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Alltagstexte aus neuassyrischen Archiven und Bibliotheken der Stadt Assur

Institution:

Institut für Altorientalistik

Förderung:
DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft)
Projektlaufzeit:
01.10.1997 — 31.12.2010

Das Assur-Projekt

Ein archäologisches und historisches Projekt – verwoben mit den wechselvollen Ereignissen deutscher Geschichte im 20. Jahrhundert

Assur eine Stadt mit einer langen Geschichte

Unter Leitung von Walter Andrae begann die Deutsche Orient-Gesellschaft (DOG) im Jahr 1903 eine langfristig angelegte Ausgrabung in Assur, einer der wichtigsten Ruinen des nordmesopotamischen Altertums. Assur liegt 25 m hoch über dem Fluss auf einer Felsnase am Westufer des Tigris ca. 200km südlich von Mossul. Das Stadtgebiet von Assur nimmt eine Fläche von ca. 77 ha ein.

Seit der Mitte des 3. Jt. v. Chr. war Assur zunächst zentraler Ort eines bedeutenden Stadtstaates und ab der Mitte des 2. Jt. bis ins 9. Jh. v. Chr. Hauptstadt des mächtigen Territorialstaates Assyrien. Assurnairpal II. (883-859 v. Chr.) verlegte seine Residenz nach Kalchu (Nimrud) – ca. 200 km nördlich von Assur. Sargon II (721-705 v. Chr.) gründete eine neue Residenz in Dūr-šarru-ukīn (Chorsabad), sein Sohn Sanherib (704-681 v. Chr.) und seine Nachfolger wählten Ninive als Residenz. Trotzdem blieb Assur bis zum Ende des assyrischen Reiches im Jahr 614 v. Chr. weiterhin das religiöse und zeremonielle Zentrum des assyrischen Staates. Aber auch in der Partherzeit, d.h. zwischen dem 2. Jh. v. Chr. und dem 3. Jh. n. Chr., war die Stadt ein bedeutender Ort innerhalb des Arsakidenreiches. Assur gehört damit zu den großen mesopotamischen Städten deren Geschichte sich durch archäologische und schriftliche Zeugnisse am längsten verfolgen läßt – über mehr als 2500 Jahre!   

Auf dem Weg zur Ausgrabung von Assur

Die Ausgrabung in Assur verdankt ihre Existenz dem Bemühen der intellektuellen, kulturellen und politischen Eliten in Deutschland und in Berlin an der Wende vom 19. zum 20. Jh. Für die Berliner Museen war es wichtig dem gebildeten Publikum Kunstwerke des orientalischen Altertums präsentieren zu können, die denen im Louvre in Paris und dem British Museum zu London gleichkämen. Mäzene aus der Wirtschaft und dem Großbürgertum Berlins, die Professoren der Berliner Universität und politisch einflussreiche Persönlichkeiten wie der liberale Rudolf Virchow, Abgeordneter im Preußischen Landtag, auf der einen Seite und der archäologiebegeisterte Kaiser Wilhelm II. auf der anderen setzten sich dafür tatkräftig ein. Zu diesem Zweck wurde 1898 die Deutsche Orient-Gesellschaft gegründet.

Zwei prestigeträchtige Hauptstädte des Altertums – Assur und Babylon – standen im Mittelpunkte der Überlegungen. Von Ausgrabungen an beiden Orten versprach man sich bedeutende Funde, die den Berliner Museen Glanzstücke von großer Ausstrahlungskraft bescheren sollten und es im Ergebnis mit der berühmten Prozessionsstraße aus Babylon dann auch taten.

Die Ausgrabung in Assur – 1903-1914

1903 begann die Arbeit in Assur. Das Gelände gehörte zum Domänenbesitz des türkischen Sultans Abdul Hamid, der es Kaiser Wilhelm schenkte! Reichlich zehn Jahre grub man erfolgreich aber – anders als heute – mehr oder weniger kontinuierlich das ganze Jahr hindurch. Heute sind es meist nur zwei oder drei Monate im Jahr – nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch, weil vor allem die Sommermonate mit ihrer enormen Hitze eine riesige Herausforderung und Belastung darstellen. Im Frühjahr 1914 wurde die Grabung planmäßig beendet, anders als in Babylon, wo die Grabung erst 1917 angesichts des Vormarsches der englischen Armee abgebrochen wurde.


Die Tempel und Paläste von Assur. Zeichnung Walter Andrae

Die Ausgrabungen in Assur und Babylon waren seinerzeit, d.h. zu Beginn des 20. Jh., die ersten Ausgrabungen in Mesopotamien, bei denen Lehmziegel-Architektur systematisch und nach strengen methodischen Prinzipien ergraben und erforscht wurde – fortan vorbildhaft für die vorderasiatische Archäologie. Nicht umsonst heißen noch heute die einheimischen, auf das Präparieren von Lehmziegelarchitektur trainierten Arbeitskräfte Scherqatis (d.h. aus Qalat Scherqat bei Assur stammend). Der Ruf der Andrae'schen Grabung in Assur beruht vor allem darauf, dass hier erstmals – mehr noch als in der gleichzeitig durchgeführten Grabung in Babylon – die Anlage einer mesopotamischen Stadt in ihren wesentlichen Strukturen archäologisch erschlossen werden konnte. Die Grabung bietet überdies eine historische Tiefendimension von Monumentalarchitektur bzw. Baugeschichte, die in ihrer zeitlichen Erstreckung vom 3. Jt. bis in die parthische Zeit im 3. Jh. n. Chr. und der auf großer Fläche durchgeführten Untersuchungen ihresgleichen suchen kann.

Nach der Grabung – Das Bemühen um das wiedererstehende Assur

Die zahlreichen Kisten mit den den Ausgräbern zugesprochenen Fundgütern waren im Frühjahr 1914 auf Frachtkähne verladen und den Tigris abwärts nach Basra geschickt worden. Von dort sollten sie auf dem Seeweg (damals zuerst nach Bombay und von da) durch den Suezkanal und die Meerenge von Gibraltar nach Deutschland gehen. Als das Schiff sich im Atlantik in Höhe Portugals befand, wurde es vom Ausbruch des Ersten Weltkrieges überrascht. Es suchte den (zunächst noch neutralen) Hafen von Lissabon auf, wo es nach dem Beitritt Portugals in den Krieg an die Kette gelegt wurde. Die Kisten mit den Funden wurden schließlich in Porto an Land gebracht. Erst 1926 gelang es Walter Andrae, damals dem Direktor des Vorderasiatischen Museums in Berlin, in zähen Verhandlungen die von den portugiesischen Behörden beschlagnahmten Funde freizubekommen. Ihrer Rückkehr nach Berlin stand nun nichts mehr im Wege.

Gleichfalls kriegsbedingt fanden einzelne Stücke ihren Weg in andere Museen, u. a. in das British Museum in London, den Louvre bzw. die École Pratique des Hautes Études in Paris, das Ashmolean Museum in Oxford, das Oriental Institute Museum der University of Chicago und die Yale Babylonian Collection in New Haven sowie vereinzelte private Sammlungen.

So wurden noch während der Grabung zwei besonders attraktive Tontafeln mit bedeutenden Texten aus der Grabung heraus gestohlen. Der eine Text ist ein vollständiges Exemplar der Assyrischen Königsliste. Sie enthält die Namen aller assyrischen Könige vom 23. Jh. bis zu 7. Jh. v. Chr. Die Tafel wurde im Königsritual vom Herrscher um den Hals getragen. Dadurch wurde seine Zugehörigkeit zu einer mehr als tausendjährigen Tradition sichtbar manifestiert. Die Tontafel wurde etwa 1912 von einer christlichen Familie in Mossul erworben. Diese wanderte nach dem 2. Weltkrieg in die USA aus und schenkte sie schließlich dem Seventh-Day-Adventist-Seminary. Sie wurde 1954 von I.J. Gelb („Two Assyrian King Lists,“ in: JNES 13, 209ff.) publiziert.

 

Der andere Text, in hochliterarischer Sprache verfasst, war ebenfalls aus der Grabung verschwunden. Es handelt sich um den Bericht Sargons II. über seinen erfolgreichen Feldzug (im Jahr 714 v. Chr.) nach Urartu, einem mächtigen Rivalen, dessen Herrschaftsgebiet sich von Ostanatolien bis in den heutigen Iran erstreckte. Der Bericht war adressiert an den Gott Assur und die Bewohner der Stadt Assur. Er gelangte in den Louvre in Paris und wurde 1912 von Frederique Thureau-Dangin veröffentlicht. Einige kleine, aus der Tontafel herausgebrochene Fragmente identifizierte Ernst F. Weidner schließlich unter den Berliner Assur-Texten. Damit war die Herkunft des Pariser Textes aus Assur gesichert.

Beide Texte gehörten zu den ca. 1000 Texten unterschiedlicher Genres aus der Bibliothek eines bedeutenden assyrischen Gelehrten, die Andraes Grabung zu Tage gefördert hat. Bei neueren irakischen Grabungen im Hause dieses Gelehrten sind zahlreiche weitere Texte gefunden worden(s. dazu Stefan M. Maul, "Auf den Spuren assyrischer Gelehrsamkeit,"in: Ruperto Carola, Forschungsmagazin der Universität Heidelberg, Januar1997), 12-18.) 

Die Phase der Bearbeitung und Veröffentlichung der Grabungsergebnisse

Es dauerte noch mehrere Jahre, bis die wichtigsten Funde soweit restauriert und behandelt waren, dass sie museal präsentiert werden konnten. Zudem existierte das dafür vorgesehene Museum, das heutige Pergamonmuseum, noch gar nicht. Vor dem Ersten Weltkrieg geplant und begonnen, konnte es erst 1930 eröffnet werden.

