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Projekt

Religionskritik, Nationalismus und Positivismus im ausgehenden 19. Jahrhundert im Lichte einer transregionalen Ideengeschichte

 

TransIranIdee - Mīrzā Āqā Khān Kermānī und die transregionale Geschichte der Aufklärung. Religionskritik, Nationalismus und Positivismus im ausgehenden 19. Jahrhundert und das Denken eines iranischen Intellektuellen im Exil

TransIranIdee ist ein Forschungsprojekt zur Philosophie- und Ideengeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts (finanziert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung). Übergeordnetes Ziel des Projektes ist es, das Großnarrativ bzw. Metanarrativ der Aufklärung durch eine transeuropäische Perspektive zu korrigieren. Bis heute wird die Aufklärung als geistiges Phänomen oder als ideengeschichtliche Epoche meist als Exklusiverbe Europas bzw. „des Westens“ dargestellt. Außereuropäischen Entwicklungen wird dabei allenfalls ein epigonaler Charakter zugewiesen. Durch die Linse eines außereuropäischen „Mikronarratives“ in Form von Detailstudien zu Werk und Wirken des iranischen Denkers Mīrzā Āqā Khān Kermānī (1853-1896) werden exemplarisch Schriften zum Begriff der Nation, zur Religionskritik und zum philosophischen Positivismus untersucht, die der Intellektuelle und Regimekritiker 1886 – 1896 in seinem Exil im Osmanischen Reich (vorwiegen Istanbul) verfasst hat. Dadurch werden eurozentristische Zugänge zur Geschichte der Aufklärung hinterfragt und stattdessen deren intrinsisch transkulturellen Verflechtungen in den Blick genommen.

Die Untersuchung und Kontextualisierung der Schriften Mīrzā Āqā Khān Kermānīs erfolgt auf mehren Ebene.

  1. Erfassung des Textbestandes. Mīrzā Āqā Khān Kermānīs Schriften wurden überwiegend posthum veröffentlicht, einige davon erst Ende des 20. Jahrhundert, manche sind bisher unveröffentlicht. Das Projekt strebt eine möglichst genau Sichtung und annotierte Werkliste mit Ausgaben, Editionsgeschichte und Lokalisierung und Beschreibung vorhandener Handschriften und Lithographien an.
  2. Intellektuelle Biographie im Kontext. Das Projekt untersucht intellektuelle Diskurse und die Zirkulation von Texten und Begriffen im Kontext der Iranischen Exil-Community in Istanbul im ausgehenden 19. Jahrhundert durch die Linse Mīrzā Āqā Khān Kermānīs intellektuellen Werdegang im Kontext.
  3. Thematische Textanalyse. Ausgewählte Schriften Mīrzā Āqā Khān Kermānīs werden mit Blick auf die durch den Autor rezipierten Schriften, Begriffe und Ideen des Aufklärungsdiskurses, der islamischen Ideengeschichte und des Babismus hinsichtlich der Themen Religionskritik, Nationalismus und philosophischer Positivismus untersucht.
  4. Kontextuelle Untersuchung. Mīrzā Āqā Khān Kermānīs Werk, Wirken und Ideen werden im Kontext der und als Beitrag zu einer transregionalen Ideengeschichte der Aufklärung gedeutet.
  5. Aufbereitung Bio-bibliographischer Forschungsdaten. Die Schriften Kermānīs werden gezielt auf Bezüge zu Texten, Personen, Begriffen und Diskursen der islamischen und der europäischen Ideengeschichte hin untersucht. Diese Daten fließen nicht nur in die thematischen und kontextuellen Untersuchungen ein, Teil des Projekts auch ist die digitale Aufbereitung dieser Forschungsdaten (biographische, bibliographische und terminologische) in einer projektinternen Datenbank, die diese transregionalen Verflechtungen und Vernetzungen sichtbar und für die weitere Forschung nutzbar macht.

Das Projekt TransIranIdee leistet dadurch einerseits einen ein Beitrag zur modernen Ideengeschichte Irans, indem es die Schriften eines bedeutenden und zugleich ambivalenten iranischen Denkers des ausgehenden 19. Jahrhunderts untersucht. Andererseits zeigt sie unter Einbeziehung theoretischer Ansätze der globalen Ideengeschichte, dass sich das Werk Kermānīs als Teil einer transregionalen Geschichte der Aufklärung verstehen lässt, die deren eurozentrische Engführung zu überwinden vermag. Kermānīs Schriften werden zu diesem Zweck nicht allein textimmanent diskutiert, sondern nicht zuletzt auch darauf hin untersucht, auf welche Weise er verschiedene Strömungen des europäischen Aufklärungsdiskurses sowie der islamischen Geistesgeschichte, einschließlich der religiösen Erneuerungsbewegung des Babismus, miteinander verband. Darüber hinaus wird sein Denken in einer synchron-komparatistischen Perspektive betrachtet, indem es exemplarisch im Verhältnis zu europäischen Diskursen zu den Konzepten von Nation und Religion untersucht wird. Die Studien sowie die digital aufgearbeiteten Forschungsdaten sollen letztlich für eine die eurozentrische Engführung überwindende Ideengeschichte Modellcharakter haben.

 

 

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