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Teilprojekt A3. Erweiterungen der Gegenstandserfahrung in Kunst und Design seit den 1960er Jahren

ABSALON: Disposition, 1990, Installationsansicht, KW Institute for Contemporary Art, Berlin 2010, Holz, Karton, weiße Dispersionsfarbe, 6 Neonröhren, 40 Elemente, ca. 140 x 928 x 1028 cm (Collection FRAC Languedoc-Roussillon).

ABSALON: Disposition, 1990, Installationsansicht, KW Institute for Contemporary Art, Berlin 2010, Holz, Karton, weiße Dispersionsfarbe, 6 Neonröhren, 40 Elemente, ca. 140 x 928 x 1028 cm (Collection FRAC Languedoc-Roussillon).

Leitung

Prof. Dr. Michael Lüthy

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Bernhard Schieder, M.A. / Lotte Everts, M.A. / Johannes Lang, M.A. / Katharina Januschewski, M.A.

Studentische Hilfskräfte

Natalie Jergeschew / Christian Sinn

Projektbeschreibung

Im Mittelpunkt des Teilprojekts steht die neo-avantgardistische Kunst sowie das Design seit den 1960er Jahren mit ihren proklamierten Entgrenzungen zwischen künstlerischen und nicht-künstlerischen Produkten und Verfahren. Diese Entgrenzungstendenzen werden aus kunstwissenschaftlicher, designtheoretischer und bildwissenschaftlicher Perspektive analysiert, um im Zusammenspiel dieser methodischen Perspektiven diejenigen Konzepte und Verfahren zu untersuchen, durch welche die jeweilige Gegenstandserfahrung um bislang unbeachtet gebliebene Dimensionen erweitert und gleichzeitig neu fundiert werden soll. Zwei Aspekte dieser Erweiterung bzw. Neufundierung der Gegenstandserfahrung sind dabei zu unterscheiden:

(a) Im Zeichen einer Ästhetik der Präsenz zielen die hervorgebrachten Kunstwerke und Designobjekte darauf, Orte und Ereignisse der Vermittlung von Momenten ihrer selbst zu sein. Sie lassen ihre Materialität und ihr Gemacht-Sein ebenso auffällig werden wie das Spezifische der Situation, in der sie wahrnehmbar sind oder in Gebrauch genommen werden. Zugleich sollen die Gegenstände so verfasst sein, dass sich das Subjekt als eines erfährt, das an der Konstitution des Gegenstands produktiv beteiligt ist.(b) Trotz der Betonung des situativen Hier und Jetzt zielen die jeweiligen Gegenstandskonzeptionen aber auch darauf, an den Gegenständen über sie Hinausweisendes anschaulich werden zu lassen. Dieses Anschaulichwerdenlassen gilt beispielsweise den produktiven Prozessen, in denen die Gegenstände hervorgebracht wurden, oder dem Denken, das den Gegenstandskonzeptionen zugrunde liegt, etwa dem Bewusstsein für ökologische Zusammenhänge oder der sozialen Dimension künstlerischen Handelns.

Die Erweiterung und Neufundierung der Gegenstandserfahrung weist folglich selbstbezügliche (a) wie fremdbezügliche (b) Momente auf: Die Gegenstände sollen als sie selbst erfahren werden und zugleich als Teile eines übergreifenden kulturellen oder naturgesetzlichen Zusammenhangs, der die Gegenstände ebenso umgreift wie diejenigen, die sie hervorgebracht haben oder nun mit ihnen umgehen. Im Teilprojekt werden diese beiden erfahrungsprägenden Momente, bezogen auf die je besonderen Hervorbringungen in Kunst und Design, als solche wie auch in ihrem Zusammenspiel untersucht.

Unterprojekt 1: Physikalische und ästhetische Energien in skulpturalen Ansätzen um 1970

(Bernhard Schieder, M.A.)

