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Jakob Andreae

1.1. Name, Tätigkeiten und Positionen

Jakob Andreae [Schmiedjäckel, Schmiedle, Andreä]

Pfr., Dr. theol., Gen.-Superintendent, Propst, Prof. und Universitätskanzler, Reformator versch. Territorien, maßgeblicher Teilnehmer an Religionsgesprächen (u.a. Mitverf. der Konkordienformel 1573-77), theologischer Schriftsteller; luth.; verh.

1.2. Geburts- und Todesjahr und -ort

* 25. 03. 1528 Waiblingen

† 07. o. 17. 01. 1590 Tübingen

1.3. Herkunft, Lebensbeschreibung, Konfession

Vater Jakob Andreae (Endriss) aus Meckenlohe bei Ingolstadt, Schmied in Waiblingen, Mutter Anna geb. Weißkopf aus Gundelfingen/Oberpfalz; Lateinschule in Waiblingen, dann aus Geldmangel Zimmermannslehre; mit Hilfe der Stadt erhielt er ein hzl. Stipendium, dann Lateinschule in Stuttgart; seit 1541 Studium in Tübingen, ebenfalls als hzl. Stipendiat; 1543 Bacc.; 1545 Mag., nach kurzem theologischem Studium 1546 Diakon in Stuttgart, Heirat mit Anna bzw. Johanna Entringer, 21 Kinder, davon überlebten 18; 1548 infolge des Interims dort entlassen, in Tübingen Predigttätigkeit und weiteres Studium; 1553 Dr. theol., Pfr. und Superintendent in Göppingen, später Gen.-Superintendent; seit 1561/62 Propst, Prof. und Universitätskanzler in Tübingen; seit 1556 Mitreformator südwestdt. Territorien, seit 1568 auch v. Braunschweig-Wolfenbüttel nach württ. Vorbild im Auftrag seines Hz.s; 1571 Disputation mit Flacius in Straßburg; 1576-80 reformatorische Tätigkeit in kursächs. Diensten, seine Frau zog mit ihm nach Sachsen und wohnte in Leipzig; theologisches Interesse an Abendmahls-Christologie und Kirchenzucht/-einheit; versuchte 1554 erfolglos, die Kirchenzucht nach Calvins Vorbild zu reformieren; Teilnahme an vielen religionspol. Gesprächen; versuchte 1557 alle Evangelischen zu einigen, Verhandlungen mit Beza und Farel; nach dem Stuttgarter Ubiquitätsbekenntnis 1559 unterstützte er zunehmend die territorialfürstl. Kirchenpolitik, Beschränkung auf Vermittlungsversuche zw. Philippisten und Flacianern, dennoch 1568-70 Scheitern des ersten Konkordienwerks; im Neuansatz seit 1573 Ausschluss der Philippisten, wesentliche Mitwirkung am Zustandekommen der Konkordienformel: 1577 v. ihm redigiert, 1580 publiziert; seit 1573 Kontakt zur griech.-orth. Kirche, Übersendung luth. Bekenntnisschriften an den Patriarchen v. Byzanz; 1583 Tod Johanna Entringers, 1585 zweite Ehe mit der Wwe. Regina Brenzinger geb. Schachner aus München, in dieser Ehe keine Kinder mehr; verfasste zahlreiche theologische Schriften der verschiedensten Gattungen: Disputationsthesen, Konfessionspolemik, praktisch-kirchliche Gelegenheitsschriften, Homiletik, Protokolle theologischer Kolloquien

