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Materialität im Plural: Materialevokationen und Materialtransfer in transkultureller Perspektive

Vera-Simone Schulz

Lüsterkeramik, tauschierte Metallarbeiten, schillernde Seidengewebe: Im ausgehenden Mittelalter gelangten die unterschiedlichsten Artefakte aus dem Mittelmeerraum, dem Nahen Osten und Asien in die Toskana, regten die Lokalproduktion zu Imitationen und Neuschöpfungen an und stellten auch Maler vor immer neue Herausforderungen. Die Dissertation „Eindringliche Dinge: Mediterrane Verflechtungen, Transmaterialität und textile Ästhetik in Florenz und der Toskana, 1175-1450“, welche die italienische Halbinsel im Netz ihrer transmediterranen Kontakte begreift, nimmt den künstlerischen Umgang mit importierten Artefakten in den Blick, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf deren Rezeption in anderen Medien und Materialien liegt. Ob in Stein evozierte Seidenstoffe im Fußboden des Florentiner Baptisteriums oder zu Nimben transformierte Bronzeteller in den Goldgrundpartien toskanischer Tafelmalerei: Im Fokus stehen jeweils dynamische Wechselbeziehungen zwischen visueller und materieller Kultur, künstlerische Transferprozesse und Bild-Ding-Relationen in transkultureller Perspektive.

Ausgehend von der Dissertation sollen in dem DFG-Netzwerk „Präsenz und Evokation. Fingierte Materialien und Techniken im frühen und hohen Mittelalter“ Materialevokations- und Materialtransferphänomene in dreierlei Hinsicht exploriert und weiter vertieft werden: (1) die Evokation der materiellen Qualitäten und Beschaffenheit eines Artefakts in anderen Materialien; (2) die Evokation des visuellen Effekts der technischen Gestaltung eines Artefakts in anderen Materialien; sowie (3) die Frage, ob die künstlerische Gestaltung von Artefakten wie etwa deren Muster und Ornamentik in Fällen des Transfers in andere Materialien auch eine Referenz auf die spezifische Materialität des Ausgangsobjekts birgt. Durch die Fokussierung auf (materielle und materialevozierende) Interrelationen zwischen Artefakten, welche traditionell verschiedenen ‚Gruppierungen‘ innerhalb des sogenannten ‚Kunstgewerbes‘ zugeordnet werden, sowie auf Interrelationen zwischen diesen und den sogenannten ‚hohen Künsten‘ wird nicht nur die Problematik dieser Kategorien aufs Neue vor Augen geführt. Auch die Unterteilung der Kunstgeschichte in separierte Subdisziplinen wie etwa italienische und islamische Kunstgeschichte wird durch die Untersuchung des intensiven künstlerischen transregionalen Austausches vor 1300, der Auseinandersetzungen mit importierten Luxusgütern und deren Auswirkungen auf die Lokalproduktion erneut hinterfragt. Deutlich werden wird dabei, dass gerade die Materialität bzw. Plurimaterialität von Importgütern wie etwa diejenige golddurchwobener Seidenstoffe oder Metallkunst evozierender Lüsterkeramik auf unterschiedliche Medien impulsgebend wirkte.