Bereits während die Grabung noch lief und sehr bald danach sind wichtige Ergebnisse in den "Wissenschaftlichen Veröffentlichungen der Deutschen Orient-Gesellschaft" (WVDOG) publiziert worden. Das betraf zum Einen die inschriftlichen Funde, um deren zügiges Kopieren sich in erster Linie Leopold Messerschmidt, Otto Schroeder und Erich Ebeling bleibende Verdienste erworben haben. Dazu gehörten u.a. die zahlreichen Inschriften der assyrischen Könige, die es nun möglich machten, die Geschichte Assyriens und seiner Hauptstadt Assur vom Ende des 3. Jt. bis hinein ins 1. Jt. zusammenhängend darzustellen (s. Leopold Messerschmidt, Keilschrifttexte aus Assur historischen Inhalts, Erstes Heft [KAH I], WVDOG 16, 1911, Otto Schroeder, Keilschrifttexte aus Assur historischen Inhalts, Zweites Heft [KAH II], WVDOG 37, 1922). Die Kultur und Religion Assyriens wurde durch die Publikation wichtiger Epen, Mythen, Kultlieder, Omina, medizinischer und magischer Texte ganz wesentlich erhellt (s. v.a. Erich Ebeling, Keilschrifttexte aus Assur religiösen Inhalts [KAR], WVDOG 28, 1919; 34, 1920). Rechtsurkunden und ein umfangreiches Rechtsbuch aus dem 13. Jh. v. Chr. erlauben den Blick auf ein bisher unbekanntes Rechtsgebiet, das für die vergleichende Rechtsgeschichte neue und überraschende Einsichten ermöglichte (Otto Schroeder, Keilschrifttexte aus Assur verschiedenen Inhalts [KAV], WVDOG 35, 1920; Erich Ebeling, Keilschriftexte aus Assur juristischen Inhalts [KAJ], WVDOG 50, 1927).

Die Ergebnisse bedeutender archäologischer Entdeckungen hat Andrae selbst mit Vorrang publiziert, 1909 seine Dissertation über den Anu-Adad-Tempel; 1913 erschienen „Die Festungswerke von Assur“ (WVDOG 23 (1913), 1922 trotz kriegs- und inflationsbedingter Hindernisse „Die archaischen Ischtar-Tempel“ (WVDOG 39). Mit den archaischen (oder heute besser den älteren) Ischtar-Tempeln konnte erstmals eine systematisch und methodisch exakt ergrabene Tempelanlage aus der frühdynastischen Zeit (spätes 3. Jt.) mit bedeutender Rundplastik und Kleinfunde aus dem nördlichen Mesopotamien der wissenschaftlichen Öffentlichkeit vorgestellt werden. Andrae hielt die Ergebnisse seiner Ausgrabung mit Recht für vor allem deshalb für so außerordentlich wichtig, weil durch die Ausgrabung eine präzisere Datierung vergleichbarer Rundplastik aus Mesopotamien möglich war. Daher entschloss er sich, auch die gefundene Rundplastik nur an Hand der Grabungsphotos zu publizieren, weil Anfang der zwanziger Jahre nicht abzusehen war, ob und wann die Originale für eine Bearbeitung zur Verfügung stehen würden.

All dies war in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg und der Zeit der Inflation eine erstaunliche Leistung. Bewundernswert ist auch, dass bis 1935 fast sechzig Bände der Wissenschaftlichen Veröffentlichungen der Deutschen Orient-Gesellschaft mit den Grabungsergebnissen der DOG aus Assur, Babylon und zahlreichen anderen Orten zu publiziert wurden, ein Verdienst, das in besonderem Maße dem Schriftführer der DOG, Bruno Güterbock zu verdanken ist.

Andrae war, nachdem er die Direktion des Vorderasiatischen Museums übernommen hatte, vor allem – nach der Rückkehr der Funde aus Assur und Babylon – mit dem Aufbau der Ausstellungen im Vorderasiatischen Museum beschäftigt. Zwei weitere Bände zur Architektur Assurs hat er in dieser Zeit vorbereitet: W. Andrae und H.J. Lenzen, „Die Partherstadt Assur“ (WVDOG 57), 1933, und W. Andrae, „Die Jüngeren Ischtar-Tempel“ (WVDOG 58), 1935. Vor allem die Behandlung des partherzeitlichen Assur war bedeutsam, da diese Periode in der vorderasiatischen Archäologie damals oft stiefmütterlich behandelt wurde. Die Veröffentlichung weiterer Grabungsergebnisse wurde von Mitarbeitern Andraes vorbereitet. 1938 publizierte Walter Andrae sein „Das Wiedererstandene Assur“, in dem vieles vorweg mitgeteilt wurde, das erst später im Detail dargestellt werden konnte. Es gelang Andrae, ein umfassendes und sehr lebendiges Bild von Assur und seiner Geschichte zu präsentieren, das er durch seine Tätigkeit als Ausgräber gewonnen hatte. Es ist geprägt von genialen Einsichten.

Der 2. Weltkrieg und danach

Aber sehr bald unterbrach der Zweite Weltkrieg alle diese Arbeiten. Die Bestände im Museum wurden an Ort und Stelle gesichert oder verpackt. Nach Kriegsende wurde ein Teil der Ausstellungsstücke in die Sowjetunion gebracht und kehrte schließlich 1958 nach Berlin zurück. Nach den Zerstörungen im Laufe des Krieges stand in den Jahren nach 1945 der Wiederaufbau der Museen im Vordergrund der Arbeit der Mitarbeiter am Vorderasiatischen Museum. Erst jetzt konnte die Präsentation der Funde aus Assur im Rahmen der Gesamtausstellung des Vorderasiatischen Museums vollendet werden.  

Die Bearbeitung der Funde aus Assur und ihre Veröffentlichung konnte unter den widrigen Umständen nach Ende des Krieges nur eine von mehreren Aufgaben der Mitarbeiter des Museums sein. Dazu kam das Ordnen und die Betreuung des im VAM lagernden Archivmaterials der DOG. Trotzdem sind wichtige Publikationen einzelner Funde und Fundgruppen erschienen. Dazu haben im Bereich der Inschriftenfunde besonders zwei Mitarbeiter der Deutschen Akademie der Wissenschaften, später Akademie der Wissenschaften der DDR, beigetragen: Von Franz Köcher stammen „Keilschrifttexte zur assyrisch-babylonischen Drogen- und Pflanzenkunde“ (KADP), 1955, „Die babylonisch-assyrische Medizin nach Texten und Untersuchungen,“ Bde. 1-4 (BAM), 1963-1971. Da Franz Köcher, der bedeutendste Forscher auf dem Gebiet der babylonisch-assyrischen Medizin, seinen Wohnsitz im Westteil Berlins hatte, wurde dessen Arbeit durch den Bau der Mauer im August 1961 empfindlich gestört. Helmut Freydank sichtete die mehrere Tausend mittelassyrischen Rechts- und Verwaltungsurkunden. Als Ergebnis seiner Arbeit erschienen „Mittelassyrische Rechtsurkunden und Verwaltungstexte I –III (VAS 19, 1976; VAS 21, 1982 und WVDOG 92, 1994).

Von Mitarbeitern des Museums stammen: Liane Jakob-Rost, "Die Tonnagelinschriften aus Assur" (Forschungen und Berichte 22, 1982, 137-177) und Joachim Marzahn und Liane Jakob-Rost, "Die Inschriften der assyrischen Könige auf Ziegeln aus Assur, Teil 1" (1984) und "Assyrische Königsinschriften auf Ziegeln aus Assur" (VAS 23, 1985) sowie Liane Jakob-Rost, „Inschriften auf kleineren Tongefäßen aus Assur und Kar-Tukulti-Ninurta,“ (Forschungen und Berichte 31 (1991), 55-65.Auf archäologischem Gebiet haben sich vor allem Evelyn Klengel-Brandt um die Publikation der Terrakotten („Die Terrakotten aus Assur im Vorderasiatischen Museum,“ 1978) und Ralf-Bernhardt Wartke um Kleinfunde, insbesondere den Schmuck, („Die Backsteingruft 45 in Assur: Entdeckung, Fundzusammensetzung und Präsentation im Berliner Vorderasiatischen Museum,“ MDOG 124, 1992, 97-130) verdient gemacht.     

Weiterarbeit durch DOG

Nach dem 2. Weltkrieg sind von der DOG vier Bände in der Reihe "Wissenschaftliche Veröffentlichungen der Deutschen Orient-Gesellschaft" (WVDOG) herausgegeben worden, in denen archäologische Fundkomplexe der Assur-Grabung publiziert worden sind: Conrad Peußer, „ Die Wohnhäuser in Assur“ (WVDOG 64, 1954), und „Die Paläste in Assur“ (WVDOG 66, 1955), Arndt (von) Haller, „Die Gräber und Grüfte von Assur“ (WVDOG 65, 1954) sowie „Die Heiligtümer des Gottes Assur und der Sin-Šamaš-Tempel “ (WVDOG 67, 1955). Die Vorarbeiten dazu stammen aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg. Die DOG hat sich des weiteren bemüht, das in ihrer Obhut befindliche Archivmaterial für eine wissenschaftliche Bearbeitung zugänglich zu machen. Neben diversen kleineren Arbeiten sind hieraus vor allem die beiden Bände von Olaf Pedersén, "Archives and Libraries in the City of Assur" (1985, 1986) und sein Katalog aller Inschriften, die nicht auf Tontafeln sondern auf Objekten aus Stein, Keramik, Metall und anderen Materialien geschrieben standen, zu nennen. Dabei stellte sich heraus, dass ein beachtlicher Teil noch nicht publiziert war.

Die Arbeit von Peter Miglus, "Das Wohngebiet von Assur - Stratigraphie und Architektur" und deren Druck sind großzügig durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziert worden. Die Bedeutung dieser Arbeit besteht insbesondere darin, dass zunächst die Publikation von Monumentalarchitektur aus Assur im Vordergrund gestanden hatte. Wohngebiete von solcher Dimension wie in Assur waren bis dahin noch niemals und auch danach kaum in Assyrien und Babylonien durch Ausgrabungen erschlossen worden. 