1.4. Literatur zur Person

LThK2 1 (1957) 511 (Erwin Iserloh); LThK3 1 (1993) 623f. (Hermann Ehmer); RGG3 1 (1957) 366 (Rosemarie Müller-Streisand), RGG4 1 (1998) 470 (Siegfried Hermle); TRE 2 (1978) 672-680 (Martin Brecht); PRE 1 (1896) 501-505 (Wagenmann/Th. Kolde); BBKL 1 (1990) 165f. (Friedrich Wilhelm Bautz); EncR 1 (1996) 36-38 (Robert Kolb); Bibliographie: Index Aureliensis, Catalogus librorum sedecimo saeculo impressorum, pars I tomus A − vol. I. (= Bibliotheca Aureliana 7). Baden-Baden 1962; Theodor Pressel, Die Fünf Jahre des Dr. Jacob Andreä in Chursachsen. Eine Archivstudie. In: Jbb f Dt Theologie 22 (Leipzig 1877) 1-64. 207-264; Rosemarie Streisand, Theologie und Kirchenpolitik bei Jakob Andreae bis zum Jahr 1568. Zur Vorgesch. des Konkordienwerkes. Diss. masch. Göttingen 1952; Heinrich Gürsching, Jakob Andreae und seine Zeit. In: Blätter f Württ Kirchengesch 54 (1954) 123-156; Rosemarie Müller-Streisand, Theologie und Kirchenpolitik bei Jakob Andreä bis zum Jahr 1568. In: Blätter f Württ Kirchengesch 60/61 (1960/61) 224-395; Thomas Klein, Der Kampf um die Zweite Reformation in Kursachsen, 1586-1591. (= Mitteldt Forschungen 25). Köln/Graz 1962, 51 (JA wurde wg. seiner Konkordienbemühungen auch v. sächs. Lutheranern befeindet). 75 (JA setzte mühsam eine wenigstens teilw. Theologisierung der Fürstenschulen durch, nach württ. Muster, was mit der Fürstenschulordnung v. 1588 unter Christian I. wieder abgeschafft wurde). 84f. (mit der Reorganisation der Konsistorien 1588 wurde der v. JA gg. große Widerstände eines großen Teils der Geistlichkeit und der Landstände 1580 hergestellte zentralistische Zustand wieder abgeschafft). 105f. (dto.). 152 (Auseinandersetzung Sebastian Leonharts mit JA ca. 1578); Theodore E. Jungkuntz, Formulators of the Formula of Concord. Four Architects of Lutheran Unity. St. Louis 1977, 19-45; Robert Kolb, Andreae and the Formula of Concord. Six Sermons on the Way to Lutheran Unity. St. Louis 1977; Jobst Ebel, Jacob Andreae (1528-1590) als Verf. der Konkordienformel. In: Zeitschrift f Kirchengesch 89 (1978) 78-119; Stefan Schreiner, Der Fall des Juden Ansteet − zugleich ein Bsp. prot. Inquisition. In: Judaica 37 (1981) 90-102 [enthält den Bericht JAs]; Ehmer ed. (s.u. 2.1.); Martin Brecht/Hermann Ehmer, Südwestdt. Reformationsgesch. Zur Einführung der Reformation im Herzogtum Württ. 1534. Stuttgart 1984; Irene Dingel, Concordia controversa. Die öfftl. Diskussionen um das luth. Konkordienwerk am Ende des 16. Jahrhunderts. (= Quellen und Forschungen zur Reformationsgesch 63). Gütersloh 1996, Reg sv; zu JAs Verhältnis zu den Täufern, u.a. Pfeddersheimer Gespräch 1559: Ernst Friedrich Peter Güß, Die kurpfälzische Regierung und das Täufertum bis zum Dreißigjährigen Krieg. (= Veröffentlichungen der Kommission f gesch Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B, Forschungen 12). Stuttgart 1960, 50f. (zum Pfeddersheimer Gespräch; JA nicht erwähnt); Gottfried Seebaß, An sint persequendi haeretici? Die Stellung des Johannes Brenz zur Verfolgung und Bestrafung der Täufer. In: Blätter f Württ Kirchengesch 70 (1970) 40-99; Dennis Slabaugh, Die Predigt als Waffe. Jakob Andreae gegen die Täufer. In: Mennonitische Geschichtsblätter 52 (1995) 24-39; Siegfried Hermle, Reformation und Gegenreformation in der Herrschaft Wiesensteig unter besonderer Berücksichtigung des Beitrags von Jakob Andreae. (= Quellen und Forschungen zur württ Kirchengesch 14). München 1996

Autobiogr. Quellen: Bullinger, Diarium ed. Egli 51. 118; Crusius, Tagebuch I eds. Göz/Conrad 35 (22. 2. 1596). 37 (25. 2. 1596). 38 (26. 2. 1596). 39 (27. 2. 1596). 171 (31. 8. 1596). 202 (30. 9. 1596). 203 (1. 10. 1596, Randbemerkung). 285 (23. 2. 1597); Fabian v. Dohna, Autobiographie ed. Krollmann (1905) 6 („Daselbst in Wittenberg bin ich über ein halb Jahr geblieben, als eben die certamina inter ubiquitistas et orthodoxos durch Jacobum Andreae Smidelinum erreget.“); Lucas Geizkofler, Autobiographie ed. Wolf (1873) 21 Anm. 1 (JA widmete dem Sterzinger Pfr., dann Wiener Hofprediger Pfauser 1562 sechs Predigten; diese Information als Anm. des Verf. bezeichnet) 107; Manfred Linsbauer, Lukas Geizkofler und seine Selbstbiographie. In: Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum 60 (1980) 35-84: 74 (Ms. p. 318f.); Daniel Greiser, Autobiographie (1587) Miiiv; Matthias Hoe v. Hoenegg, Autobiographie ed. Scheuffler (1892) 128; Huber, Antibellarminus a3v; Matthias Flacius Illyricus, Autobiographie ed. Heldelin (1575) Ffii3-Ffiiiv. Ffivvf. Ggiiivf. Hhiirf. Hhiiiv; Stephan Isaac, Autobiographie ed. Rotscheidt (1910) 104; Sebastian Leonhart, Autobiographie (1592) 34r-36r; Abraham Scultetus, Autobiographie (a) lat.: 9. 10. 19. 25, (b) dt. ed. Benrath 13. 14. 24. 31 − Medaille JA: [Kat.] Die Renaissance im dt. Südwesten zw. Reformation und Dreißigjährigem Krieg. Ausstellung im Heidelberger Schloß 21. Juni bis 19. Oktober 1986. 2 Bde. Karlsruhe 1986 (vgl. ebd. K 61: Medaille Joh. Val. Andreaes)

