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Selbstperipherisierung – Auslegungen des Sadae-Konzepts in Korea

Kangnidokarte (kor. Honil Kangni Yŏkdae Kukdo Chido, dt. Karte von historischen Ländern Metropolen und Regionen), um 1402

Kangnidokarte (kor. Honil Kangni Yŏkdae Kukdo Chido, dt. Karte von historischen Ländern Metropolen und Regionen), um 1402

Koryŏ

Zur Zeit Koryŏs (918–1392) waren die innenpolitische, sowie außenpolitische Lage vor allem gegen Ende hin recht instabil. Aufgrund von innenpolitischen Spannungen im 12. Jahrhundert, kam es 1170 zu einem Militärputsch, bei dem der Ch’oe-Clan an die Macht kam und der König nur noch eine repräsentative Rolle einnahm. Die Militärdiktatur hielt sich bis in die 1260er Jahre, doch war sie durch die Angriffe der Mongolen seit 1231 stark geschwächt worden. Diese gründeten 1271 in China die Yuan Dynastie und machten kurze Zeit darauf Koryŏ zu einem ihrer Vasallenstaaten und verpflichteten es zu Tributzahlungen.

König Kongmin (r. 1351 - 1374)

König Kongmin (r. 1351 - 1374)

Die koreanische Königfamilie stand diesen Entwicklungen jedoch nicht unbedingt kritisch gegenüber, da sie hoffte dadurch zumindest einen Teil ihrer Macht wiedererhalten zu können, schließlich blieb Koryŏ als politische Einheit intakt. Diese Beziehung zwischen Koryŏ und Yuan kann also als eine Sadae-Beziehung bezeichnet werden, die stark von realpolitischen Abwägungen beeinflusst wurde. Aus diesem Grund ist es auch nicht überraschend, dass, als eine Niederlagen der Yuan gegenüber den Ming um die 1350er Jahren abzusehen war, König Kongmin, der letzte König Koryŏs, nicht zögerte direkt eine Sadae Beziehung mit Ming, den neuen Herrschern Chinas, einzugehen.

Zu der Zeit kamen auch der Neokonfuzianismus und seine Ideen aus China nach Koryŏ. Er wurde von den Gelehrten als Chance gesehen, das Land wieder stabilisieren zu können, jedoch wurden die neokonfuzianischen Ideen zu der Zeit nur sehr selektiv übernommen. Sinozentrismus, sowie die Unterscheidung in Hwa und I, Zivilisierte und Barbaren, spielten eine untergeordnete Rolle. Eine solche Entwicklung lässt sich auch beim Charakter der Sadae Beziehung zu der Zeit erkennen, da es an erster Stelle um die Sicherheit des Landes ging, wählte man den Partner auf Grundlage der realpolitischen Machtverhältnisse und nicht aufgrund seiner möglichen kulturellen Überlegenheit.

Dynastiewechsel von 1392

König T'aejo (r. 1392 - 1398)

König T'aejo (r. 1392 - 1398)

Die Auswirkungen des Dynastiewechsels Yuan/Ming (1368) waren auch in Korea deutlich zu spüren. Nach jahrelanger Ausbeutung der unteren Schichten durch die Oberschicht geriet die innere soziale Ordnung des Landes ins Wanken und durch den Dynastiewechsel angetrieben, versuchte man die ehemals von den Yuan gestützte Machtelite zu beseitigen. In diesem Zusammenhang ergriff General Yi Sŏng-gye (später König Taejo) mithilfe eines Staatsstreichs die Macht und gründete 1392 die Chosŏn Dynastie (1392–1910).

Jedoch standen die ersten Herrscher der Chosŏn Dynastie vor dem Problem, die Legitimität ihrer Herrschaft zu beweisen, da sie den vorherigen König ja gestürzt hatten. In dem Glauben, dass außenpolitische Stabilität innere Stabilität mit sich bringen würde, versuchte die neue Machtelite die Anerkennung ihrer Machtübernahme von Ming zu erhalten, um als rechtmäßige Throninhaber anerkannt zu werden. Zum Erreichen dieses Ziels versuchte man sich die chinesische Kultur anzueignen. Das bedeutete, dass zunächst der Neokonfuzianismus als neue Staatsideologie übernommen und der Buddhismus zurückgedrängt wurde. Sie unterwarfen sich komplett dem sinozentristischen Weltbild.

Chosŏn

Unter König Sejong (r. 1418 - 1450) wurde die Sadae Beziehung sehr dogmatisch und auch die essentialistische Sichtweise Zhu Xis auf Sadae und Hwa I gewann an Aufmerksamkeit in Korea. Zu Zhu Xis (1130–1200) Zeit war die chinesische Song Dynastie (960–1279) von dem Mongolen im Norden bedroht, die später die Yuan Dynastie gründeten. Aufgrund dieser Bedrohung wurden die Ansichten Zhu Xis, vor allem auf Sadae und Hwa I, sehr essentialistisch und er sprach den Han-Chinesen eine ethnische kulturelle Überlegenheit zu, zur Stärkung des Nationalbewusstseins des chinesischen Volkes, um sich gegen den Norden behaupten zu können. Da für ihn die Han Chinesen kultiviert waren, aufgrund der Tatsache, dass sie Han Chinesen waren, sah er die Volksstämme im Norden als niedere Barbaren an.