Neue Perspektiven seit 1990 – Planungen für ein Assur-Projekt

Eine gänzlich neue und zukunftsträchtige Situation ergab sich angesichts der sich anbahnenden Wiedervereinigung. Bereits im Sommer 1990 hat der Vorstand der Deutschen Orient-Gesellschaft die Initiative ergriffen und mit der Direktion des Vorderasiatischen Museums Überlegungen angestellt, wie nun die systematische Bearbeitung und Publikation dessen, was man in Assur ausgegraben hatte, weitergeführt und zu einem Abschluss gebracht werden könne.

Nach intensiven Gesprächen haben dann Museum und DOG im Frühjahr 1991 beschlossen, mit der Arbeit zu beginnen und sich um deren Finanzierung zu bemühen. Denn es war allen Beteiligten klar, dass dieses Projekt eine längere Zeit beanspruchen, die Mitarbeit vieler Fachkollegen erfordern würde sowie erheblicher finanzieller Mittel bedürfe. Im Zuge der Vorbereitung eines Antrags bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft wurden daraufhin zahlreiche Fachkollegen zu einzelnen Themenkomplexen befragt und deren Kritik, Vorschläge und Hinweise im Antrag aufgenommen.

Die Aufgaben, denen sich das Assurprojekt im Einzelnen gegenüber sieht, werden wesentlich bestimmt durch die zur Verfügung stehende Grabungsdokumentation, die in erstaunlicher Ausführlichkeit vorliegt, und durch das Vorhandensein bzw. den Zustand der im Vorderasiatischen Museum befindlichen Fundobjekte. Die Grabungsdokumentation  reflektiert deutlich, was zu Beginn des 20. Jh. im Interesse der Ausgräber lag, die damals aktuellen Vorstellungen und Erwartungen der Forschung an eine solche großangelegte Grabung. Heute im Vordergrund stehende Fragestellungen sind also auf die Dokumentation einer Grabungsstrategie angewiesen, die nicht immer eine Antwort erlaubt.

Bei der Konzipierung des Antrags war zu berücksichtigen, dass das zu bearbeitende Material drei sehr unterschiedlichen Themenkomplexe angehört: Zum Einen ging es darum die Bearbeitung der unermesslichen Menge an Kleinfunden in den Griff zu bekommen, zum Anderen die sehr zahlreichen Tontafeln zu kopieren und zu edieren. Schließlich zeigte es sich, dass die bereits publizierten Architekturbefunde auf Grund neuerer Arbeiten und Erkenntnisse eine nochmalige Behandlung verdienten. Außerdem hatten in den bisher publizierten Bänden zur Architektur aus Assur die Kleinfunde nicht präsentiert werden können. Dieses Manko galt es zu beheben.

Schließlich konnte im Jahre 1994 ein umfangreicher Antrag – „Aufarbeitung der Ergebnisse der Grabung der Deutschen Orient-Gesellschaft in Assur in den Jahren 1903-1914“ kurz das „Assur-Projekt“ – auf Finanzierung eines solchen Vorhabens bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft gestellt werden. Zuvor hatte der zuständige Referent bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Dr. Joachim Briegleb, ausführliche Besprechungen zwischen den Fachgutachtern der DFG und weiteren hinzugezogenen Gutachtern und dem Antragsteller, Johannes Renger, organisiert. Dabei konnte eine Strategie für die geplante Arbeit festgelegt werden. Dem Antrag wurde 1996 stattgegeben, so dass die von der DFG finanzierte Arbeit im Juni 1997 beginnen konnte.   

Das Assur-Projekt seit 1997

Das Assur-Projekt nimmt in mehrfacher Hinsicht eine herausragende Stellung ein: Es ist eines der Langzeitprojekte der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und wird mit einem jährlichen Finanzvolumen von ca. 225.000 Euro unterstützt. Es ist damit eines der großen geisteswissenschaftlichen Projekte der DFG. Es zeichnet sich durch die besondere Struktur der Arbeitsgruppe aus: Sie besteht zum einen neben dem Leiter, Johannes Renger, aus dem Institut für Altorientalistik der Freien Universität Berlin, aus den aus DFG-Mitteln geförderten vier BAT IIa-Mitarbeitern und einer Zeichnerin, mehreren mit Werkverträgen arbeitenden Fotografinnen und Fotografen sowie Zeichnerinnen. Außerdem haben sim Laufe der Jahre über vierzig wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus ganz Deutschland und dem Ausland, die sich von ihren jeweiligen akademischen Positionen aus wegen der Bedeutsamkeit des Forschungsgegenstandes an der Arbeit des Projektes beteiligt. Ihre Herkunft bzw. ihr Standort in verschiedenen Orten außerhalb von Berlin – Gladbeck, Göttingen, Mainz, München, Münster, Frankfurt, Heidelberg, Jena; Paris, Princeton, New Haven, Wien – trägt zu einer beachtlichen Vernetzung innerhalb des Faches bei. Die Beteiligung so vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist ein Ausdruck der Attraktivität des ganzen Unterfangens. Ein Zeichen dafür zeigt sich auch darin, dass zahlreiche jüngere Wissenschaftler eine Chance sahen, sich durch Magisterarbeiten, Dissertationen und Habilitationsarbeiten im Rahmen des Assur-Projekts zu qualifizieren.

Unterstützt wird die Projektarbeit außerdem durch die wissenschaftlichen und sonstigen Mitarbeiter des Vorderasiatischen Museums Berlin. Logistische Unterstützung erfährt das Projekt durch die Freie Universität Berlin und die Deutsche Orient-Gesellschaft, die seinerzeit die Ausgrabung durchführte.

Zu Anfang des Projektes konnte sehr bald eine Reihe von Bänden mit neu- und mittelassyrischen Urkunden publiziert werden. Vor allem das Kopieren mittelassyrischer Urkunden konnte sich auf die langjährigen Vorarbeiten von Helmut Freydank stützen, der als Mitarbeiter am Projekt weiterhin zur Verfügung stand. Auch Liane Jakob-Rost hatte sich schon länger dem neuassyrischen Urkundenmaterial gewidmet. Sehr hilfreich war, dass die Urkunden von Olaf Pedersén in seiner Arbeit „Archivs and Libraries“ (s.o.) die Urkundenbestände katalogisiert hatte, so dass ein relativ schneller Zugriff auf die inhaltlich zusammengehörigen Urkundengruppen möglich war.

Dagegen hatte die Bearbeitung archäologischer Themen mancherlei Schwierigkeiten zu überwinden. Um das archäologische Material, insbesondere die Kleinfunde zu bearbeiten, musste auf der Grundlage der Fundjournale eine Datenbank geschaffen werden. Die Fundjournale registrieren mehr als 23.000 Grabungsnummern (Ass.-Nummern). Eine einzelne Grabungsnummer kann in zahlreichen Fällen für mehr als ein Objekt stehen, so dass die Datenbank schließlich individuelle Datensätze für knapp 45.000 Fundobjekte enthält. Erst nachdem diese Vorarbeit geleistet war, war ein gezielter Zugriff auf die zu einer bestimmten Objektgruppe gehörigen Stücke möglich. Viele trugen bereits Inventarnummern des Vorderasiatischen Museums und waren daher leicht im Magazin des Museums zugänglich. Bei zahlreichen anderen Objekten war zu vermuten, dass sie sich im Vorderasiatischen Museum befänden. Bei anderen Stücken war anzunehmen, dass sie im Zuge der Fundteilung ins Museum in Istanbul gelangt waren. Nachdem das Material im Vorderasiatischen Museum inspiziert war, konnten viele Stücke an Hand der auf den Objekten angebrachten Fundnummern identifiziert werden. Das war schwierig bei solchen Objekten, bei denen die Fundnummer nicht mehr erkennbar war. Hier konnte die Zughörigkeit zu den Assur-Funden erst im Rahmen der Bearbeitung einer Fundgruppe eindeutig festgestellt werden. Danach war schließlich das Inventarisieren der Objekte durch Mitarbeiter des Assur-Projekts möglich.

Ein weiterer Grund dafür, dass die Bearbeitung archäologischer Themen langsamer voranschritt als die Arbeit an den Texten, lag daran, dass mehrere Themen, die die Kleinfunde betreffen, von so genannten „freien“ Mitarbeitern (siehe dazu die Liste im Appendix) übernommen worden war, die oft nicht mit vollem zeitlichen Einsatz an ihren Themen arbeiten konnten.   Es stellte sich bedauerlicherweise heraus, dass eine ganz wichtige Objektgruppe, deren Bearbeitung anfänglich als besonders dringlich angesehen wurde, gänzlich aus dem Arbeitsprogramm gestrichen werden musste – die Objekte aus Kupfer und Bronze. Eine Bearbeitung wäre erst nach umfangreichen restauratorischen und konservatorischen Arbeiten sinnvoll gewesen. Die immensen Mittel, die für das Konservieren der ca. 4000 Objekte aus Kupfer und Bronze nötig gewesen wären, standen bedauerlicherweise nicht zur Verfügung. Nur einzelne Stücke konnten durch außergewöhnliche Zuwendungen seitens der Generaldirektion der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitzrestauratorisch behandelt werden.

Das Assur-Projekt im Jahre 2009

Das Assur-Projekt befindet sich jetzt (März 2009) in seiner Endphase. Es wird im Mai 2010 nach 13 Jahren seinen Abschluss finden. Das Folgende gibt einen Überblick über den gegenwärtigen Stand der Arbeit. Vier Themenbereiche werden von den Mitarbeitern des Assur-Projekts zur Zeit behandelt: Die Architektur monumentaler Gebäude und ihrer Befunde, die Gräber und Grüfte, die Kleinfunde und die Texte. Für das bereits Publizierte siehe die beigefügte Liste. Wie sich im Folgenden zeigt, ergeben sich im Fortschreiten der einzelnen Arbeiten Verbindungen und Synergieeffekte zwischen den einzelnen bereits untersuchten bzw. den gegenwärtig noch untersuchten Objekten und Objektgruppen. Diese Art des Diskurses innerhalb des Teams im Assur-Projekt war von Anfang an ein wichtiges Anliegen.

