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Niello. Präsenz der „anderen“ Meisterschaft und der „eigenen“ Innovation

Bernwardleuchter, Silber, gegossen, vergoldet, punziert und nielliert über Eisenkern, um 1015, Fußteil, Schaftstücke, Knäufe und Oberteil (ohne Dorn) jeweils einzeln gegossen, Hildesheim, Dom-Museum

Bernwardleuchter, Silber, gegossen, vergoldet, punziert und nielliert über Eisenkern, um 1015, Fußteil, Schaftstücke, Knäufe und Oberteil (ohne Dorn) jeweils einzeln gegossen, Hildesheim, Dom-Museum
Bildquelle: Bernward von Hildesheim und das Zeitalter der Ottonen, Ausst.-Kat. Dom- und Diözesanmuseum Hildesheim, Bd. 2, hg. von Michael Brandt und Arne Eggebrecht, Hildesheim 1993, Kat. VIII-32.

Beate Fricke

Die Inschrift in Bischof Bernward von Hildesheims (gest. 1022) Paar von Kerzenständern betont die Einführung einer neuen Technik: Wie der Betrachter sehen könne werde hier mit seinem Auftrag erstmals ein Werk in dieser Kunst ausgeführt. Die Kerzenständer seien nicht aus Gold, und nicht aus Silber gemacht. Was hier als Innovation inszeniert wird, Niello, existierte jedoch schon vorher. Die Nielloarbeiten kamen bis zu diesem Zeitpunkt jedoch in erster Linie aus dem Nahen Osten, z.B. aus Ägypten und waren in zahlreichen Schatzkammern besonders bewunderte Objekte. Die elaborierteste Beschreibung der Technik (in lateinischen Schriftquellen) findet sich in den Schedula diversarum artium (auch De diversis artibus), zusammengestellt von dem Benediktiner Theophilus Presbyter (gest. 1125). Niello, ein Amalgam aus Silber, Kupfer und Bleisulphiden wurde als Inlay oder Füllung eines reliefierten Grundes verwendet. Die Technik war bereits im Griechenland der Antike, in Ägypten und im frühmittelalterlichen Angelsachsen bekannt und wurde auch von Byzantinischen Goldschmieden eingesetzt. Im lateinischen Westen war die Verwendung von mehr als zwei Metallen für Nielloarbeiten jedoch bis zum elften Jahrhundert praktisch unbekannt. Im Schatz von Leon (Spanien) findet sich nicht nur ein erstklassiges Niello-Kästchen aus Ägypten sondern auch ein Kästchen, dass von einem lokalen Goldschmied angefertigt wurde, der versuchte, die filigrane Meisterschaft in der “fremden” Technik zu imitieren – jedoch mit völlig anders aussehendem Ergebnis. Der Vergleich dieser beiden Objekte ermöglicht grundlegende Einsicht in das fruchtbare Verhältnis zwischen Inspiration durch die Präsenz “anderer” Techniken und der Arbeit an einer innovativen Technik.