Springe direkt zu Inhalt

’Diplomatische Geschenke’ als hermeneutisches Problem der Akkulturationsforschung: Der Einfluß der Griechen auf die Skythen der Grassteppe

Institution:

DFG-Schwerpunktprogramm 1065: Formen und Wege der Akkulturation im östlichen Mittelmeerraum und Schwarzmeergebiet in der Antike

Projektleitung:
[Projektleitung verlinken]

 Dr. Martin Langner

Mitarbeiter/innen:

Dr. Patric Kreuz (wiss. Mitarbeiter)

Förderung:
DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft)
Projektlaufzeit:
01.08.2005 — 31.03.2007

Die besondere Bedeutung diplomatischer Geschenke, ihre Rolle als Träger kulturellen Austauschs, aber auch die methodischen Grenzen ihrer archäologischen Beurteilung stehen im Mittelpunkt des archäologischen Forschungsprojekts. Während die große Bedeutung des ritualisierten Gabenaustauschs auch für die antiken Gesellschaften aus literarischen Quellen bekannt und erforscht ist, bereitet es nach wie vor große Schwierigkeiten, derartige Geschenke im archäologischen Fundmaterial zu identifizieren. Diesem methodischen Problem soll am Beispiel des berühmten „Gold der Skythen“ auf den Grund gegangen werden: Prunkwaffen und Gefäße des 5. und 4. Jh. v. Chr. aus Edelmetall, die in der heutigen Ukraine, Rußland und Georgien als Grabbeigabe in prunkvollen Bestattungen der skythischen Aristokratie gefunden wurden.

Unter den Prestigeobjekten sind sowohl Erzeugnisse skythischer Handwerker als auch Objekte nichtskythischer Provenienz, die in den griechischen Städten des nördlichen Schwarzmeergebiets produziert wurden. Die bisherigen Thesen gehen dahin, dass es sich entweder um Auftragsarbeiten der skythischen Elite oder aber um diplomatische Gastgeschenke handelt. Um hier zu einer Lösung zu kommen, will das Projekt in erster Linie diese Prachtstücke mit Hilfe einer Bilddatenbank in ihren ursprünglichen, meist nicht hinreichend publizierten Kontext zurückversetzen.

Abb. 1: zeichnerische Rekonstruktion des Fundkontextes der Bestattung
im Solocha-Kurgan [nach: Das Gold der Skythen, Ausst.München (1984) 89]

Im Solocha-Kurgan wurde der Verstorbene in voller Rüstung mit Schwert und Köcher bestattet (Abb. 1). Eine goldene Opferschale (Phiale) und ein zweiter, goldbeschlagener Goryt waren in einer Nische separiert versteckt, was mehrfach festzustellen ist. Diesen Beigaben muß also eine andere Wertigkeit zugekommen sein als den direkt beim Toten abgelegten Waffen.


Abb. 2: Goldener Schwert- und Gorytbeschlag aus dem
Fünf-Brüder-Kurgan [nach Steppengold, Ausst. Frankfurt a.M. (2003) 83. 87]

 

Doch ist die Zahl der mit Edelmetall verzierten Waffen grundsätzlich gering. Aus nur neun Kurganen des Steppengebietes sind edelmetallverzierte Waffen bekannt, darunter fünf goldbelegte Schwerter oder Schwertscheiden (Abb. 2a) und sechs edelmetallbeschlagene Köcher, sog. Goryte (Abb. 2b). Identische Goryte und Schwertscheiden fanden sich in mehreren geographisch weit auseinander liegenden Elitegräbern, u.a. sogar im sog. Philippsgrab in Makedonien.

In mindestens drei Gräbern wurde dem Toten ein Set aus Goryt und Schwertscheide beigegeben, das in zwei Fällen aus denselben Matrizen stammt. Diese Gleichartigkeit in Kombination und Dekor könnte darauf hinweisen, daß sie als Ensemble erworben wurden, wobei ihrer weite Verbreitung die These des Geschenkaustausches erhärten könnte.

In der Fremdartigkeit, dem hohen Materialwert, der Inszenierung im Grab und der weiten geographischen Verbreitung dieser goldenen Waffen und Gefäße liegt vermutlich der Schlüssel zur Identifizierung ihrer ehemaligen Funktion. Auf der neu geschaffenen Grundlage lassen sich dann nicht nur die Frage nach der Bedeutung der entsprechenden Objekte klären, sondern auch grundsätzlich der Umgang der skythischen Elite mit Importen untersuchen und durch einen Vergleich mit ähnlichen Phänomenen in anderen antiken Staaten und Kulturen kontrastieren. In einem zweiten Schritt sollen die Daten für übergeordnete Fragestellungen nach der Art des Kontakts zwischen den beiden in dieser Region aufeinandertreffenden gegensätzlichen Kulturen der Griechen und Skythen nutzbar gemacht werden.