Die monumentale Architektur und ihre Befunde

Die monumentale Architektur von Assur und ihre Befunde – Tempel, Paläste, Befestigungsanlagen – war zwar mit hoher Priorität von Andrae und seinen Mitarbeitern publiziert worden, die in den einzelnen Bauten ergrabenen Kleinfunde hatten dagegen nicht die nötige Aufmerksamkeit gefunden. Aber auch die Behandlung der Architektur ließ es im zeitlichen Abstand zur Erstpublikation geraten erscheinen, einzelne Gebäude erneut zu untersuchen. Dafür sprach vor allem, dass die Grabungsunterlagen Fakten enthielten, die seinerzeit bei der Erstpublikation nicht berücksichtigt worden waren (z.B. Höhemesspunkte, Gitternetz der Planquadrate, Kleinfunde) sowie eine im Zuge der wissenschaftlichen Diskussion notwendige Neubetrachtung dessen, was Andrae und seine Mitarbeiter publiziert oder interpretiert hatten.  

Für den im Jahr 2008 erschienenen Band von Friedhelm Pedde und Steven Lundström über den Alten Palast ist grundsätzlich, wie auch für die weiteren Architekturbände, zu bemerken, dass sich die ursprüngliche Absicht als nicht durchführbar erwiesen hat, die Bearbeitung der zahlreichen Kleinfunde aus dem Alten Palast und anderen Architekturkomplexen zusammen mit der Architektur vorzulegen. Der Grund liegt darin, dass dann der jeweilige Bearbeiter hätte warten müssen, bis die Bearbeitung der einzelnen Fundgruppen – wie etwa Keramik, Steingefäße, Metallobjekte, Objekte aus Elfenbein und Knochen usw. – hätte vorliegen können. Dies stellte sich als nicht machbar heraus. Daher wurde entschieden, das gesamte Repertoire einer Fundgruppe (z.B. Fliesen und Knäufe, Keramik, Objekte aus Elfenbein und Knochen, ägyptische Alabastergefäße) aus Assur insgesamt separat vorzulegen. Zusammen mit der Architektur wird aber jeweils ein vollständiger Katalog aller zu einem Architekturkomplex gehörigen Kleinfunde mit ihren Eckdaten publiziert werden.

Es ist jedem Kenner der Materie bewusst, dass die Kleinfunde in den von Andrae und seinen Mitarbeitern publizierten Architekturbänden nur sehr eklektisch behandelt worden sind. So werden z.B. in Preußers Band zum Alten Palast nur 40 Objekte benannt. Das Fundjournal verzeichnet aber ca. 2000 Objekte. Der Grund für ein solches Verfahren lag sicher auch darin, dass die Ausgräber als Architekten in erster Linie an baugeschichtlichen Aspekten interessiert waren. Die Entscheidung Andraes und seiner Mitarbeiter, die Kleinfunde aus den großen Gebäudekomplexen nicht zu bearbeiten, hatte außerdem sicher zwei weitere Gründe. Zum Einen hätte die Beschäftigung mit den Kleinfunden die Verfasser schon aus zeitlichen Gründen überfordert. Zum Anderen stand zur Zeit der Ausgrabung und lange Zeit danach kaum Vergleichsmaterial zur Verfügung, das für eine umfassende Bearbeitung und Bewertung der Funde hätte herangezogen werden können.

Zwar ist die Bezeichnung der Planquadrate in den Grabungsaufzeichnungen zur Fundortangabe im Fundjournal zu Grunde gelegt und auch auf dem Gesamtplan durch die „Benennung“ der Untergliederung eines Planquadrats vermerkt, aber in den früheren Publikationen nicht eingezeichnet. Daher wurden für die Darstellung der Architektur des Alten Palastes erstmals die Planquadrate in die Pläne eingetragen. Außerdem enthalten die Pläne zum Alten Palast in der Neubearbeitung ca. 3000 bisher nicht mitgeteilte Höhenmesspunkte, die eine detaillierte Vorstellung vom Niveau der Fußböden und Mauern der einzelnen Räume vermitteln. Eine dem Band beigegebene CD-ROM erlaubt den Zugriff auf die vorhandenen Grabungsfotos mit dem Standort, von dem aus sie gemacht wurden. Planausschnitte zusammen mit den farbig markierten Höhenmesspunkten können in beliebiger Größe dargestellt werden. Die Daten zu den Kleinfunden lassen sich für jedes Planquadrat oder jeden Raum separat aufrufen. Damit wird eine bisher nicht praktizierte Publikationsform für die vorderasiatische Archäologie erstmalig präsentiert.

Die Geschichte des Alten Palastes, eines Gebäudes von zentraler Bedeutung für den assyrischen Staat, lässt sich archäologisch über einen Zeitraum von ca. 2300 bis 614 v. Chr. – sowie eine nachfolgende Squatter-Besiedelung von ein bis zwei Generationen – verfolgen. Inschriften vermitteln eine Baugeschichte von großer historischer Tiefe – von ca. 1700 bis 614 v. Chr. Sie erwähnen zahlreiche, namentlich benannte Räume und ermöglichen es, sowohl deren Funktion als auch ihre Position im Palast wahrscheinlich zu machen.  

Steven Lundströms hat die archäologischen und inschriftlichen Befunde der Königsgrüfte im Alten Palast von Assur umfassend untersucht. Die Arbeit befindet sich im Druck. Die Druckkosten werden aus dem zentralen Publikationsfond der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz getragen.

Den Bestand von ca. 2500 Fragmenten im VAM konnte Steven Lundström weitgehend den einzelnen Grüften und Sarkophagen zuordnen.  Als Ergebnisse sind v.a. festzuhalten:

                       – In der Grabungsdokumentation ließ sich eine weitere Gruft (Gruft VII) feststellen, die in der Endpublikation von Hallers nicht mehr auftaucht,

                       – die bisher keinem Herrscher zuzuordnende Gruft IV kann möglicherweise Asarhaddon zugewiesen werden,

                       – die in der Grabungspublikation nur kursorisch dargestellten Grabinschriften werden in Form von Fotos und Textkopien sowie philologischer Bearbeitung präsentiert; darunter befindet sich eine bisher nicht bekannte Inschrift von Assur-bēl-kala (1073-1056) , die unter den Inschriften dieses Herrschers bisher ohne Parallele ist, Ausführlich ediert wurden die relevanten Auszüge aus den Grabungsunterlagen (Fundjournale, Grabungstagebücher, persönliche Notizen Andraes usw.). Sie lassen so den Grabungsverlauf nachvollziehen.  

Ebenfalls im Druck befindet sich Peter Werners Bearbeitung des Sin-Schamasch-Tempels. Die Finanzierung des Drucks erfolgt aus Mitteln der Freien Universität Berlin.

Schon 1996 hielt Hans-Jörg Schmid bei den Vorbereitungen zum Assur-Projekt eine erneute Beschäftigung mit den architektonischen Überresten des Sin-Šamaš-Tempels für erforderlich, da die Präsentation der Grabungsergebnisse durch Andrae und von Haller noch viele Fragen offen gelassen bzw. zu neuen Fragen Anlass gegeben habe. Außerdem hatte von Haller die im Sin-Schamasch-Tempel ergrabenen Kleinfunde nicht publiziert. Lediglich die im Gebäude und in dessen Umfeld geborgenen inschriftlichen Zeugnisse, die die Identifikation des Gebäudes als Sin-Schamasch-Tempel möglich gemacht haben, sind von ihm zitiert worden. Der in dem von Peter Werner verfassten Band enthaltene Katalog verzeichnet nun alle 459 Fundobjekte, die dem Areal des Sin-Šamaš-Tempels zugeordnet werden können. Die meisten werden im Abbildungsteil dokumentiert. Es war zudem möglich, in einem der dem Band beigegebenen Pläne die Höhenmesspunkte (Höhenkoten) darzustellen. Peter Werner konnte auch die in Kurzschrift vorliegenden Aufzeichnungen von Andrae nutzen. Als Ergebnis seiner neuerlichen Bearbeitung liegt nun ein Rekonstruktionsvorschlag Peter Werners für die architektonischen Befunde der neuassyrischen Baustufe vor.  

Die Arbeit von Aaron Schmitt über die Jüngeren Ischtar-Tempel ist seit 2010 abgeschlossen und wurde 2012 publiziert (WVDOG 137). Außer einer kritischen Neubewertung der stratigrafischen Befunde erfolgt die Bearbeitung der aus dem Tempelareal stammenden Kleinfunde. Objekte aus Quarzkeramik sind sehr prominent und einmalig in ihrer Menge und Formenvielfalt vertreten. Aaron Schmitt kann sich für den Fundkatalog auf die Vorarbeiten von Ulrike Löw stützen. Hervorzuheben ist außerdem die Ansammlung von Altertümern, teilweise sogar aus dem 3. Jt., an verschiedenen Stellen des Tempels. Sie ist so bemerkenswert, dass sie als Bestandteil der Tempelausstattung und als Anliegen seines Erbauers Tukultī-Ninurta I. gedeutet werden muss. Ausgehend von diesem besonders aussagekräftigen Befund soll das Interesse an der Vergangenheit der assyrischen Herrscher auf breiterer Basis untersucht werden. Geplant ist auch eine ausführliche Studie zu den Symbolsockeln in Assyrien.

In mehreren Bauinschriften Tukultī-Ninurtas I. für den Ištar-Tempel wird das É-šaḫūru als Gebäudeteil des Tempels erwähnt und beschrieben. Im Vergleich der Beschreibung in den Inschriften Tukultī-Ninurtas I. mit dem Grundriss des Tempels konnte das É-šaḫūru als der Zugangsraum zum Tempel identifiziert werden. Das Einbinden dieser distinkten architektonischen Einheit in den Bauentwurf eines assyrischen Tempels stellt eine Neuerung unter Tukultī-Ninurta I. dar. Eine umfassende Auswertung der archäologischen und schriftlichen Quellen zu šaḫūrusoll zu einer genauen Definition dieses Gebäudeteils führen und seine unterschiedlichen lokalen wie zeitlichen Ausprägungen sowie seine besondere Bedeutung innerhalb des Neubaus Tukultī-Ninurtas I. herausstellen.

