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2016. Becoming, Re-appropriation und Reparation in the City on a Blue Day. Eine fragmentarische Reflexion über die Position der (post-)kolonialen Metropole auf der Dak´art 2016

von Nikola Hartl

 

An der Fassade des sandfarbenen ehemaligen Justizpalastes steht in himmelblauen Lettern: „La Cité dans le jour bleu“. Das ist der Titel eines Gedichts von Léopold Sédar Senghor, das Simon Njami als Referenz und Ausgangspunkt für die diesjährige Dak´Art 2016 gewählt hat.

„Your voice speaks to us of the Republic, saying we shall build the City in the blue day: In the equality of fraternal peoples. And we shall answer: “Present, oh Guélowar!“ (Senghor)1

Die Idee hinter Njamis kuratorischem Konzept des „Re-enchantments“ beruht auf der Wiederentdeckung einer kreativen Energie und neuen Impulsen, die Strategien und Ästhetiken erschaffen, um die Welt und den Kontinent wieder zu „verzaubern“, Dingen wieder Bedeutung zukommen zu lassen, die bedeutungslos gemacht wurden. Das bedeutet konkret auch: (Welt)Geschichte aus einer weitgehend hegemonialen westlichen Perspektivierung permanent zu hinterfragen und über die Beschäftigung mit der Vergangenheit neue Bezüge zur Gegenwart zu schaffen. Njami fordert: Afrika als westliches Konstrukt, als Fantasie des Westens muss neu gedacht werden. Seine dynamische Vision einer Revitalisierung beruht auf der Verlinkung und der Dialektik zwischen Heritage, Kreativität und Teilhabe. Er macht sich stark für einen physikalischen und mentalen Ort der Dekonstruktion und Wiederaneignung.

Es wird eine Umperspektivierung und eine Geschichts-Revision angekündigt, die aus der Perspektive des „globalen Südens“ blickt, denkt und spricht. Es geht um die Wiederaneignung der eigenen Geschichte(n) und dem sich im Werden-Befindens, eines selbstbestimmten „Becoming“, um sich von den Lasten der kolonialen Vergangenheit befreien zu können. Es geht um die Sichtbarmachung der universalen Zeitgenossenschaft Afrikas und der Diasporas. Eine spezielle Betonung in diesem Konzept liegt auf der Stadt, der postkolonialen „Metropole“ als politischem Körper, in dem dieser Austausch und die Konfrontation stattfinden.

Who builds the City?

Die Ausbreitung des weltweiten Kapitalismus und die damit verbundene Ausbreitung des imperialen modernistischen westlichen Vorhabens fragmentieren das soziale Geflecht der Städte vielerorts zunehmend und anhaltend. In Dakar werden z.B. stetig Versuche unternommen, die informellen Architekturen aus der Stadtlandschaft und dem öffentlichen Raum zu verbannen, wie schon bei den groß angelegten Umstrukturierungsprogrammen zu den Zeiten der französischen Kolonialherrschaft. Die ökonomischen und visuellen Verflechtungen und die Komplexität der urbanen und sozialen Konflikte von Communities in den postkolonialen Städten und Geographien lassen sich in mehreren Arbeiten im Palais de Justice wiederfinden.

Im Folgenden möchte ich deswegen Arbeiten und Konzepte beschreiben, die die (post-)koloniale Stadt als lebendiges Archiv und Ort der Wiederaneignung, einerseits durch ihre Materialitäten an sich, aber vor allem auch durch die Materialität / Immaterialität der sozialen Geflechte, die sie in sich birgt und die ständiger Veränderung ausgesetzt sind, thematisieren. Ich wende mich hier den Arbeiten von Sammy Baloji, Kader Attia und Youssef Limoud genauer zu. Es sind ortsspezifische Installationen, die die Idee des Potenzials von Kunst als sozialpolitischem Impuls und die Kopplung der Werke an eine gelebte Realität vereint. Wichtig bei der Auseinandersetzung mit diesen Arbeiten ist auch der Ort der Ausstellung an sich.

„Choosing the Palais de Justice as a site of art reappropriates this neglected place of history and thereby reshapes the confusing narratives embedded in these walls.“ (Limoud)2

In dem seit 2005 leerstehenden ehemaligen Palais de Justice, einem markanten Stück modernistischer Kolonialarchitektur, 1957 von den französischen Architekten Babani und Roux-Dorlut erbaut, werden die neuen Strategien, Ästhetiken und vielfältigen Geschichten der Biennale verhandelt und kontextualisiert. Schon in den 1960er Jahren wurde dieser Bau das erste Mal umfunktioniert. Es fand dort während des ersten panafrikanischen Kulturfestivals FESMAN (Festival mondial des arts nègres, 1966) eine Überblicksausstellung zur modernen Kunst Afrikas unter dem Titel „Tendances et confrontations“ statt3.

