1. [a]) 1, 121-183: 182f., Werkverz. 183

(c) autobiographischer Teil im Chronicon Sponheimense: De Iohanne Trithemio, Abbate huius monasterii XXV. & de quibusdam gestis per eum, variisque actis illius temporis, qui praefuit annis XXIII. mensibus II. & diebus XIV. translatus Herbipolim. In: ders., Chronicon Sponheimense. In: Opera Historica ed. Freher (s.o. 2.1. [a]) 2, 236-435: 394-428, Werkverz. 236f.

(d) Johannis Trithemii Nepiachvs, id est, Libellus de Studiis & Scriptis propriis a pueritia repetitis. In: Johann Georg Eckhart (Eccard), Corpus Scriptorum historicum medii aevi. 2 Tom. Leipzig 1723. Tom. 2. Nro. XIII, Sp. 1825-1844 [Paginierung springt von 1832 direkt zu 1841, Text scheint aber vollst., d.h. es handelt sich wohl nur um eine fehlerhafte Paginierung]

2.2. Beschreibung der Edition, Bemerkungen

(d) betr. 1833-1840: anscheinend falsche Paginierung

2.3. Literatur zur Quelle bzw. Edition

allgemein bzw. (a)-(d): Arnold (s.o. 1.4) 148. 181. 244

(a): Arnold (s.o. 1.4) 117-123 (Vorbild: ma.e Kataloge). 122. 124-132 (Form der Einzelart.). 245. 250 (Drucknachweise); Brann (s.o. 1.4) 221-228

(b): Arnold (s.o. 1.4) 7 (Zusammenfassung der entspr. Passagen in [b]). 132-135: 134f. + Anm. 102; Brann (s.o. 1.4) 245-266, besonders 245-255

(c): Arnold (s.o. 1.4) 6f. 144-148: 147f. 241f.; Staubach (s.o. 1.4) 284-296

(d): Arnold (s.o. 1.4) 248 (keine Angaben zu Überl. und Ort der Hs., Or. wohl nicht mehr vorh.); Brann (s.o. 1.4.) 303-306 (Vorbild Augustinus: Confessiones [mikrokosm.], Verbindung von Autobiographie mit historiograph. Werk Civitas Dei [makrokosm.]); Staubach (s.o. 1.4) 296-298

2.4. weitere Editionen; Auszüge, Übersetzungen

ein ausführlicherer autobiographischer Text: Johannes Trithemius, Itinerarium sive odoporicon vitae meae, ist verloren (Brann [s.o. 1.4. 303 n 47)

(c) dt. Übers.: Carl Velten, Des Abtes Johannes Trithemius Chronik des Klosters Sponheim. Bad Kreuznach 1969

3.1. Abfassungszeit

(a) beendet 1494

(b) 1491-95, autobiographischer Art. 1495

(c) ab etwa 1495-1509

(d) wohl 1507 oder spätestens Anfang 1508 (also am Ende des ersten Jahres in der neuen Abtei, St. Jakob in Würzburg)

3.2. AdressatInnen

(a) Adressaten der Widmung: Joh. v. Dalberg, Bf. v. Worms; Drängen der Freunde auf Aufnahme der eigenen Werke, allgemeines gelehrtes Publikum

(b) die Schrift insgesamt ist Wimpheling gewidmet; weiterhin: Gelehrte

(c) „ad posteritatem“, urspr. wohl das Kloster Sponheim und Amtsnachfolger und andere Klöster des Reformzweiges, evt. auch Gelehrte; nach dem Wechsel von Sponheim nach Würzburg wohl Änderung der intendierten Adressaten

(d) explizit: ausschließlich für sich selbst geschrieben; sollte zu seinen Lebzeiten nicht publiziert werden; implizit (vgl. Zwecke 3.2.): vermutlich an andere Gelehrte gerichtet, denen er sich als Gelehrter, also einer von ihnen, präsentieren wollte

3.3. Funktion der Quelle

(a) Einfügung der eigenen Werke unter die kirchl. Autoren

(b) Nennung der eigenen Person motiviert JT mit Bescheidenheit: er könne dadurch besser seiner Irrtümer überführt werden und sie korrigieren

(c) Rechenschaft über Person und Amtsführung ablegen, authentische Wiedergabe der Anfänge seiner geistigen Entwicklung besonders wichtig

(d) explizit: eigene Studien und Schriften von Kindheit an festhalten nicht zum Selbstlob, sondern Beispiele aus seinem wechselvollen Schicksal sollen den Geist anregen, sein Gefängnis zu verachten (didakt. Zielsetzungen wie diese finden sich oft bei Hagiographen und Predigern); Verteidigung gegen den Vorwurf, er betreibe Magie; implizit: Trithemius wollte der Nachwelt zeigen, welch großer Büchersammler und Autor er war; Begründung seiner schriftstellerischen Tätigkeit; Präsentation als Gelehrter gegenüber anderen Gelehrten

3.4. Medium (hsl.; gedr.); Überlieferung; Ort der Hs.

(a) gedr. Basel 1494, Paris 1497, 1512 etc.