Für König Sejong war während seiner Amtszeit die hierarchische Unterordnung des Individuums unter den König ein wichtiger Punkt. Er war in dem Glauben, dies nur erreichen zu können, wenn er sich dem chinesischen Zentrum unterwarf, damit das Volk sieht wie ehrwürdig er sich verhält und sich dementsprechend auch ihm unterwerfen würde. Aus diesem Grund weigerte er sich, weiterhin die Himmelsrituale durchzuführen, da er der Auffassung war, dass diese Zeremonien nur vom Sohn des Himmels, dem chinesischen Kaiser, durchgeführt werden dürften. Auch zeigte Chosŏn insgesamt ein sehr großes Interesse an der Kultur der Ming-Dynastie und dem Erlernen dieser, was die Ming Chosŏn gegenüber auch sehr freundlich stimmte. Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts war die Beziehung zwischen diesen beiden Ländern daher sehr friedlich und harmonisch.

K;nig Sejong (r. 1418 - 1450)

K;nig Sejong (r. 1418 - 1450)
Bildquelle: Lux, Gabriel Dae-in

Aufgrund dieses Friedens und da für Chosŏn von Ming keine militärische Gefahr ausging, entwickelte sich in Chosŏn ein politisches System, in dem die Gelehrten herrschten und das Militär lediglich eine untergeordnete Rolle spielte. Nicht zuletzt deshalb, weil die Herrschaft des Militärs Ende der Koryo Zeit das Land in den Ruin getrieben hatte. In Chosŏn war man deshalb sehr darauf bedacht, den Einfluss des Militärs kleinzuhalten und auch den Einfluss des Militärs auf die Regierung zu unterbinden. Dies war aber wiegesagt nur möglich, da die Ming keine militärische Bedrohung darstellten. Aufgrund der folgenden friedlichen 200 Jahre waren die Gelehrten Chosŏns der Auffassung für immer alles Übel abwehren können, solange sie ihrem zivilisierten Zentrum – der Ming-Dynastie – dienen.

1591 wurde Chosŏn dann von den Japanern angegriffen. Da Chosŏn in keiner Weise im Stande war, sich selbst zu schützen, floh König Sŏnjo in den Norden des Landes. Ming Truppen griffen in den Krieg ein, als Toyotomi Hideyoshi öffentlich bekannt gab, China einnehmen zu wollen. Wäre Chosŏn gefallen, hätte das eine direkte Bedrohung Chinas durch die Japaner bedeutet. Gleichzeitig bezeichneten die chinesischen Generäle gegenüber Chosŏn ihr Eingreifen jedoch als Unterstützung aus Mitleid mit dem koreanischen Volk. Die Gelehrten Chosŏns verbreiteten und propagierten diese Ansicht während sie argumentierten, Chosŏn müsse aus genau diesem Grund China auf ewig loyal und untergeben sein. Jedoch hatte das Volk nicht nur unter den japanischen Truppen gelitten, sondern auch unter den chinesischen.

Die Oberschicht zeigte Ming China jedoch deutlich ihre tiefe Dankbarkeit. Diese brachte sie sogar dazu, trotz der realpolitisch immer stärker werdenen Qing (Mandschuren), weiterhin den Ming loyal zu bleiben. Als 1627 Qing Chosŏn angriff, hatte dieses keine Mittel um sich zu verteidigen und bat Ming erneut um Hilfe, jedoch war Ming zu der Zeit selbst zu geschwächt, um helfen zu können. 1633 musste sich Chosŏn den Qing ergeben und wurde gezwungen, eine Sadae Beziehung mit ihnen einzugehen. Qing bestimmte weiterhin, dass Chosŏn sich von Qing die Anerkennung ihrer Könige holen müsse und Chosŏn Qing loyal folgen solle. Chosŏns Elite unterwarf sich formell zwar den Qing, zählte aber weiterhin in Ming Jahren und führte auch weiterhin die Rituale für Ming durch, da sie sich immer noch verantwortlich fühlte, loyal gegenüber Ming sein zu müssen. Auch waren die Mandschuren für sie unzivilisierte Barbaren und konnten dem Weltbild der Gelehrten nach gar nicht zum Zentrum werden. Das implizierte, dass Chosŏn sich stattdessen als Nachfolger des Zentrums fühlte, beziehungsweise als Platzhalter bis zur erhofften Rückkehr der Ming. Chosŏn wollte jedoch nicht selbst den Platz als Zentrum einnehmen, es sah sich lediglich als kleines Kulturzentrum (Sojunghwa).

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