Auch für die Neubearbeitung der Jüngeren Ištar-Tempel wird eine CD-ROM vorbereitet, die dem Muster der oben beschriebenen für den Alten Palast folgt.  

Die Gräber und Grüfte

Die 1370 Gräber und Grüfte aus dem gesamten Stadtgebiet von Assur werden von Daniel Hockmann (Gräber und Grüfte bis zur Mitte des 2. Jt.), Friedhelm Pedde (Gräber und Grüfte der mittel- und neuassyrischen Zeit), und Heike Richter (Gräber und Grüfte der parthischen Zeit) bearbeitet.

Die Notwendigkeit einer erneuten Beschäftigung mit den Gräbern und Grüften wird ersichtlich, wenn man bedenkt, dass von Haller seiner Publikation von 1954 nur bei maximal 10% der Gräber entsprechende Abbildungen beigefügt hat. Und selbst in diesen Fällen wurden diejenigen Grabinventare, die in der Grabungsdokumentation vollständig fotografisch und zeichnerisch vorliegen, nur eklektisch aufgeführt. Beim Vergleich der Original-Zeichnungen der Gräber mit der Wiedergabe in von Hallers Publikation zeigen sich gravierende Unterschiede, d.h. die Grabungsdokumentation ist erheblich präziser. Seit von Hallers Publikation, die seinerzeit durchaus als vorbildlich gelten konnte, sind zudem einige wichtige Gräberpublikationen erschienen, die methodisch neue Wege weisen. Dies führt zur einer über von Haller hinausgehende Sicht des Gräberbestandes aus Assur.

Die Gräber und Grüfte stehen in einem engen baulichen und funktionalen Zusammenhang mit den Gebäuden, in denen sie angelegt sind, stehen andererseits aber in Bezug zu den darin niedergelegten Kleinfunden, die in anderem Zusammenhang im Rahmen des Assur-Projektes bearbeitet werden. Die auf Grund der Arbeit von Peter Miglus zu den Wohnbauten in Assur, in denen sich Bestattungen fanden, sowie für die Kleinfunde inzwischen zu Verfügung stehendes Vergleichsmaterial ermöglicht eine bessere Datierung vieler Bestattungen auf der Basis von archäologischen 'Leitfossilien' u.a. Fibeln, Objekten aus Blei, aus Knochen und Elfenbein. Insbesondere für die ältere Keramik ließen sich Vergleichsfunde im Material aus Mari, Kisch und sogar aus Fundplätzen im südlichen Mesopotamien (Ur, Uruk) identifizieren. Dies kann überregionale Beziehungen Assurs in der Frühzeit des Ortes erklären (s. dazu auch die unten zitierte Arbeit von Claudia Beuger).

Die fast 700 Gräber und Grüfte aus neuassyrischer Zeit bildeten die Materialbasis für Stefan Hausers Hallenser Habilitationsschrift Status und Ritual – Tod und Sozialstruktur im neuassyrischen Assur. Das Manuskript wird gerade formatiert und soll im Sommer 2009 zum Druck gehen. Hauser konzentriert sich auf die Auswertung des neuassyrischen Materials unter soziologischen Gesichtspunkten. Ein ausführlicher Katalog aller ca. 1370 privaten Gräber und Grüfte aus Assur vom späten 3. Jt. v. Chr. bis in die arsakidische Zeit (2. Jh. n. Chr.) und der mit ihnen verbundenen Funde wird gegenwärtig von Daniel Hockmann, Friedhelm Pedde und Heide Richter vorbereitet.

Auch Hauser war ebenso wie Pedde mit den zahlreichen Fehlern, Ungenauigkeiten und einer unvollständigen Präsentation des Materials in von Hallers Publikation „Die Gräber und Grüfte von Assur“ (1954) konfrontiert. Hauser unterzog die von Hallersche Typologie der Bestattungsformen auf Grund einer sorgfältigen Berücksichtigung der originalen Grabungsdokumentation einer kritischen Überprüfung. Als Ergebnis präsentiert Hauser eine modifizierte Typologie der Bestattungsformen. Es zeigte sich, dass bestimmte Bestattungsformen (also etwa Bestattung ohne und mit Abdeckung, Bestattung in Behältnissen, in Grüften) eine grundlegende Bedeutung für die weitere Bearbeitung der Befunde hinsichtlich der den Bestattungen möglicherweise zu Grunde liegenden Bestattungsbräuche haben.

Behandelt werden zahlreiche weitere Themen wie etwa die Behandlung der Toten, das Verhältnis von Wohnhaus und Bestattungsform oder die soziale Differenzierung, soweit sie sich in Bestattungen manifestiert. Im Einzelnen sei hervorgehoben, dass aus Assur bisher nur Hausbestattungen bekannt sind. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Bewohner Assurs – ebenso wie auch sonst in Assyrien – ihre Toten in Friedhöfen oder Nekropolen außerhalb der Stadt begraben hätten. Die Sitte der Hausbestattung gibt Anlass zu verschiedenen Fragen, die detailliert behandelt werden: Die Gräber befinden sich unter den hinteren Räumen der Wohnhäuser, die Hauser als Familienräume definiert. Auch die Königsgrüfte im Alten Palast von Assur folgen dem gleichen Prinzip. Eingehend untersucht werden innerfamiliäre Differenzierungen (Kinder versus Erwachsene, Kinderbestattungen mit Erwachsenen, Frauen versus Männer, Eheleute, Königinnen und Einzelbestattungen, rezente Tote versus bestattete Vorfahren), sowie Sozialstrukturen (arm versus reich, Klein- versus Großfamilie, Assyrer versus Zugewanderte, Eunuchen und Palastbedienstete, Sklaven (?), Könige versus normale Sterbliche). 

Die Kleinfunde

Eng verbunden mit der Untersuchung der Gräber und Grüfte sowie Arbeiten zur Architektur sind zwei Untersuchungen zur Keramik von Assur. Arnulf Hausleiter hat die neuassyrische Keramik aus Assur im Rahmen einer Münchner Dissertation (Neuassyrische Keramik im Kerngebiet Assyriens) in den größeren Kontext neuassyrischer Keramik gestellt. Ziel der Arbeit ist die erstmalige vergleichende Bearbeitung des eisenzeitlichen Keramikbefundes in Zentralassyrien während der neuassyrischen Zeit (etwa 10.-7. Jh. v. Chr.). Ausgehend von der Auswertung der stratigrafischen Ergebnisse aus urbanen Zentren und kleinen Ansiedlungen im Untersuchungsgebiet wurden keramikführende Kontexte datiert und nach Möglichkeit die für bestimmte Zeitabschnitte charakteristischen Formtypen identifiziert. Aus der assyrischen Hauptstadt Assur wurde in Ermangelung umfänglicher stratifizierter Kontexte aus Siedlungsgrabungen zumeist unpublizierte Keramik aus etwa 200 Gräbern herangezogen, deren Datierung erneut einer Überprüfung unterzogen wurde. Der Fundort Assur steht damit im Mittelpunkt dieser Arbeit. In Bezug auf den Befund der Grabkeramik aus Assur ist zwar ein ausgewähltes Repertoire an funktionsabhängigen Formen zu konstatieren, das jedoch vom restlichen Formbestand Assyriens nicht abweicht. Es handelt sich also um eine gezielte Auswahl an Gefäßen, die im Zusammenhang mit den rituellen Erfordernissen zum Zeitpunkt der Grablege benötigt wurden. Dies konnte nun erstmals nachgewiesen werden. Aus chronologischer Sicht war es anhand einiger Grabkontexte aus Assur möglich, Formen als frühneuassyrisch anzusprechen – ein Zeitraum, der an keinem der anderen Fundorte aus historischen, siedlungs- und nicht zuletzt grabungsgeschichtlichen Gründen erreicht wurde (abgesehen von Keramik aus Tell ar-Rimah, die um 800 v. Chr. anzusetzen ist). Die Überarbeitung für den Druck soll im Mai 2009 abgeschlossen sein, so dass das Werk dann zum Druck gegeben werden kann. Die Publikation ist in der Reihe ADOG vorgesehen.

Claudia Beuger hat in ihrer Berliner Dissertation Keramik der spätfrühdynastischen bis spätassyrischen Zeit aus Assur die Gefäßkeramik der Älteren (oder archaischen [so die Bezeichnung von Andrae]) Ischtar-Tempel untersucht (zugänglich unter http://www.diss.fu-berlin.de/diss/receive/FUDISS_thesis_000000003202). Es ist geplant, die Keramik der Älteren Ischtar-Tempel gesondert in einem Katalog vorzustellen. Der Katalog wird die kritische Auseinandersetzung mit der Stratigrafie, die Definition der Warengruppen, eine Kurzfassung der Ergebnisse und den Fundstellenkatalog enthalten.

Durch Claudia Beugers Arbeit werden die Arbeiten von Andrae in seiner Erstpublikation (1922) und die von Jürgen Bär vorgelegte Neuuntersuchung der Stratigrafie und der Kleinfunde der Älteren Ischtar-Tempel ergänzt. Auch für die Bearbeitung der Gräber und Grüfte aus Assur ergeben sich neue Einsichten. Mit Hilfe der Funde aus dem von Reinhard Dittmann angelegten Tiefschnitt (1988-89) lässt sich nunmehr eine zeitliche Abfolge von ca. 1500 Jahren dokumentieren. Auch die Sichtung des Materials im Vorderasiatischen Museum hat zahlreiche Scherben und vollständige Gefäße erbracht, die nunmehr in die Untersuchung einbezogen werden konnten.

Claudia Beuger hat Leitformen für einzelne Perioden definiert, überregionale Vergleiche (Südmesopotamien, Dijala-Gebiet, Emar am mittleren Euphrat, s. dazu oben unter Gräber und Grüfte) möglich gemacht bzw. bestätigt. Besonders für das 3. Jt. und das frühe 2. Jt. wird die bisher bekannte Keramik durch neue Gefäßformen um ein Vielfaches ergänzt. Deren angebliches Fehlen hat im wissenschaftlichen Diskurs bereits zu kulturhistorischen Rekonstruktionen geführt, die nun nicht mehr haltbar sind.

