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Wanderungsnarrative in den Wissenschaften vom Alten Orient (1870-1930)

Projektlaufzeit:
01.01.2014 — 31.12.2016

So genannte Völkerwanderungen galten offenkundig immer schon als besonders erzählenswert. Jedenfalls gehören sie von mythischen Überlieferungen bis zur modernen Historiographie zu den beliebtesten Motiven fiktionaler wie faktualer Erzählungen. Dies gilt für die Altertumswissenschaften in besonderem Maße:  Seit dem 19. Jahrhundert werden tatsächliche oder vermeintliche Migrationen in den verschiedenen altertumswissenschaftlichen Disziplinen zur Erklärung kulturellen und historischen Wandels herangezogen – sie fungieren als historische Wegmarken und spielen eine zentrale Rolle bei der Konstruktion geohistorischer Großräume. Die Attraktivität dieses altertumswissenschaftlichen „Migrationismus“ scheint dabei in erheblichem Maße auf dem Wiedererkennungswert zu basieren: So weisen altertumswissenschaftliche Darstellungen historischer Wanderungen aus ganz unterschiedlichen Zeiten und Räumen erstaunliche Parallelen auf und können entsprechend als narrative Erzeugnisse begriffen werden. Unter Rückgriff auf narratologische Ansätze der Wissenschafts- und Historiographiegeschichte lassen sich schließlich wiederkehrende Erzählmuster erkennen, die bis heute verwendet werden, um historische Gruppen als „Wandernde“ oder „Sesshafte“ bzw. geohistorische Räume als Ausgangs- und Zielregionen von Migrationen zu konstituieren und in kohärenten historiographischen Darstellungen zu verknüpfen.

Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für drei Jahre geförderte Projekt versteht sich als Grundlagen- und Explorationsstudie und zielt auf die Genese und Transformation von Wanderungsnarrativen in einem ganz bestimmten historiographischen Kontext: Den Wissenschaften vom Alten Orient zwischen ca. 1870 und 1930. Zweifellos nämlich spielt der altertumswissenschaftliche Migrationismus hier eine ganz besondere Rolle. So nehmen Fragen nach der Herkunft und den Wanderungswegen der „Semiten“, „Turanier“ oder „Indoeuropäer“ in Darstellungen zur Geschichte dieses Raums aus dem 19. und 20. Jahrhundert einen besonders breiten Raum ein. Eine zusätzliche Brisanz erfährt die Thematik zudem durch die enge Verflechtung von Orientforschung und Geopolitik sowie die große Rolle, die das Wanderungsmotiv in religions- und kulturhistorischen Interpretationen des Vorderen Orients bis hin zu judenfeindlichen Geschichtskonstruktionen spielt. Als Grundlage des Projekts fungieren dabei sowohl wissenschaftliche Abhandlungen im engeren Sinne als auch Schulbücher und museale Repräsentationen. Unter Berücksichtigung der  narrativen Variabilität der Darstellungsmodi (Texte, Bilder, Karten) soll dieses Quellenmaterial in synchroner wie in diachroner Perspektive untersucht werden, um zentrale Erzählmuster herauszuarbeiten und deren Transformationen und Konjunkturen zu verfolgen.

Institution: Institut für Altorientalistik
Leitung: Dr. Felix Wiedemann; Prof. Dr. Eva-Cancik-Kirschbaum 
Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Laufzeit: 1.1.2014-31.12.2016

Mentoring
Tutoring
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