(b) gedr. Mainz 1495

(c) hsl.

(d) hsl.; Überl. und Ort unklar (Or. wohl nicht mehr vorh.); Publikation beabsichtigt (nach seinem Tod), keine Hinweise auf die reale oder gewünschte Publikationsform im Text

4.1. Berichtszeitraum

(a) Herkunft-Ggw.

(b) Herkunft-Ggw.

(c) Abtswahl in Sponheim 1483-Resignation ebd./Abtswahl in Würzburg 1506

(d) 1462-1507 (Geburt bis Abfassungszeit)

4.2. Sprache

lat.

4.3. Form der Quelle

(a) Er-Form (Wir für das Kl. Sponheim); Teil eines lit.geschichtl. (biograph.-bibliograph.) Katalogs (einschl. Werkverz.); Vorbild: mittelalterliche Kataloge; insges. 963 Einzelart., chronol. angeordnet; u. a. auch Art. über Hrotsvith, Elisabeth v. Schönau und Hildegard

(b) bio-bibliograph. Art. − Form ähnlich wie (c)

(c) Er-Form und Wir-Form; am Ende seines Chronicon Sponheimense ist nach Art der mit allgemeiner Geschichte vermischten „Gesta abbatum“ auch ein den Abbatiat des JT behandelnder Abschnitt angefügt; Teil der Gesta abbatum, aus denen das Chronicon i. W. besteht (bis auf Vorspruch und Gründungsgeschichte); nach der Amtszeit Trithemius‘ folgen noch seine 2 unmittelbaren Nachfolger, von JT stammt der Abschnitt über seinen unmittelbaren Nachfolger; annalistische Anordnung; mit Werkverz.

(d) Ich-Form; 7 Teile (s.u. 4.3.), es wird keine Entwicklung dargestellt, sondern punktuelle Ereignisse, in der zweiten Hälfte eher eine kommentierte Liste; Titel „Nepiachus“ von gr. nepiachos = kindlich (Begründung JTs für diesen Titel: „Nepiachus plane puerilis dicitur, ob id a pueritia mea exorsus puerilia scripsi.“ 1825), d. h. um den Beginn seiner intellektuellen und geistl. Pilgerschaft zu bezeichnen; er beschreibt sein Leben als intellektuelle und geistl. Pilgerschaft (nach dem Vorbild von Augustinus‘ „Confessiones“): genau wie Augustinus seine „Confessiones“ und seine „Civitas Dei“ verband auch T seine Autobiographie und sein historiograph. Werk als in einem Konzept zusammengehörig, nämlich jeweils die mikrokosm. und die makrokosm. Aspekte beleuchtend; das historiograph. Pendant zu seinem autobiographischen „Nepiachus“ war seine 1508 fertiggestellte und Maximilian I. gewidmete „Chronologia mystica“; eine Art Zs.fassung der autobiographischen Passagen in (b) zu einer Rechtfertigungsschrift

4.4. Inhalt

(a) Werkverzeichnis, kurzer Lebenslauf

(b) eigene Aktivitäten und Ereignisse in seiner Amtszeit, Werkverz.

(c) eigene Aktivitäten und Ereignisse in seiner Amtszeit, Werkverz.

(d) zentrale Selbstbezeichnung: peregrinus, captivatus in carne; Lebensgeschichte als Geschichte seiner Studien und schriftstellerischen Arbeiten; 7 Teile: (1) Praefatio, (2) Jugend bis zum Abbatiat und zur Entdeckung seiner Bücherleidenschaft, (3) Büchererwerb in Sponheim, (4) Verteidigung gegen den Vorwurf, er praktiziere Magie, (5) die Motivation, selbst Bücher und Texte zu schreiben, (6) Auflistung aller von ihm in Sponheim geschriebenen Bücher, (7) Auflistung aller von ihm später geschriebenen Bücher; keine Erwähnung seiner Reformtätigkeiten

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