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Gastvortrag: Benjamin Brosig (Academia Sinica, Taiwan)

19.11.2018 | 16:00 c.t.
Mongolische Personalpronomen

Mongolische Personalpronomen

Formen der Anrede und Selbstbezugnahme im Mongolischen

Wie sich Gesellschaften darin unterscheiden, wie sie zwischenmenschliche Beziehungen strukturieren, so unterscheiden sich ihre Sprachen darin, was sie davon ausdrücken können/müssen. Ein wichtiges Feld ist dabei die Beziehung zwischen Gesprächspartnern. Österreichisches Deutsch erfordert etwa eine feine Ausdifferenzierung nach gesamtgesellschaftlichem Status wie in Frau Oberstudienrätin, während man im Bundesdeutschen nur einige höhere Titel wie (Frau) Doktor teils noch verwendet. In der Familie gibt es Anredeformen wie Mama, die als Selbstbezeichnung dienen können, wenn man die eigenen kleinen Kinder anspricht. Pronominal werden du und Sie unterschieden.


Im Mongolischen der Hauptstadt Ulaanbaatar lässt sich unterscheiden zwischen einer unumgänglichen pronominalen Ebene und einer Ebene, die bestimmte gesellschaftliche Beziehungen beim Namen nennt. Auf ersterer unterscheidet man ebenfalls zwischen ta ‘Sie’ und tschi ‘du’, was hier allerdings von Alter und Status abhängt und entsprechend meist nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Vertrautheit dagegen spielt eine geringere Rolle, so dass etwa Eltern oder ältere Geschwister gesiezt werden. In Fragen kann man die Form ööröö ‘(du/Sie) selber’ verwenden, um eine strikte Hierarchie zwischen sich und dem Angesprochenen zu vermeiden. Auf der zweiten Ebene spielen Anrede- und Selbstbezeichnungsformen, die Zweierbeziehungen ausdrücken, eine zentrale Rolle. Sie beschränken sich nicht auf familiäre Beziehungen, sondern schließen Liebhaber und Freunde mit ein, z.B. andaa ‘geschworener Freund!’ / andan ‘ich, dein geschworener Freund’. Verwandtschaftsbeziehungen wie egtsch/düü ‘ältere Schwester/jüngeres Geschwister’ werden auch auf Außenstehende ausgedehnt, was dazu führt, dass für tatsächliche Verwandte intimer klingende Formen wie etwa egtschiin düü (wörtlich
“jüngeres Geschwister der älteren Schwester”) eingeführt werden. Gesamtgesellschaftlicher Status spielt dagegen kaum eine Rolle; Anreden wie bagschaa ‘Lehrer(in)!’ oder dargaa ‘Leiter(in)!’ beziehen sich normalerweise auf dem Sprecher selbst übergeordnete Personen.


Die bedeutungsmäßige Instabilität sozial geladener Wörter bringt es mit sich, dass die
erwähnten Formen kein geschlossenes System bilden, sondern ein Inventar, aus dem sich
Sprecher eingedenk der sie einbindenden gesellschaftlichen Netzwerke ein
Instrumentarium zusammenstellen, das in diesem Vortrag mit all seiner soweit bekannten
Variation beschrieben werden soll.

Zeit & Ort

19.11.2018 | 16:00 c.t.

Raum: 1.2002, Fabeckstr. 23-25, 14195 Berlin

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