Springe direkt zu Inhalt

Zeichen – Körper – Macht. Politische ‚Personifikationen‘ im römischen Reich

Fortuna (Göttin des positiven Schicksals) mit Füllhorn und (ehemals) Steuerruder.  Statue des 2. Jhs. n. Chr. Original: Berlin, Antikensammlung. Abguss: Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin.

Fortuna (Göttin des positiven Schicksals) mit Füllhorn und (ehemals) Steuerruder. Statue des 2. Jhs. n. Chr. Original: Berlin, Antikensammlung. Abguss: Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin.
Bildquelle: Foto: Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin.

Göttin mit Füllhorn, Kornähren und Schiffsbug als Garantin der Getreideversorgung Roms. Römische Münze des 2. Jhs. n. Chr. Abguss: Abguss-Sammlung Antiker Plastik der Freien Universität Berlin

Göttin mit Füllhorn, Kornähren und Schiffsbug als Garantin der Getreideversorgung Roms. Römische Münze des 2. Jhs. n. Chr. Abguss: Abguss-Sammlung Antiker Plastik der Freien Universität Berlin
Bildquelle: Foto: Lorenz Winkler-Horaček

Concordia (Göttin der Eintracht) mit Füllhorn und Ähren. Aureus des Vespasian, 70 n. Chr. Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin

Concordia (Göttin der Eintracht) mit Füllhorn und Ähren. Aureus des Vespasian, 70 n. Chr. Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin
Bildquelle: Foto: Reinhard Saczewski, Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin (https://ikmk.smb.museum/home unter der Nummer Nr. 18211013)

Salus (Göttin des Staatswohles) mit Schlange an eine Säule gelehnt. Denar des Domitian, noch unter Vespasian geprägt, 79 n. Chr. Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin

Salus (Göttin des Staatswohles) mit Schlange an eine Säule gelehnt. Denar des Domitian, noch unter Vespasian geprägt, 79 n. Chr. Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin
Bildquelle: Foto: Dirk Sonnenwald, Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin (https://ikmk.smb.museum/home unter der Nummer 18231849)

Victoria (Göttin des Sieges) auf dem Globus. Statue der Victoria von Calvatone. 2. Jh. n. Chr. Original ehemals Berlin, Antikensammlung; heute St. Petersburg. Abguss: Abguss-Sammlung Antiker Plastik der Freien Universität Berlin

Victoria (Göttin des Sieges) auf dem Globus. Statue der Victoria von Calvatone. 2. Jh. n. Chr. Original ehemals Berlin, Antikensammlung; heute St. Petersburg. Abguss: Abguss-Sammlung Antiker Plastik der Freien Universität Berlin
Bildquelle: Foto: Lorenz Winkler-Horaček

 Studierende bei der Arbeit in der Abguss-Sammlung Antiker Plastik

Studierende bei der Arbeit in der Abguss-Sammlung Antiker Plastik
Bildquelle: Foto: Lorenz Winkler-Horaček

Die Victoria auf dem Brandenburger Tor ist das Wahrzeichen Berlins, ebenso wie die Freiheitsstatue dasjenige New Yorks. Beide setzen gleichermaßen Ideen in ein Bildwerk um. Eine solche ‚Verkörperung‘ politischer Begriffe ist seit der Antike bekannt. Aber anders als heute wurden diese ‚Personifikationen‘ im römischen Reich auch als Gottheiten kultisch verehrt, die ‚Idee‘ war also gleichzeitig eine unmittelbare göttliche Wirkmacht.

Für zahlreiche dieser ‚Personifikationen‘ entwickelte sich in der Bilderwelt der römischen Kaiserzeit ein Zeichensystem heraus, mit dem ihre Inhalte über die reine Präsenz als Gottheiten hinaus visuell kommuniziert wurden. Insbesondere im Aushandlungsprozess der Macht zwischen römischem Kaiser und den relevanten Gruppen des römischen Reiches (Heer, Senat, Volk von Rom und andere) spielten diese Bilder eine große Rolle. Sie visualisierten die an den Kaiser herangetragenen Erwartungen: Friede, Sieghaftigkeit, Eintracht mit Senat, Heer oder auch Eintracht innerhalb der kaiserlichen Familie ebenso wie die kaiserlichen Tugenden Tapferkeit, Frömmigkeit, Gerechtigkeit und andere. Im Gegenzug repräsentierte sich der Kaiser durch die Bilder der Gottheiten als derjenige, der dieser Erwartungen erfüllte.