Eingangssituation zur internationalen Ausstellung im ehemaligen Palais de Justice 2016. Unten: Aufnahmen der 1966 im gleichen Gebäude abgehaltenen FESMAN-Ausstellung „Tendances et confrontations“. Quelle: https://www.afterall.org/journal/issue.43/tendencies-and-confrontations-dakar-1966.

Durch die erneute Aneignung werden die „Geister“ der Vergangenheit angerufen und eine enge Verbindung zu den Ideen und dem Widerstand gegen den Kolonialismus, aber auch der Zeit nach der erlangten Unabhängigkeit gewoben. Die Wiederaneignung dieses Ortes ist so schon eine herausfordernde Setzung und verlinkt die geschichtsträchtige Vergangenheit dieses Ortes mit den komplexen Beziehungen zur heutigen Realität. Im großzügigen, lichtdurchfluteten Innenhof und den Gerichtssälen bekommen die Arbeiten einen absolut anderen Bedeutungszusammenhang als wenn sie im White Cube einer Galerie ausgestellt würden. Manche Arbeit entfaltet gerade durch ihre ortsspezifische Kontextualisierung ihr selbstbewusstes kritisches Potential.

Erst bemerkt mensch die Fotocollage „Les Fragments de Ouakam“ (2015) von Sammy Baloji an der Balustrade hinter einer Säule des großen Lichthofs kaum oder nimmt erstmal nur aus dem Augenwinkel wahr, was da mosaikartig auf einem großen Banner, das entfernt an die Werbeplakate der Bauvorhaben entlang der Corniche erinnert, abgebildet wurde. Es sind 6 x 10 neben- und übereinander angeordnete Einzelfotos, die jeweils in einer Aufsicht, staubige Dächer, improvisierte Gebäude, Innenhöfe und/oder unfertige Neubauten in Ouakam zeigen. Sie sind zu einer Art fragmentarischem Panorama zusammengesetzt. In der obersten Bilderreihe wird der meist blaue Horizont sichtbar. Sammy Baloji geht schon seit 2013, damals im Rahmen des Festival Urban Scéno Ouakam, der Komplexität des urbanen und sozialen Kontextes in Ouakam / Dakar nach.

Sammy Baloji, Sammy, Ouakam Fractals, Fotocollage 2015. Courtesy Sammy Baloji und Dak'Art 2016.

Nach Jahrzehnten einer marginalisierten Existenz im Kontext von Dakars urbanem System hat die Konstruktion des „Monument de la Renaissance africaine“ auf einem der zwei heiligen Hügel der Mamelles die Communities Ouakam dazu gezwungen, eine neue, tiefe wirtschaftliche, urbane und soziale Transformation zu vollziehen. Das populistische Monument, das vom ehemaligen Präsidenten Abdoulaye Wade entworfen wurde und von nordkoreanischen Arbeitern gefertigt wurde, brachte nationalen und internationalen Tourismus in diese Gegend, führte zum Bau einer Autobahn zum Stadtzentrum und trug zur urbanen Expansion von Ouakam bei. Ouakam ist nun komplett umringt von neuen Gebäuden und Baustellen. Sammy Baloji benutzt die Photographie um die gegenwärtige „städtische Situation“ mit dem Fokus auf Ethnographie, Architektur und Urbanismus zu betrachten. Er konzentriert sich hierbei, wie auch schon in seinen Arbeiten über verschiedene Städte im Kongo, auf das Hin- und Hergerissensein zwischen den Versprechen einer neoliberalen Zukunft und den Trümmern der kolonialen Vergangenheit. Er untersucht künstlerisch-ethnographisch, was diese Transformation für Leben und Zusammenleben in Ouakam bedeutet. Er beobachtet die Verstrickungen von Peripherisierung, Armut und neuen Möglichkeiten genauso wie die unleugbare Kreativität und Anpassungsfähigkeit in den informellen Siedlungen der autochthonen Lebou-Fischer, die seit dem 15. Jh. am Cap Vert siedeln.

„Tradition is starting to disappear with these new building of buildings in the Western way.“ (Baloji)4

Auf den Plakaten entlang der Corniche auf dem Weg nach Ouakam erfährt mensch mehr über die Träume der neoliberalen Versprechungen und erkennt die Ähnlichkeit dieser mit den anderen `hot spots´ des Südens. Das Modell dieser neuen Städte, das diese Bilder bieten, führt zu neuen Geographien und führt unweigerlich zu Ausschlüssen. Die neoliberale Umkodierung der Infrastruktur in den Metropolen des Südens ist der derzeitig vorhandenen und organisch gewachsenen Infrastruktur entgegengesetzt und verwirft die in ihr schon existierenden Modelle von städtischer Community und ziviler Agency. Die verschiedenen Fragmente der Stadt werden weiter auseinandergerissen und die Echos der Vergangenheit sind übersät mit den Ruinen der Moderne, die in einer gebrochenen Form bestehen bleibt. Der Titel, „Les fractals de Ouakam“ / „Fragments of Ouakam“, benennt diese voranschreitende Umschichtung des Stadtteils.