Julia Orlamünde, deren plötzlicher Tod im April 2008 eine empfindliche Lücke in das Team des Assur-Projekts gerissen hat, hinterließ ein Manuskript, in dem 241 identifizierte Obeliskenfragmente aus Assur bearbeitet sind. Neben ausführlichen Beschreibungen der einzelnen Fragmente enthält es eine vollständige zeichnerische (die Gertrud Seidensticker zu verdanken ist) und fotografische Dokumentation aller Fragmente. Das Mauskript wird gegenwärtig für den Druck vorbereitet.

Die Publikation der Obelisken-Fragmente aus Assur erweitert das Wissen über neuassyrische Obelisken erheblich. Die Fragmente stammen überwiegend von mehreren Obelisken Assurnairpals II. und Salmanassrs III. (9. Jh. v. Chr.). Die bildlichen Darstellungen finden ihre Parallelen im Rassam-Obelisk (Assurnairpal II.) und im Schwarzen Obelelisk (Salmanassar III.). Die fragmentarisch erhaltenen Beischriften auf einigen zusammengehörigen Fragmenten lassen Eckart Frahm vermuten, dass ein weiterer Obelisk aus der späten mittelassyrischen Zeit stammen könnte.

Unter den Fragmenten aus Berlin, Istanbul, London und Brüssel konnte Julia Orlamünde mehrere Zusammenschlüsse vollziehen. Während ihrer Aufenthalte im Museum in Istanbul hat sie wesentlich zu der fruchtbaren Kooperation mit der archäologischen Abteilung des Museums beigetragen. Das hat dazu geführt, dass von den Berliner und Istanbuler Fragmenten, die sich zusammenschließen lassen, gegenwärtig Gipsabgüsse angefertigt werden, so dass beide Museen schließlich im Besitz der durch Abgüsse realisierten zusammengeschlossenen Fragmente sein werden. Die Arbeit an der Abformung der Istanbuler Stücke wird finanziell wesentlich durch das Kulturerhalt-Programm des Auswärtigen Amtes unterstützt. Diese Arbeit kann im Mai vollendet werden, nachdem die entspechende Genehmigung aus Istanbul bzw. Ankara erteilt worden ist.  

Fragmente von 74 Orthostaten Tiglat-Pilesers I. (1114-1076) werden im Fundjournal genannt. Sechsundvierzig befinden in Istanbul, acht in Berlin. Ein ausführlicher deskriptiver Katalog von Julia Orlamünde liegt vor („Die Orthostatenplattenfragmente aus dem ‚Haus des Buchsbaums’ von Tiglatpileser I. in Assur,“ in: MDOG 139 [2007, erschienen 2008], 11-14). Etwa 700 Fragmente von Orthostaten Assurnairpals II. werden in Berlin aufbewahrt. Auf Grund der unterschiedlichen Gestaltung der Inschriften Assurnairpals lässt sich die Existenz von mehreren Versionen nachweisen (s. dazu Julia Orlamünde, „Die Steinorthostaten Assurnairpals II. aus Assur: Ein Überblick über die Funde aus den Grabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft 1903-1914,“ in: MDOG 136 [2004], 195-215). Die Orthostaten Tiglat-Pilesers I. werfen ein neues Licht auf die Entwicklung der Verwendung von Orthostaten in der Palast-Architektur Assyriens. Im Falle der nicht-reliefierten Orthostaten Assurnairpals II. aus Assur stellt sich die Frage nach dem zeitlichen Verhältnis zu den reliefierten Orthostaten Assurnairpals II. in Kalchu. Die von Julia Orlamünde begonnene Arbeit wird jetzt von Steven Lundström fortgesetzt.  


Fragment aus einem Obelisken mit Tributbringern und Gefangenen

Unter den ca. 600 Fragmenten von Torleibungsfiguren hat Julia Orlamünde bisher Fragmente von Stierfiguren unterschiedlicher Größe und von zwei überlebensgroßen Löwenfiguren an Hand von fragmentarisch erhaltenen Hufen, Locken, Zotten, Krallen und Zähnen identifiziert. In einer zusammenfassenden Bewertung des Materials geht es u.a. um die Erwähnungen von Torleibungsfiguren in den Inschriften Tiglat-Pilesers I. und Assur-bēl-kalas, von denen beide Herrscher berichten, sie hätten sie in ihrem Palast in Assur aufgestellt. Auch die Bearbeitung der Torleibungsfiguren wird ebenfalls von Steven Lundström fortgeführt.  

Hans-Ulrich Onasch hat die ca. 1000 Fragmente von ägyptischen und ägyptisierenden Alabastergefäßen bearbeitet, aus denen sich eine Reihe von vollständigen Gefäßen zusammensetzen ließ. Diese Arbeit wird im Frühsommer 2009 zum Druck gehen.   Ein großer Teil der Alabasterfragmente wurde im Alten Palast in den Räumen 23 und 28 (angrenzend an den Hof III) gefunden. Drei große Fundgruppen lassen sich unterscheiden:

            – Die größte Gruppe lässt sich eindeutig Formen und Typen der 18. und 19. ägyptischen Dynastien (15.-13. Jh. v. Chr.) zuordnen, u.a. durch hieroglyphische Inschriften auf den Gefäßen. Es handelt sich um Fragmente hochwertiger Gefäße, die als Geschenke des ägyptischen Königshauses an das mitannische Herrscherhaus in Obermesopotamien gegangen und von dort schließlich unter Arik-dēn-ili (1317-1306) und Aššur-nērārī I. (1305-1274) als Kriegsbeute nach Assur gelangt sind, wie die entsprechenden Aufschriften zeigen. 

                                                                      – Die zweite Gruppe umfasst ca. 100 Gefäße bzw. Gefäßfragmente aus der Dritten Ägyptischen Zwischenzeit (10.-8. Jh. v. Chr.). Es handelt sich um sehr große, prunkvolle Gefäße, die wahrscheinlich der Aufbewahrung kostbarer Flüssigkeiten (etwa Parfümöle) dienten. Sie wurden im Zuge der Feldzüge Asarhaddons und Assurbanipals (7. Jh. v. Chr.) in der Levante oder in Ägypten erbeutet. Ihr Fund in repräsentativen Räumen des Alten Palastes bezeugt, dass der Alte Palast dem König und seiner Familie weiterhin als wichtige Residenz diente. Ihr Fund im Alten Palast von Assur bezeugt, dass der Alte Palast weiterhin als wichtige Residenz der assyrischen Könige und ihrer Familie genutzt wurde.

                                                                      – Zur dritten Gruppe gehören zahlreiche aus Bestattungen stammende Alabastren. Sie sind meist aus lokal verfügbarem Gipsalabaster oder den Scherben großer Gefäße aus Ägypten in Assur hergestellt worden, was darauf hindeutet, dass viele der ägyptischen Gefäße schon vor der Zerstörung Assurs zu Bruch gegangen oder zerschlagen worden sind.

Zahlreiche im Fundbestand aus Ägypten nicht bekannte Formen lassen sich jetzt durch das Material aus Assur nachweisen. Bisher nicht herangezogene Vergleichsstücke aus Ugarit werden benannt.

Die als Mainzer Habilitation vorgelegte Studie zu den ca. 750 Beinobjekten (Knochen und Elfenbein) aus Assur durch Dirk Wicke ist die erste monografische Bearbeitung von Beinfunden, d.h. die gemeinsame und vergleichende Behandlung von Funden aus Elfenbein und Knochen aus einem Fundort. Andere Monografien wie die zu den Elfenbeinfunden aus Nimrud oder Ugarit betrachten nahezu ausschließlich Objekte aus Elfenbein, weswegen Materialvergleiche dort nicht vorkommen. Mit den großflächigen und systematischen Grabungen in Assur, die sich nicht auf monumentale Gebäude beschränken, bietet sich erstmals ein repräsentativer Querschnitt durch das Repertoire mittel- und neuassyrischer Beinschnitzer. Zeugnisse für ein lokales Schnitzhandwerk aus der mittel- und neuassyrischen Zeit lassen sich erkennen.  

Raphaela Heitmann hat bisher einen Katalog der ca. 880 im Fundjournal verzeichneten Objekte aus Blei verfasst. Es handelt sich um Plaketten mit anthropomorphen, theriomorphen, floralen oder geometrischen Motiven als auch um zahlreiche vollplastische Tierfiguren, Nadeln, Geräte, unverzierte Bleischeiben sowie Gussreste und amorphe Bleistücke. Die oft diskutierten vierzehn Objekte mit erotischen Motiven wurden im Wohngebiet der Terrasse des Neuen Palastes gefunden, nur eines im Gebiet des Ischtar-Tempels.  

Barbara Muhle untersuchte im Rahmen einer Münchener Dissertation steinerne Keulenköpfe. Bei einigen haben sich Reste der Holzschäftung erhalten. Mehrere Keulenköpfe tragen Inschriften, sowohl Besitzinschriften – als auch wesentlich häufiger – Weihinschriften. Bei der Fundverteilung lassen sich als deutliche Schwerpunkte der zentrale Vorhof des Assur-Tempels sowie das Tabira-Tor feststellen. Über den Gebrauch informieren Darstellungen auf neuassyrischen Reliefs. 

Julia Hänsel bearbeitet im Rahmen einer Heidelberger Magisterarbeit die ca. 140 beschrifteten Keramikgefäße aus der DOG-Grabung darunter auch zahlreiche von Liane Jakob-Rost nicht publizierte Stücke. Sinnvollerweise berücksichtigt sie auch solche aus der rezenten Grabung von P. Miglus.  

Stefanie Raupach widmet sich im Rahmen einer Magisterarbeit an der Freien Universität Berlin den 174 bekannten Lampen aus der Partherzeit, von denen sich 74 im Vorderasiatischen Museum befinden. Der Wert der Arbeit liegt darin, dass die unterschiedlichen Formen von Lampen wichtig für die Datierung der mit ihnen vergesellschafteten Funde, v.a. aus den Gräbern sind.