Das UP untersucht künstlerische Ansätze im erweiterten Feld der Skulptur um 1970, die auf die Erfahrung physikalischer Energien zielen. Gefragt wird nach den Formen, Materialien und Verfahren solcher Veranschaulichungen und insbesondere danach, wie dabei ästhetisches Objekt und ästhetisches Subjekt sowie physikalische und ästhetische Energien zusammenspielen. Den zu untersuchenden Positionen – etwa denjenigen von Joseph Beuys oder Robert Smithson – ist dabei gemein, Energie nicht nur als einen symbolisch repräsentierten Gehalt zu verstehen, sondern sie zeichnen sich dadurch aus, die künstlerischen Realisationen als Vermittlung der in ihnen, an ihnen und durch sie wirksamen Energien zu verstehen. Sie suchen nach Wegen, gerade auch solche Energien, die normalerweise unbemerkt bleiben oder nicht wahrnehmbar sind, zu verdichten und sinnlich gegenwärtig werden zu lassen. Zu fragen ist, wie hierbei die künstlerische Organisation des Materials mit den ‚Sinnesenergien‘ und ‚Kräften‘ des Subjekts zusammenspielt. Nur durch die Relationierung der Energien der Natur, der Kunst und des Subjekts, so die These des SP, lässt sich das Zusammenspiel von produktiven und rezeptiven Prozessen und die Erweiterung und Neufundierung der Gegenstandserfahrung herausarbeiten.

Unterprojekt 2: Das ökologische Produktdesign als eine Ästhetik natürlicher Prozesse

(Johannes Lang, M.A.)

Das Projekt untersucht die Formen der Ästhetik, die sich mit der Reflexion auf ökologische Zusammenhänge seit den 1960er Jahren im ökologischen Produktdesign entwickeln. Während das moderne Produktdesign das Produkt primär als Objekt zum Gegenstand formalistischer und funktionalistischer Reflexionen werden lässt, richtet sich seit den 1960er Jahren der Blick auf die Prozesse, die Produktwelt und Umwelt miteinander verbinden. Im Gegensatz zum postmodernen Produktdesign, das vor allem seinen Fokus auf die kommunikativen Prozesse zwischen Produkt und Nutzer richtet, werden hingegen für das ökologische Produktdesign die natürlichen oder auch materiellen Prozesse bedeutsam, die sich im Zuge der Rohstoffgewinnung, der Produktion, des Gebrauchs und der Weiterverarbeitung ereignen. Anders als unter dem Paradigma der Moderne oder auch der Postmoderne wird so die Zeitlichkeit des Produktes konstitutiv für dessen Verständnis, als die natürlichen Prozesse, denen das Produkt entstammt, die sich im Gebrauch ereignen und denen es nach Gebrauch unterliegen wird. Das Projekt zeichnet einerseits die Genese jenes gewandelten Produktverständnisses nach, untersucht die charakteristischen ästhetischen Reflexionsformen jener neuentdeckten Zeitlichkeit des Produktes und fragt nach Möglichkeiten der Abgrenzung dieser produktspezifischen Ästhetik gegenüber vergleichbaren Ansätzen in den Neo-Avantgarden der Kunst, wie sie u.a. SP1 und SP2 untersuchen.

Unterprojekt 3: Das Bild nach dem ‚Ausstieg aus dem Bild‘

(Prof. Dr. Michael Lüthy und Lotte Everts, M.A.)

UP 3 untersucht die Kunst nach ihrem ‚Ausstieg aus dem Bild‘ um 1960 aus bildhistorischer und –theoretischer Perspektive. Als das Aktuelle, Situative, Interaktive und Prozessuale der Kunst in Ablehnung bloßer Fremdreferenz einerseits oder bloßer Selbstreflexion andererseits zentral wurden, schienen das Bild und jedenfalls die Malerei zunächst obsolet. Das UP sieht aber in Objekten wie etwa Oldenburgs Ray Guns oder Hesses Test Pieces eine Bildlichkeit dennoch aktiviert, die im Prozess der Verknüpfung von Denken und Wahrnehmen Gegenstände mitkonstituiert, welche im Werden begriffen erscheinen.Ausgehend von der Untersuchung solcher Arbeiten hofft das SP eine performative Theorie des Bildes voranzubringen, die den Bildstatus eines Objekts der prozessualen Bildkonstitution nicht länger voraussetzt. Wittgensteins Theorie des ‚Aspektsehens‘ bietet hier einen Ausgangspunkt, um das Zusammenspiel von Sehen und Deuten zu beschreiben. Allerdings fragt sich, ob Wittgensteins Rede vom „Sehen-als“ zufolge nicht das „Aussehen-wie“ konstitutiv für Bildlichkeit wäre. Angesichts von Gegenständen, an denen sich abstrakter Sinn ästhetisch manifestiert, ohne dass er durch Figuration aufgerufen wird, wäre dann weiter zu ergründen, inwiefern auch diese Objekte bildlich gesehen werden. Und wenn sie es werden, worin wäre dann noch bildliches Sehen von ästhetischer Wahrnehmung allgemein unterschieden – oder welchen Anteil hätte es an ihr?