Entscheidend für das Verständnis dieser Kommunikation ist es, die Bilder mit ihren Zeichen selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Hier spielen Münzen eine entscheidende Rolle, aber auch Statuen, Reliefs und andere Medien. Die bildeigenen Aussagen sind dabei wichtiger für das Verständnis als eine genaue Benennung der jeweiligen Gottheit als ‚Pax‘, ‚Fortuna‘ oder ‚Concordia‘. Auszugehen ist von den zeichenhaften Attributen der Gottheiten mit ihren jeweils bildimmanenten Bedeutungen, die auch von unterschiedlichen ‚Personifikationen‘ genutzt werden können. Sie definieren semantische Felder, innerhalb derer dann mit der konkreten Personifikation auf spezifische politische Situationen visuell reagiert werden kann. Über die zeichenhaften Attribute hinaus spielen auch Körperkonzepte eine wichtige Rolle: Vielfach handelt es sich – besonders auf den Münzen – um standarisierte Körper-Gewand-Schemata. Zusammen mit den Attributen ergeben sie ein flexibles Baukastensystem. Abweichungen von diesen standardisierten Körpern sind vor diesem Hintergrund aufschlussreich und können ebenfalls auf spezifische Bedeutungen oder auf besondere Erkennbarkeiten hinweisen.

Die Erforschung der Zeichen und Körperkonzepte zeigt auf, wie mit Bildern im römischen Reich in ganz konkreten politischen Situationen kommuniziert werden konnte. Das wird an Fallbeispielen im historischen Kontext exemplarisch untersucht. Auch wird das wechselseitige Verhältnis der Bilder in den verschiedenen Gattungen – Münzen, Statuen, Reliefs – analysiert.

Geplant sind eine Reihe von Einzelaufsätzen sowie eine größere Sonderausstellung in der Abguss-Sammlung Antiker Plastik (2026) einschließlich eines wissenschaftlichen Begleitbuches. Für die Ausstellung wird zusammen mit Studierenden ein Konzept entwickelt, durch das das komplexe Thema einer fachfremden Öffentlichkeit präsentiert werden kann. Wir verbinden das Projekt zudem mit der Erschließung der Abgüsse römischer Münzen in der Abguss-Sammlung Antiker Plastik.

 

Projektleitung:

Prof. Dr. Lorenz Winkler-Horacek

 

Team:

Dr. Annegret Klünker, Berlin

Studierende der Freien Universität Berlin

 

Kooperationspartner:

Prof. Dr.-Ing. Martin Kim, Digital Humanities, Technische Hochschule Mannheim

Leihgeber für die Ausstellung:

Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin

Museum für Abgüsse Klassischer Bildwerke München

Antiken- und Abguss-Sammlung der Universität Tübingen

Publikationen:

A. Klünker, Concordia, Felicitas, Fortuna. Münzbilder politischer Gottheiten und Herrschaft in Rom. Image & Context 26 (Überarbeitete Dissertationsschrift Berlin 2022, erscheint 2026)

L. Winkler-Horaček, Wenn der Kaiser durch die Götter spricht: Visuelle Kommunikation zwischen Machterhalt und Religion im römischen Reich, in: E. Schlatter – B. Trînca (Hrsg.), Zwischen Mensch und Gott. Religiöse Kommunikationsszenarien in der Vormoderne (in Vorbereitung zum Druck).

L. Winkler-Horaček, Parthersieg und cista mystica. ‚Tradition’ und ‚Reduktion’ in Münzbildern unter Vespasian und Titus: Zwei Fallbeispiele, in: N. Kramer – Chr. Reitz (Hrsg.), Tradition und Erneuerung. Mediale Strategien in der Zeit der Flavier (Berlin/New York 2010) 457-481.

L. Winkler-Horaček, Salus. Vom Staatskult zur politischen Idee. Eine archäologische Untersuchung. Archäologie und Geschichte 4 (1995).