Die Herstellungspraxis und das Verstehen der chemischen Vorgänge hinsichtlich der farbigen Überzüge konnten mit der Restauratorin, des Vorderasiatischen Museums,     s Uta von Eickstedt, besprochen werden. Insbesondere ging es um die chemischen Reaktionen der meist kupferhaltigen Lasuren von Keramik und Lampen mit dem Bodenmaterial, bevor diese ausgegraben wurden.  

Hans-Ulrich Onasch wird die ca. 1600 noch unpublizierten Terrakotten für eine Publikation aufbereiten, die nicht in Evelyn Klengel-Brandts „Terrakotten aus Assur“ (1978) enthalten sind. Er kann sich dabei auf die umfassenden Vorarbeiten von Evelyn Klengel-Brandt zum unveröffentlichten Material stützen.

Lutz Martin widmet sich altakkadischen Statuenfragmenten aus Assur, die zu mindestens drei Statuen gehören. Neben dem bekannten Torso, der an der Ostecke der Nordost-Zikkurat des Anu-Adad-Tempels gefunden wurde und sich im Vorderasiatischen Museum befindet (Ass 7332) konnten weitere Bruchstücke im Steindepot des Vorderasiatischen Museums weitere Bruchstücke Statuen zugeordnet werden. Auch bei der Durchsicht der Steinfragmente aus Tell Halaf im Rahmen des gleichnamigen Restaurierungsprojektes fanden sich Teile, die vom Gesteinsmaterial her eindeutig zu Statuenfragmenten aus Assur gehören müssen, wie das in einigen Fällen die noch vorhandenen Assur- Fundnummern auf diesen Bruchstücken belegen. Offenbar ist es bei Umlagerungsaktionen in der Nachkriegszeit in einigen Fällen zur Vermischung der Steinbruchstücke aus den Fundorten Assur, Tell Halaf und Zincirli gekommen. Insgesamt umfasst das bisher separierte Material ca. 200 Bruchstücke, die offenbar zu drei weiteren Statuen gehören.   Wieder gefunden und bisher trocken zusammengesetzt ist das Oberkörperfragment eines Mannes (Ass 12908 und 13002), sowie ein halber Oberkörper eines Mannes (Ass 17661). Beide Stücke sind bereits publiziert worden. Von einer dritten Statue ist auch ein aus mehreren Fragmenten bestehendes Oberteil erhalten, an das zwei Fragmente mit Inschrift angepasst werden konnten. Neben den genannten Fundnummern sind noch die Nummern Ass 6755, Ass 21641 und Ass 20933 für Skulpturbruchstücke vergeben worden. Das Bruchstück Ass 9935 ist bisher noch nicht identifiziert.  Außerdem hat Lutz Martin umfangreiche Vorarbeiten zu den Steingefäßen aus Assur (die nicht aus Alabaster gefertigt sind und von Hans-Ulrich Onasch bearbeitet werden) geleistet. Von den etwa 400 Objektnummern, die z.T. mehrere Unternummern umfassen sind etwa 250 durch Arbeitszeichnungen, Arbeitsfotos und eine erste vorläufige Beschreibung erfasst. Das Material stammt zum überwiegenden Teil aus dem ganzen Stadtgebiet. An Hand der Fundlage lassen sich nur wenige Aussagen zur Datierung und dem funktionellen Kontext machen. Einige Bruchstücke tragen fragmentarische Keilinschriften, deren neue Lesung noch aussteht. 

James Szudy bearbeitet im Rahmen einer Wiener Dissertation die Pfeilspitzen aus Assur im Zusammenhang mit allen übrigen verfügbaren Pfeilspitzen aus neuassyrischer Zeit aus anderen Fundplätzen.  

Der Bestand an römischen, parthischen und islamischen Fundmünzen aus Assur, denStefan Heidemann und Christoph Noeske bearbeiten, ist bislang der einzige für die Wissenschaft zugängliche antike und mittelalterliche Bestand für den Nordirak. Neue Aussagen über den Münzumlauf außerhalb des Römischen Reiches in der westlichen Grenzregion des Partherreiches sind möglich. Das Bild des Münzumlaufs für die parthische Zeit vom 1. Jh. v. Chr. bis zum frühen 3. Jh. n. Chr. wird durch die wesentlich größere Menge an Münzen, die nun zur Verfügung steht, plastischer und historisch besser fassbar. 

Thomas von Rintelen behandelt zusammen mit Ralf-Bernhardt Wartke die Weichtiergehäuse aus Assur. Insgesamt lassen sich 58 Arten von Mollusken aus dem Mittelmeer, dem Persischen Golf sowie Süßwasser nachweisen, die als Gründungsbeigaben in den Fundamenten der Zikkurrat gefunden wurden.  

Barbara Feller hat ihre Studie Siegel im Kontext der Gesellschaft. Die Siegelabrollungen auf den mittelassyrischen Tontafeln aus dem Vorderasiatischen Museum Berlin als Dissertation an der Freien Universität Berlin abgeschlossen. Sie basiert auf den Siegelabrollungen auf ca. 2300 mittelassyrischen, großenteils datierten Urkunden. Unter den etwa 1200 Siegelabrollungen lassen sich 80 unterschiedliche Typen von Siegeldarstellungen identifizieren. Viele Siegelmotive sind bisher nicht bekannt gewesen. Das nun in großer Breite vorliegende Motivrepertoire der mittelassyrischen Glyptik wird erheblich dazu beitragen, dekorative und figürliche Motive der neuassyrischen Palastreliefs in einem größeren zeitlichen Zusammenhang zu betrachten. Die Verteilung der Abrollungen über mehrere Jahrhunderte bietet ein solides Fundament für einen Vergleich mit den Siegelabrollungen aus mittelassyrischer Zeit aus der assyrischen Provinz. Es war möglich, die hohe Qualität zahlreicher Siegel zur Geltung zu bringen, die oft von hoch stehenden Personen aus dem Umkreis des Palastes einschließlich des Herrschers verwendet wurden. In einer ganzen Reihe von Fällen konnten die seinerzeitigen Zeichnungen bei Moortgat und besonders bei Beran erheblich verbessert werden.

Vorläufige Ergebnisse der Arbeit Barbara Fellers sind in Aufsätzen und in den Siegelkatalogen enthalten, die den Bänden V-VIII von „Mittelassyrische Rechtsurkunden und Verwaltungstexte“ von Helmut Freydank und Barbara Feller beigefügt sind. Für weitere Bände mit mittelassyrischen Urkunden von Eva Cancik-Kirschbaum, Helmut Freydank, Jaume Llop-Raduà, Doris Prechel und Hervé Reculeau sind die Siegelabrollungen gezeichnet und beschrieben und werden zusammen mit den Kopien der Texte veröffentlicht werden. In Zusammenarbeit mit den philologischen Bearbeitern war es möglich, die Siegelabrollungen den Protagonisten der jeweiligen Urkunden zuzuordnen.   Gleichermaßen wurde mit den Siegelabrollungen und Siegelabdrücke auf neuassyrischen Urkunden verfahren.

Eine Gesamtdarstellung der neuassyrischen Glyptik aus Assur wird von Evelyn Klengel-Brandt vorbereitet. Sie basiert auf Abrollungen und Abdrücken sowie auf Urkunden sowie – zum Teil unpublizierten – Roll- und Stempelsiegeln.   

Arbeiten zur inschriftlichen Überlieferung

Die Texte, die sich in Assur gefunden haben, verteilen sich auf drei große Gruppen: Rechts- und Verwaltungsurkunden, monumentale Texte mit historischer Relevanz und Texte aus dem Bereich der gelehrten Überlieferung. Die meisten Texte mit historischer Relevanz wurden bereits frühzeitig publiziert und in Umschrift und Übersetzung ediert (Erich Ebeling, Bruno Meissner, Ernst F. Weidner, „Die Inschriften der altassyrischen Könige“ [1926]) und finden jetzt eine erneute Bearbeitung in den „Royal Inscriptions from Mesopotamia – Assyrian Period.“ Ein wesentlicher Teil der Texte der gelehrten Überlieferung wurde ebenfalls vor langer Zeit von Erich Ebeling und Franz Köcher kopiert und veröffentlicht. Ein nicht unbeträchtlicher Teil von Tontafeln aus dieser Textgruppe wurde aber von ihnen nicht berücksichtigt, da es sich um weniger gut erhaltene Tontafeln handelt. Zu Beginn der Arbeit am Assur-Projekt wurde vereinbart, diese Textgruppe außerhalb des Assur-Projekts durch Stefan M. Maul in Heidelberg bearbeiten zu lassen. Das Assur-Projekt hat sich zur Aufgabe gemacht, die noch unveröffentlichten Rechts- und Verwaltungsurkunden, die v.a. aus mittel- und neuassyrischer Zeit stammen, zu publizieren.  

Frauke Weiershäuser (Umschrift, Übersetzung, Wörterbuchreferenzen und Kommentare), Brigitte Groneberg (Gesamtverantwortung, Editing), Wolfgang Schramm (Beratung, Editing der  Autographien) haben unter Mitarbeit von Gabi Krause (Autographien) und Kamran Zand (nur:  igi-du8 = tāmartu) die publizierten lexikalischen Listen (Vokabulare, Gegenstandslisten sowie Synomymenlisten) aus Assur in dem Gemeinschaftsprojekt „Digitale Keilschrift-Bibliothek Lexikalische Listen aus Assur“ (DKB-LLA) des Seminars für Altorientalistik der Georg-August-Universität Göttingen und der Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung Göttingen (verantwortlich für die digitale Präsentation) elektronisch unter  http://keil.uni-goettingen.de/ verfügbar gemacht.

Tempelfassade (Mittelassyrisches Siegel, 13 Jh. v. Chr.)

Die Assur-Fundnummern und die Inventarnummern des VAM (VAT-Nummern) der Listen wurden ursprünglich aus dem Assur-Projekt, v.a. der bisher unpublizierten Fragmente,von S. M. Maul (Heidelberger Assur-Forschung) zur Verfügung gestellt.

Die Website enthält Fotos, Autographien und Transliterationen sowie Verweise auf die Textzitate in AHw und CAD. Kollationen haben Lesungen verbessern oder korrigieren können.

