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Jana Bruggmann

Die Erde vom All: Zur Genese einer kosmischen Perspektive in Deutschland und Frankreich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Die Betrachtung des Himmels war über Jahrtausende vom Blick nach oben dominiert. Um 1900 etablierte sich jedoch allmählich eine entgegengesetzte Perspektive, die den Blick vom Weltraum zur Erde lenkte: Bereits vor dem sogenannten Space Age und der Entstehung der Weltraumfotografien ‚Earthrise‘ (1968) und ‚Blue Marble‘ (1972) wurde die Erde als Stern im luftleeren Raum visualisiert und in Filmen, Zukunftsromanen und populärwissenschaftlichen Büchern entsprechend dargestellt. Dieses Dissertationsprojekt problematisiert gängige Narrative, die sich um die Weltraumfotografien ‚Earthrise‘ und ‚Blue Marble‘ herausbildeten. Es argumentiert, dass die kosmische Perspektive weder das Resultat sowjetischer noch amerikanischer Weltraumerschließung verkörpert. Vielmehr ist die Genese einer kosmischen Perspektive in Zusammenhang mit dem Aufkommen von Raumfahrtphantasien und der Neukonzeption des Weltraums unter wissenschaftlich-technischen Prämissen zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu verstehen. Während sich auf der Ebene des Bildmotivs eine erstaunliche Konstanz feststellen lässt, stellt sich gleichwohl die Frage nach der Vergleichbarkeit dieser Bilder. Repräsentierten sie tatsächlich die gleichen Ideen? Welchen Bekanntheitsgrad hatten frühe Darstellungen der Erde aus kosmischer Perspektive? Und waren diese in der Lage, zeitgenössische Wahrnehmungen von Welt und Weltraum entscheidend zu prägen?

Während sich erste Darstellungen der Erde aus kosmischer Perspektive in Frankreich eruieren lassen, gewannen diese insbesondere bei deutschen Ingenieuren, Autoren, Filmemachern und Wissenschaftlern an Popularität. Das Dissertationsprojekt legt einen besonderen Schwerpunkt auf Debatten in Wissenschaft und Populärkultur, in welchen Bilder eine wesentliche Grundlage bei der Aushandlung und Konstituierung neuer Ideen und Ideologien bildeten. An der Schnittstelle von Science Fiction und Science Fact gewähren frühe Darstellungen der Erde aus kosmischer Perspektive Einblick in den Wandel von Welt- und Weltraumvorstellungen. Die Untersuchung versteht sich demgemäß als Beitrag zur Visual History. Im Zentrum stehen nicht allein relevante Akteure, sondern in erster Linie die Aneignung des Weltraums anhand bildgebender Medien. Das Projekt fokussiert auf die Anfänge eines Prozesses, in welchem sich das Bild der Erde grundlegend wandelte und untersucht zugleich die Relevanz visueller Darstellungen im Kontext eines sich herausbildenden westeuropäischen Astrofuturismus.

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