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Interaktion und Wandel orientalischer Rechtssysteme. Transfer normativen Wissens am Beispiel des zoroastrischen und islamischen Rechts (7.-11. Jh.)

Projektbeschreibung

Gegenstand des Projektes ist das Zusammenwirken und der dadurch bedingte Wandel des zoroastrischen und islamischen Rechts in den ersten islamischen Jahrhunderten (7.-11. Jahrhundert). Davon ausgehend, dass Entstehung und Entwicklung der beiden religiösen Rechtssysteme neben endogenen auch durch exogene Faktoren bestimmt sein können, soll der Frage der ein- bzw. gegenseitigen Beeinflussung der verschiedenen Rechtskulturen in einem gezielt interdisziplinären Rahmen und unter Anwendung innovativer Methoden nachgegangen werden. Das Vorhaben trägt damit nicht nur zur weiteren Erhellung der Rechtsgeschichten des Mittleren und Vorderen Orients bei, sondern versucht vor allem eine systematische Beschreibung von Faktoren und Bedingungen, die Rechtsentwicklung in als "entwicklungsresistent" geltenden religiösen Kontexten ermöglichen.

Der hier fokussierte Untersuchungszeitraum erstreckt sich einerseits auf die frühe Entwicklungsphase des islamischen Rechts und andererseits auf das Fortwirken des zoroastrischen Rechts im Kalifat. Im Zuge der arabischen Eroberungen, die dem sassanidischen Reich als politischer Entität im 7. Jahrhundert ein Ende setzten, wurde der iranische Kulturraum dem islamischen Herrschaftssystem vollständig einverleibt. Bis ins 9. Jahrhundert hinein bildeten nicht-muslimische Gruppierungen die Mehrheit im Kalifat, wobei im Mittleren Orient der iranischstämmige Anteil – im wesentlichen zoroastrischer Orientierung – dominierte. Selbst konvertierte Zoroastrier fühlten sich weiterhin ihrer Kultur verbunden, wie sich deutlich an der im 8. Jahrhundert hervortretenden, überwiegend aus Iranern bestehenden, Šu‘ūbiyya-Bewegung zeigt. Auch das in persischen Netzwerken gepflegte und durch zeitgenössische Rechtstexte dokumentierte zoroastrische Recht lebte fort und stand damit in Konkurrenz zum islamischen Recht, das nach muslimischer Darstellung ausschließlich islamischen Ursprungs ist und bereits im 7. Jahrhundert in seinen Grundzügen entwickelt war. Insbesondere das im iranischen Raum vorherrschende šī‘itische Recht, das zunächst noch in hohem Maße mit hanafitischem Recht übereinstimmt, grenzt sich zunehmend vom sunnitischen Recht ab. Frappierende Ähnlichkeiten vor allem šī’itischer Rechtsfiguren mit dem zoroastrischen Recht (Zeitehe, Familienstiftung, Elemente des Erb- und Kaufrechts etc.) erlauben die Hypothese, dass mit der fortschreitenden Assimilierung iranischer Gruppierungen Elemente des zoroastrischen Rechts in das islamische Recht eindrangen. Aber auch umgekehrt ist eine Islamisierung zoroastrischen Rechts nicht auszuschließen, wie etwa die auffällige Konvergenz in der – wohl anderen Rechtskulturen entstammende – Rechtsquellenlehre vermuten lässt.

Am 27.3.2010 fand im Institut für Iranistik der Interdisziplinäre Workshop "Die Familie als Sozialverband in den orientalischen Rechtssystemen (3.-13. Jh.)" in Kooperation mit dem geplanten SFB statt.