Der koreanische Schamanismus und sein Wirken auf Buddhismus und Konfuzianismus
"Korea ist eine konfuzianische Gesellschaft! " – Beschäftigt man sich mit Korea, so stößt man sehr schnell auf diese Aussage. Doch trifft sie auch wirklich zu oder handelt es sich hierbei nur um eine oberflächliche Darstellung?
Die koreanische Gesellschaft, sowohl im Norden als auch im Süden, ist tatsächlich nach wie vor vom Konfuzianismus geprägt, jedoch lohnt es sich hier, eine differenzierte Betrachtung vorzunehmen, denn einige Geschichts- und KulturwissenschaftlerInnen vertreten die Ansicht, dass auf der koreanischen Halbinsel spätestens seit der Koryǒ-Dynastie (918 - 1392) ein religiöser Pluralismus herrschte, bei dem sowohl konfuzianische als auch buddhistische Lehren und schamanische Riten verbreitet waren, sich gegenseitig beeinflussten und die verschiedenen Lebensbereiche und Schichten der koreanischen Gesellschaft durchdrangen. Auch im heutigen Südkorea kann eine synkretistische Ausübung der Gebräuche beobachtet werden. So hält z.B. ein Mitglied einer christlichen oder buddhistischen Glaubensgemeinschaft die konfuzianische Ahnenzeremonie und schamanische Rituale für Berggeister ab und wählt den kriterien des Fenk Shui (kor. p'ungsu) entsprechend den Grabplatz für seinen Vorfahren aus.
" (...) the primal religion [Schamanismus] did not disappear but became transformed into a folk religion which existed as the substratum of Korean religious experience."
(James H. Grayson. 2002. Korea a Religious History. London: RoutledgeCurzon, S. 217)
Dem Zitat von James H. Grayson entsprechend, stellt sich, bei einem Rückblick auf die Entwicklung der koreanischen Religionsgeschichte, die Frage, ob nicht vielmehr die ethnische Religion des Schamanismus (kor. mugyo oder musok) die religiöse Grundlage der koreanischen Gesellschaft darstellt.
Das vorliegende Kapitel des E-Learning zur Kultur und Gesellschaft Koreas soll einen Einblick in die historische Entwicklung, Riten und Konzepte des koreanischen Schamanismus, mit besonderem Fokus auf die Koexistenz und Vermischung seiner Riten mit denen des importierten Buddhismus und Konfuzianismus, geben.