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Jenseits der Täuschung. Mittelalterliche Gemmen aus Glas

Undiho und Ello, sog. Teuderigus-Reliquiar, 2. Hälfte 7. Jh. (?), Saint Maurice d'Agaune, Schatzkammer

Undiho und Ello, sog. Teuderigus-Reliquiar, 2. Hälfte 7. Jh. (?), Saint Maurice d'Agaune, Schatzkammer
Bildquelle: Trésor de l'Abbaye de Saint-Maurice. Photo Jean-Yves Glassey et Michel Martinez (www.abbaye-stmaurice.ch)

Rebecca Müller

Mittelalterliche Glasgemmen ahmen antike Gemmen aus Stein in einem anderen Material nach. Aber was meint Nachahmung hier genau? Ist der Begriff des „Pseudokameos“ sinnvoll? Traditionell gelten die Antiken als normativ, und der Vergleich fällt für die Glaspasten in ihrer unantiken Formensprache und dem preiswerteren Material ungünstig aus, sie erscheinen als billige, grobe Imitate. Gerade die Unterschiede zu antiken Gemmen konterkarieren jedoch von vornherein das Ziel einer Täuschung. Zudem machen die aufwendige Herstellung, die Anbringung auf kostbaren Schatzobjekten und die oft prominente Platzierung darauf offensichtlich, daß diese Glasgemmen nicht billiger Ersatz sind. Das Projekt schlägt einen neuen Ansatz vor, indem es sie nicht als rückgewandte Imitate versteht, sondern als Skeuomorphe mit spezifischen visuellen Strategien und eigener Agenda. Das Vorhaben ist an den Schnittstellen von Kunstgeschichte, Klassischer wie Mittelalterlicher Archäologie und Wissensgeschichte ansiedelt. Ziel ist, Quellen zur Glasherstellung und Methoden der 'material culture studies' für bislang kaum untersuchte Objekte fruchtbar zu machen und zu einer Neubewertung früh- und hochmittelalterlicher Kunst und ihrem Verhältnis zur Antike beizutragen.