Viele der Texte sind zwar in „Materials fort he Sumerian Lexicon“ (MSL) verwendet und in die    Rekonstruktion von Vokabularen und anderen Listen eingeflossen. Sie sind aber weder als vollständiger Text oder gar als Autographie vorgelegt worden. B. Landsberger, standen für MSL Abschriften der Texte von Matouš, Ehelolf und Köcher zur Verfügung, dazu Fotos; Gleiches gilt für W.   von Soden, der in AHw, häufig nach VAT- oder Assur-Fundnummern zitiert. In MSL sind die Assur-Texte entweder als Varianten oder als Hinweis darauf markiert, dass eine bestimmte Zeile auch in einem Assur-Text vorhanden ist. Dabei wird in der Regel nicht angegeben, ob das entsprechende Wort vollständig erhalten ist. Es geht nicht immer aus   der Edition von MSL hervor, dass eine bestimmte Sektion eines Assur-Textes an anderer Stelle eingeordnet ist, als das etwa in der Ninive-Version der Fall ist. MSL bietet oft nur eine ‚ideale’ Version, um   das vorhandene Material optimal zu präsentieren. Signifikante Unterschiede zwischen den für Assur und Ninive bezeugten Traditionen werden dadurch nicht oder kaum sichtbar. Auch die Unterschiede zu den erst in späteren Texten bezeugten Eigenheiten der babylonischen Tradition werden so nicht direkt erkennbar.

Ziel des Projektes DKB-LLA war es deshalb, diesem Manko abzuhelfen, und die aus MSL bekannten Textzeugnisse als „Texte eigenen Rechts“ vorzulegen. Indem also im DKB-LLA-Projekt die Assur-Texte in ihrer Originalität präsentiert werden, werden dadurch Rückschlüsse auf redaktionelle Verfahren  der Gelehrten aus Assur möglich und die schreiberischen Eigenheiten (Orthographie, Paläographie) durch die Vorlage von Kopien sichtbar. Dies  alles trägt zu einer besseren Kenntnis der Gelehrtenkultur Assyriens und Babyloniens in der zweiten Hälfte des 2. Jt. und des ersten Jahrtausends bei.

Die ursprüngliche Absicht, auch die zahlreichen noch völlig unbekannten und zum Teil nur fragmentarisch erhaltenen Texte von Vokabularen und Listen  aus Assur im Rahmen dieses Projektes vorzulegen, ließ sich nicht verwirklichen, da die dafür notwendige Finanzierung nicht zu erreichen war. Die fachübliche Erarbeitung der bisher nicht publizierten Fragmente lexikalischer Listen aus Assur wird jedoch im Rahmen des von S. M. Maul geleiteten Projekts „Heidelberger Assur-Forschung“ stattfinden, das sich die Edition der gelehrten Überlieferung aus Assur zum Ziel gesetzt hat.

Die Publikation der in Assur gefundenen altakkadischen und altassyrischen Texte durch Hans Neumann und Karl Hecker soll im Sommer 2009 druckfertig vorliegen.

Gegenwärtig werden die letzten noch unpublizierten mittelassyrische Archive bzw. Textgruppen mit Rechts- und Verwaltungsurkunden von Eva Cancik Kirschbaum, Helmut Freydank, Jaume Llop-Raduà, Doris Prechel und Hervé Reculeau für die Edition vorbereitet. Damit wären dann alle mittelassyrischen Textgruppen aus den Grabungen in Assur publiziert. Erfreulich ist, dass Veysel Donbaz bereits einen beträchtlichen Teil der noch unpublizierten mittelassyrischen Urkunden aus Assur im Museum zu Istanbul kopiert hat. Sie sollen in WVDOG veröffentlicht werden.

Vor einer Bearbeitung der Texte des Archivs der Opferverwaltung des Assur-Tempels wird Helmut Freydank die Abfolge der Jahreseponymen im 12. Jh. v. Chr. innerhalb dieses Archivs untersuchen. Im übrigen sollen die bezeugten Namen von Eponymen in den übrigen Archiven berücksichtigt werden, soweit sie die Reihe der im 12. Jh. vorkommenden Eponymen ergänzen können. Auch Veysel Donbaz hat eine Arbeit zu mittelassyrischen Eponymen angekündigt.  

Die in dem Band „Alltagstexte aus neuassyrischen Archiven und Bibliotheken der Stadt Assur“ (StAT 3 [2008]) vonBetina Faist bearbeiteten Urkunden stellen einen wichtigen Beitrag zur assyrischen Rechts-, Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte im 8. und 7. Jh. v. Chr. dar. Besonders bedeutsam für die Rechtsgeschichte sind die zahlreichen Prozessurkunden, wodurch eine ausführliche und systematische Darstellung des neuassyrischen Prozessrechts möglich ist. B. Faist bereitet nun die Bände "Keilschrifttexte aus Assur aus neuassyrischer Zeit" (KAN 4 und 5) Kopien von ca. 150 Tafeln vor, die dann in "Studien zu den Assur-Texten" Bd. 4 und 5 in Umschrift, Übersetzung und Kommentar ediert werden sollen.  

Das so genannte Ägypter-Archiv (hier Archiv N 31, gefunden westlich des Nabû-Tempels), genauer die Archive zweier Familien, ist Gegenstand einer eingehenden Untersuchung von Betina Faist und Hans-Ulrich Onasch. Arbeitshypothese ist, dass Ägypter – möglicherweise Angehörige der durch die Kuschiten verdrängten Königshäuser der 22. bis 24. Dynastien zur Zeit der nubischen Eroberung Unterägyptens durch Schabaqo nach Assyrien flüchteten, wo sie nach Ausweis der Urkunden gehobene Positionen in der Gesellschaft der Stadt Assur einnahmen. Durch die Ausgrabungen Bartel Hroudas ist ein weiteres derartiges Archiv zu Tage gekommen, das nicht weit von dem Archiv N 31 gefunden wurde. Es zeichnet sich ab, dass mit einem Wohnquartier zu rechnen ist, das vornehmlich von Ägyptern bewohnt wurde. 

Wissenschafltiche Mitarbeiter und Bibliographische Übersicht über die abgeschlossenen und laufenden Arbeiten (Link)

Von Dezember 1903 bis Frühjahr 1914 hat die Deutsche Orient-Gesellschaft unter Leitung von Walter Andrae am Fundort Assur im Nordirak Ausgrabungen durchgeführt. Assur war vom Ende des 3. Jt. bis zum 9. Jh. v. Chr. Hauptstadt des assyrischen Staates und Ort seiner staatstragenden und religiösen Rituale. Auch nachdem die Residenzen der assyrischen Herrscher nach Kalchu und Ninive verlegt worden waren, wahrte Assur seine Rolle als religiöses Zentrum des assyrichen Reiches bis zu dessen Ende im Jahr 614 v. Chr. Die Funde aus der Grabung wurden zwischen dem Osmanischen und dem Deutschen Reich geteilt. Auf diese Weise gelangte ein Teil der Funde in das Archäologische Museum in Istanbul, der andere Teil nach Berlin, wo er heute im Vorderasiatischen Museum (VAM) auf der Berliner Museumsinsel aufbewahrt wird. Die umfangreichen schriftlichen Unterlagen und Aufzeichnungen aus der Grabung liegen im Archiv der Deutschen Orient-Gesellschaft.

Die Ergebnisse der Ausgrabung wurden in zahlreichen wissenschaftlichen Monografien und Artikeln bekannt gemacht. Sie konzentrierten sich vor allem auf die ausgegrabene Monumentalarchitektur und wesentliche Inschriftencorpora historischen, literarischen und juristischen Inhalts. Dagegen konnten die allermeisten Fundobjekte – insgesamt ca. 45.000 Stücke, die jetzt in der Datenbank des Assur-Projekts registriert sind – bisher noch nicht wissenschaftlich bearbeitet werden.

Seit Abschluss der Grabung gewonnene Erkenntnisse und besonders ungleich umfangreicheres archäologisches Vergleichsmaterial, als zur Zeit der Grabung und auch lange Zeit danach verfügbar war, eröffnen heute viele Möglichkeiten bisher nicht Bearbeitetes zu untersuchen, es in einen aussagekräftigen Kontext zu stellen, neue Fragen zu formulieren und die Funde so  der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Aus diesem Grunde wurde 1997 – nach einer Vorbereitungsphase von etwa fünf Jahren – das Assur-Projekt ins Leben gerufen. Es wird seitdem großzügig von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Das Assur-Projekt wird getragen von der Deutschen Orient-Gesellschaft, als der für Ausgrabung verantwortlichen Institution, und dem Vorderasiatischen Museum Berlin, in dem wesentliche Teile der Funde bewahrt werden. Die Freie Universität Berlin stellt seit Beginn des Projektes ihre logistische und personelle Infrastruktur zur Verfügung sowie auch finanzielle Mittel für den Druck aus dem Projekt hervorgehender Publikationen.

Seit 1997 beteiligen sich mehr vierig qualifizierte Wissenschaftler aus dem In- und Ausland mit großem Engagement am Assur-Projekt. Außerdem sind mehrere Zeichnerinnen und Fotograf(inn)en für das Projekt tätig. Es ist möglich gewesen, zahlreichen jüngeren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Chance zu geben, sich durch Magisterarbeiten, Dissertationen und Habilitationsarbeiten zu qualifizieren.

Literatur

W. Andrae, Das wiedererstandene Assur (1938, 2. Aufl. 1977)

J. Marzahn, B. Salje (Hrgb.), Wiedererstehendes Assur. 100 Jahre deutsche Ausgrabungen in Assyrien, Mainz (2003)

J. Renger, Assur 1903 - 2003. 100 Jahre Ausgrabung der DOG in Assur und ein Bericht über das Assur-Projekt, in: S. Parpola, R.M. Whiting (Hrgb.), Assyria 1995, Helsinki (1997), 261-279.

 

S. außerdem den Bericht in der Website

 

Wissenschafltiche Mitarbeiter und Bibliographische Übersicht über die abgeschlossenen und laufenden Arbeiten (Link)

 


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