Springe direkt zu Inhalt

Von Geistern, Medium und Ekstase - Vorstellungen des Schamanismus

changsŭng (schamanischer Totempfahl) vor dem Institutsgebäude der Koreastudien FU Berlin

changsŭng (schamanischer Totempfahl) vor dem Institutsgebäude der Koreastudien FU Berlin
Bildquelle: Lux, Gabriel Dae-in

Die Welt der Götter, Geister und Seelen

Im schamanischen Glauben ist die Welt beseelt von endlos vielen Gottheiten und Geistern. Anders als im Urschamanismus Sibiriens lassen sich Geister weniger in Tieren sondern in Objekten der Natur und menschlichen Handwerks nieder. Sie bewohnen alles vom Baum und Stein bis hin zur Stadtmauer und dem Seil. Geister und Gottheiten, die sich Flüsse, Berge und Himmelskörper zur Heimat machen, spielen eine besonders große Rolle in schamanischen Riten. In plastischen und narrativen Darstellungen nehmen sie zumeist menschliche Formen an.
Darüber hinaus existiert auch ein über alles herrschender Himmelsgott (kor. hanŭllim, sinokor. ch'ŏnsin). Er nimmt aber keine Gestalt an sondern herrscht als moralische Existenz über die Gesetze des Universums und hört sich die Bitten der Menschen an.

Die Schamanin als Medium zwischen den Göttern und Menschen

Die zentrale Rolle im Schamanismus hat die – in der koreanischen Geschichte vorwiegend weibliche – Schamanin (auf Koreanisch seit der Chosŏn-Dynastie vornehmlich mudang) inne, die als Medium zwischen der übersinnlichen und der menschlichen Welt fungiert. Ihre gesellschaftlichen Funktionen betreffen die folgenden drei Bereiche: 1. saje – Priesterin und Leitung religiöser Feste, 2. muŭi  Diagnose und Heilung von Krankheiten , 3. chŏmmu  Weissagung & Urteil über Glück und Unglück.

Über die jahrtausendlange Geschichte des koreanischen Schamanismus hinweg haben sich die verschiedensten Arten und Bezeichnungen für SchamanInnen herausgebildet, von denen im vorliegenden E-Learning Kapitel zumindest die Wichtigsten vorgestellt werden sollen. So spielt zum Beispiel die Art der Schamaninnenwerdung  eine entscheidende Rolle bei ihrer Bezeichnung:
Die sogenannten kangsinmu werden auf metaphysische Art zur Schamanin berufen. Sie tragen einen Geist in sich und sind, nachdem ein Geist sich in den Körper der Schamanin niederlässt mehrere Tage lang von der göttlichen oder schamanischen Krankheit (kor. sinbyŏng / mubyŏng)  befallen. Die kangsinmu sind besonders nördlich des Han-Flusses anzutreffen.
Südlich des Han-Flusses sind dagegen die sesŭbmu in der Mehrheit. Sie gelangen zu ihrer Profession nicht durch göttliche Auslese. Ihnen wird der Status der Schamanin mütterlicherseits vererbt.

Schamanin beim kut

Schamanin beim kut
Bildquelle: Wikimedia Commons - By hplouffe [CC BY 3.0]

Darüber hinaus gab es einerseits "Stammschamaninnen", sog. tan'gol mudang, die für die Ausführung saisonaler und  ereignisbasierter Rituale (Neujahr, Erntezeit, Geburten, Hochzeiten, Todesfälle uvm.) für ein bestimmtes Dorf oder eine Region zuständig waren und andererseits tolmudang, die, oft unausgebildet und sich als Lehrlinge ausgebend, von Dorf zu Dorf wanderten und  Wahrsagungen und einfache Rituale anboten. 

Es gab auch männliche Rollen im Schamanismus. Der eher selten anzutreffende männliche Schamane wird paksu genannt und der mubu, der Ehemann einer Schamanin, dient seiner Ehefrau beim rituellen Ablauf. Später in der Chosŏn-Dynastie, als die Konfuzianisierung schamanischer Rituale fortschritt, übernahmen auch Männer, sogenannte che'gwan, die leitende Rolle bei den wichtigsten Dorf- & Provinzriten.

Kut – Ekstase durch Tanz und Gesang

Die bis hierher angesprochenen Riten oder Rituale sind das Kernelement der schamanischen Praxis, bei denen der Himmelsgott oder andere Gottheiten angerufen werden. Diese sogenannten kut  werden von einer Schamanin ausgeführt, die sich mit Hilfe von Gesang und Tanz in Ekstase begibt, um die Gebete und Wünsche einer Familie, des Dorfes, der Provinz oder sogar der Nation an die entsprechenden Gottheiten und Geister weiterzutragen und ihr Wohlwollen in Austausch von Speise und Trank zu gewinnen. So gibt es die verschiedensten Arten von kut , die sich je nach historischem, gesellschaftlichem und regionalem Kontext unterscheiden und in ihrem Ablauf noch weitere Unterarten des kut beinhalten können:
maŭl-kut: Ritualsystem für den Schutz und Wohlergehen eines Dorfes
koŭl-kut: Ritualsystem für den Schutz und Wohlergehen einer Provinz
pyŏlsin-kut: Ritual des maŭl-kut zum Schutz vor Krankheiten und Unheil
sinnaerim-kut: Prüfungsritual, bei dem die angehende Schamanin von einem Geist befallen wird und u.A. die sinbyŏng, die göttliche Krankheit, erfährt.
Kkotmaj'i - Willkommensritual für die ersten Blüten im Frühling
Paetgosa - Ritual im Fischerboot für einen ergiebigen Fischfang
Kiuje - Regenritual
Es existieren noch viele weitere kut für u.A. Gesundheit, Vertreibung böser Geister, ertragreiche Ernte, Wohlergehen und Reinigung der Seelen der Verstorbenen, doch würde die Aufzählung aller Rituale den Rahmen dieser Plattform sprengen.

AKS
IKSLogo_Neu2