Springe direkt zu Inhalt

Die zweite Phase

Zeit der auf Assimilation zielenden Kolonialpolitik (1920-1930)

Die japanische Militärregierung in Korea kündigte bereits im August 1919 eine Reform an, die eine Lockerung der politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Kontrolle beinhaltete. Statt eines Generals sollte nun ein Zivilbeamter Generalgouverneur werden, wozu es aber nicht kam. Eine normale Polizei ersetzte die bisherige Militärpolizei und das Schwert- und Uniformtragen der Lehrer in den Schulen wurde abgeschafft. Presse, Instituts- und Organisationsgründungen sowie öffentliche Versammlung wurden mit gewissen Einschränkungen erlaubt. Schon 1920 erfolgten die Gründung zweier koreanischer Zeitungsverlage sowie der Aufbau von Einrichtungen für Jugendliche und Intellektuelle. Im Bildungsbereich erhielten mehr Koreaner Zugang zur Lehre und die diskriminierende Behandlung der Koreaner im öffentlichen Bereich wurde untersagt.

Gebäude der Exilregierung in Shanghai

Gebäude der Exilregierung in Shanghai
Bildquelle: The Academy of Korean Studies

Die japanische Politik in Korea veränderte sich in den beginnenden 1920er Jahren zwar an der Oberfläche, blieb aber im Wesentlichen auf die Assimilierung der Koreaner ausgerichtet. Insbesondere die intellektuellen Jugendorganisationen vertraten die Politik der japanischen Regierung. Durch erzieherische Propaganda und Aufklärung sollte das Positive am neuen japanischen Leben vermittelt werden. Japan konnte dafür bedeutende koreanische Intellektuelle gewinnen, die in der japanischen Modernisierung und Zivilisierung die Zukunft des Landes sahen. Im Zusammenhang mit diesen japanischen Assimilationsvorhaben begann eine japanisch-koreanische Arbeitsgruppe 1922 mit der Erforschung der koreanischen Geschichte und veröffentlichte 1937 die „Geschichte Koreas“.

Auch im Bereich der Wirtschaftspolitik herrschte ein milderes Klima, seitdem 1920 das Unternehmensgesetz geändert worden war. Für die Gründung einer Firma wurde nicht mehr eine Erlaubnis der Regierung benötigt, sowohl für Japaner als auch für Koreaner reichte nun eine förmliche Anmeldung aus. Dies führte zu einer großen Zunahme an Investitionen auf der koreanischen Halbinsel, wobei hauptsächlich japanische Investoren von den billigen Arbeitskräften in Korea profitierten. Im Jahr 1930 betrug der japanische Kapitalanteil in Korea 62,4%, der koreanische 6,4% und der gemeinsam gehaltene 30,8%.

Trotz allem konnte sich in den 1920er Jahren eine koreanische Industriestruktur herausbilden, die im Schatten der japanischen Kolonialinteressen entstanden war. Die ökonomische Entwicklung hatte jedoch einen großen Nachteil: Der Reisexport nach Japan stieg enorm an. Zwar wurden neue Bewässerungsanlagen gebaut und die Nutzflächen für die Landwirtschaft ausgedehnt, doch der Reispreis in Korea erreichte eine ungeahnte Höhe, sodass die koreanische Bevölkerung darunter schwer zu leiden hatte. Während in Japan die Knappheit des Hauptnahrungsmittels Reis durch Importe aus Korea gelindert werden konnte, wanderten viele verarmte koreanischen Bauern ins Gebiet der chinesischen Mandschurei aus.

Im November 1919, sechs Monate nach dem Ende der 1. März-Bewegung, wurde in Shanghai eine koreanische Exilregierung gegründet, die zunächst die verstreut existierenden koreanischen Widerstandsgruppen unter einem Dach vereinen wollte. Allerdings fand die Exilregierung bis Mitte der 1920er Jahre zu keiner Geschlossenheit, da zwischen den verschiedenen ideologischen Gruppierungen, wie christlich konservative, nationalistische und kommunistische, zu große Meinungsunterschiede bestanden. Jedoch sah sie ihre Aufgaben darin, die Lage Koreas auf diplomatischem Weg weltweit bekannt zu machen und die Befreiungskämpfe organisatorisch zu unterstützen.

‚Koreanische Geschichte‘ des koreanischen Historikers Sin Ch’ae-ho (1880-1936)

‚Koreanische Geschichte‘ des koreanischen Historikers Sin Ch’ae-ho (1880-1936)
Bildquelle: The Academy of Korean Studies

Parallel zur Exilregierung bildeten sich in der mandschurischen Gegend verschiedene Unabhängigkeitsgruppierungen, die stark vom Sozialismus beeinflusst waren. Bereits 1918 wurde in Südostsibirien die „Koreanische Sozialistische Partei“ gegründet, die unter sowjetischem revolutionärem Einfluss stand. In den 1920er Jahren folgten weitere sozialistische und kommunistische Parteien in der chinesischen Mandschurei und im russischen Südostsibirien, die bis zur Befreiung 1945 existierten.

Während in der Mandschurei kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den japanischen Besatzungssoldaten und koreanischen Unabhängigkeitskämpfern stattfanden, bemühten sich die koreanischen Intellektuellen im Land um das Wieder- bzw. Neuerfinden der koreanischen Nation. Es erschienen Geschichtsbücher, die vorwiegend die ältere Geschichte behandelten und deren Absicht es war, das kontinuierliche Bestehen der koreanischen Nation zu verdeutlichen. Außerdem setzten sich Intellektuelle und Geistliche für ein kulturelles Nationalbewusstsein des koreanischen Volkes ein, indem sie die Bedeutung der Landessprache, der Volkskultur und insbesondere der Schulbildung der Jugendlichen hervorhoben. Unter der Kolonialherrschaft, in der die japanische Religion und Kultur dominierte und die koreanische Kultur allmählich zu verblassen begann, wurde so die Saat für ein koreanisches Nationalbewusstsein gelegt.

 

Hee Seok Park