2.1. Quelle: benutzte Edition

Leben des Jakob Andreae, Doktor der Theologie, von ihm selbst mit grosser Treue und Aufrichtigkeit beschrieben, bis auf das Jahr Christi 1562. Lat. und dt. eingel., hg. und übers. v. Hermann Ehmer. (= Quellen und Forschungen zur württ Kirchengesch 10). Stuttgart 1991

2.2. Beschreibung der Edition, Bemerkungen

Vorlage: Druck durch Johann Valentin Andreae (s.u. 2.4.), von Ehmer ed. (s.o. 2.1.) für zuverlässig gehalten (er rechnet nicht mit Korrekturen o. Kürzungen); erstmals vollst. dt. Übers., seltener lat. Text neu zugänglich; Editionsprinzipien: Groß- und Kleinschreibung sowie Zeichensetzung des lat. Textes normalisiert, eindeutige Abkürzungen zumeist aufgelöst, Fehler verbessert, Zusätze des Hg. in []; Marginalien des Druckes 1630 als Überschriften übernommen; dt. Übers. nah am lat. Text und zugleich am dt. Sprachgebrauch des 16. Jh. (nicht immer zuverlässig, G.J.), erläuternde Zusätze in []; Seitenwechsel nicht angezeigt; inhaltl. Anmerkungen

2.3. Literatur zur Quelle bzw. Edition

Ehmer ed. (s.o. 2.1.) 7-13; Gürsching (s.o. 1.4.) 124 Anm. 21. 155; Gabriele Jancke, Autobiographische Texte − Handlungen in einem Beziehungsnetz. Überlegungen zu Gattungsfragen und Machtaspekten im dt. Sprachraum v. 1400 bis 1620. In: Winfried Schulze (Hg.), Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen in der Geschichte (= Selbstzeugnisse der Neuzeit 2). Berlin 1996, 73-106: 93-102; Jancke (2002), 54-67 (Fallstudie 3), 67-70 (Machtverhältnisse und Beziehungskonzepte), 114f. (Patronage)

2.4. weitere Editionen; Auszüge, Übersetzungen

Fama Andreana Reflorescens, sive Jacobi Andreæ Waiblingensis Theol. Doctoris, vitae, funeris, scriptorum, peregrinationum, et progeniei, Recitatio, curante Joh. Valentino Andreæ nepote. Straßburg 1630, 1-153 (vollst. lat. Text); Otto Schmoller (Hg.), Zwanzig Predigten v. Jacob Andreä, Kanzler in Tübingen aus den Jahren 1557, 1559 und 1560, zum 300jährigen Gedächtnis seines Todes, den 7. Jan. 1890. Gütersloh 1890 (in Einl. zu einzelnen Predigten z.T. längere Abschnitte in dt. Übers. o. Nacherzählung)

3.1. Abfassungszeit

ca. 1586

3.2. AdressatInnen

nicht genannt

3.3. Funktion der Quelle

Aufstieg herausstellen (arme Herkunft); Verleumdungen durch Feinde entgegenwirken: Glaubenskontinuität bezeugen durch Rechenschaft über das ganze Leben

3.4. Medium (hsl.; gedr.); Überlieferung; Ort der Hs.

wohl zunächst hsl. und im Familienkreis überliefert; 1630 v. Enkel J. V. Andreae im Rahmen einer Familiengesch. gedr. (s.o. 2.4.); Hs. verloren

4.1. Berichtszeitraum

1528- Ende 1561 + einzelne spätere Daten

4.2. Sprache

lat.

4.3. Form der Quelle

meist Er-Form, manchmal Wir-Form, gelegentl. Ich-Form; wohl ohne schriftl. Unterlagen aus dem Gedächtnis verfasst (Fehler, Doppelungen), Ausnahme: Frankreichgesandtschaft − hier scheint ein Reisetagebuch zugrunde zu liegen (Rechenschaft f. Gesandtschaft an Hz.!)

4.4. Inhalt

Lebensgesch. auf Ausbildung und Beruf zentriert; JA im Mittelpunkt, auch wenn im jwl. Geschehen andere die Hauptpersonen waren (Erwählungsbewusstsein; der eigene Aufstieg als auf reformatorischem Normenwandel beruhend gesehen; die erkannte reformatorische Wahrheit scheidet kompromisslose Konfessionalisten wie JA v. anderen); Errettungen aus Krankheiten und Gefahren während des ganzen Lebens; Hervorhebung v. Beziehungen zu Förderern/Patronen (Stadt Waiblingen, Mentor Erhard Schnepf, Hz. Ulrich, weitere ungenannte und unbekannte Helfer, Gott) und Widersachern (konfessionelle Gegner, z.B. der zum Katholizismus konvertierte Staphylus; im eigenen Lager z.B. Sebastian Hornmold)

 

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