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Projekt

 

Vera Beyer

Einstein Junior Fellowship

 

Projektskizze

Sehen im Vergleich. Darstellungen von Visualität in der persischen und nordalpinen Buchmalerei (2012-2015)

 

Das Projekt vergleicht am Beispiel der persischen und nordalpinen Buchmalerei des 14.-16. Jahrhunderts wie verschiedene Kulturen Prozesse des Sehens darstellen. Diese Analyse bildlicher Darstellungen des Sehens konterkariert nicht nur die pauschale Opposition zwischen einem bilderfreundlichen Christentum und einem bilderfeindlichen Islam. Vielmehr soll gezeigt werden, dass Bilder auf beiden Seiten hochreflektierte Konzepte visueller Wahrnehmung aufweisen, in denen verschiedene Aspekte des Sehens verhandelt werden.

Dabei werden Darstellungen von Sehprozessen herangezogen, in denen die persischen und die nordalpinen Bildkulturen auf gemeinsame Traditionen rekurrieren – wobei die Bandbreite von historischen Figuren über biblische Motive bis zu Traumtheorien der griechischen Philosophie reicht: So findet sich beispielsweise in beiden Kontexten die Szene, in der der verkleidete Alexander der Große erkannt wird, weil ein Portrait von ihm vorlag – und in beiden Kontexten wird hierbei diskutiert, was entscheidend für die Wiedererkennbarkeit ist. Ebenso wird in Repräsentationen von Vorhängen vor dem Thron Gottes die Schau- und Undurchschaubarkeit Gottes verhandelt, in Darstellungen träumender Autoren die Funktion innerer Bilder.

Damit basieren die Vergleiche nicht auf abstrakten und vermeintlich neutralen Kategorien des Sehens, sondern nutzen als Tertia Comparationis historische Topoi, deren inter- und differierende Rezeptions- und Transformationsgeschichten im Sinne der histoire croisée nicht nur die auch von Seiten der Postcolonial Studies kritisierten Universalisierungen sondern auch vermeintliche Unabhängigkeiten der Kulturen konterkarieren. Stattdessen lassen sie historische und lokale Veränderungen in den Konzepten und Bewertungen des Sehens erkennen, die Projektionen eigener Sichtweisen auf Bildkulturen anderer Epochen und Kulturen korrigieren können. Der Vorstellung eines „unschuldigen Auges“  werden also Transformationen von Vorstellungen des Sehens in verschiedenen historischen und regionalen Kontexten entgegengesetzt.