Die Stadt befindet sich im kontinuierlichen Wandel, in einer ständigen Reparatur. Das Entstehen von Trabantenstädten in Form von geschlossenen Gemeinschaften, die für die lokale obere Mittelschicht konzipiert werden, ist nur ein Phänomen hiervon. Welche neue Zukunft wird hier für wen entworfen und welche Möglichkeiten des kollektiven Handelns und der Imagination einer Stadt für alle werden hier wem verwehrt? In Balojis Arbeit werden wir Zeugen gleichermaßen vom „urban decay“der gewachsenen Communities der Marginalisierten und „Migrantisierten“ und von der Verdrängung aus Schutz- und Lebensräumen sowie spirituellen Räumen. Diese Bilder zeugen von den mit Schutt und Baumaterialen übersäten Straßen und den Betondächern Ouakams. Er setzt die Fragmente dieser Zeugnisse in eine unzusammenhängende monochrome Landschaft aus Sand und „Bleu“ zusammen und erinnert uns mahnend an das verschwindende Potential der kreativen Traditionen dieser marginalisierten Communities im urbanen Raum der (post-)kolonialen Metropole.

Mir fallen beim letzten Besuch im Ancien Palais de Justice und beim Betrachten dieser Arbeit unweigerlich wieder die Worte Kader Attias ein. Er hatte ein paar Tage zuvor in der Raw Material Company über die Leitmotive in seiner Arbeit, der „Re-Appropriation"6 und  der „Reparation“ gesprochen. Die Konzepte von „Reparation“ und „Re-Appropriation“ bezieht er auf das unumgängliche Projekt der Dekolonisierung, das er eng im Zusammenhang mit dem Städtischen, der Architektur und den Baumaterialen (vor allem Beton als Material der Moderne) sieht. Er beschrieb die Möglichkeiten und Notwendigkeiten eines kollektiven Widerstands gegenüber Kolonialismus und dessen Kontinuitäten, von den wichtigen Verbindungen des globalen Südens in diesem Projekt, sowie den Ästhetiken und der Poesie dieser Begegnungen und Bewegungen. Er verwies auf den gegenseitigen Austausch und in Bezugnahme von Kulturen und Ideen, besonders auch in Bezug auf die Appropriation von traditionellen Architekturen aus Afrikavon Seiten der Europäer und fordert ein Umdenken ein.

Kader Attia, Intifada: Les rhizomes infinis de la révolution. Installationsansicht Dak’art 2016 - Foto. Nikola Hartl.

“This influence leads us to think that evolution of modern and post-modern aesthetics in architecture, like the influence of “Africanicity” on Western modern art, calls for an ethical way of re-thinking about post-modern and post-colonial cultural history beginning with one critical question: Does it mean that this history is shared by the two parts, but built in the shadow of Western thought’s hegemony? Or vice versa?“ (Attia)8

Es geht Attia dabei besonders darum, wie man ein erneutes Umschreiben von Geschichte aus der Perspektive des Südens angehen kann. Wo setzt er dabei an? Beim Widerstand, der aus der Not heraus erwächst, sich zu schützen und zu verteidigen. Architektur sieht er als den konkreten Ausdruck von Macht. Das utopische Dogma des Modernismus, allen Menschen ein Dach über dem Kopf zu geben, verbreitete sich weltweit in großangelegten Bauprojekten, die sich den Begebenheiten und den Bedürfnissen der Menschen vor Ort nicht anpassen. Sie fungieren oft als inadäquate Lösung und zerstören vorhandene soziale Gewebe und kulturelle Traditionen. Kader Attia sieht in den Shantytowns, den informellen Siedlungen, z.B. denen in Ouakam, beeindruckende Beispiele einer unterbewussten Wiederaneignung der eigenen Kultur, durch das Benutzen von übrig gebliebenem Schutt (Rubble) einer anderen, der modernen Kultur des Westens. Diesen andauernden Prozess von Reparation positioniert er als wichtige Form des Widerstands und der Heilung. Doch die Narben, die die westliche Moderne mit ihren groß angelegten Bauvorhaben in den urbanen Geographien hinterlässt, bleiben.

In der nur scheinbar fragilen und in ihrer Stärke ruhenden Installation „Intifada: Les rhizomes infinis de la révolution“, die sich in einem Durchgangsraum zum hinteren Teil des Palais de Justice befindet, wird diese Haltung auch materiell erfahrbar. Aus dem Betonboden des alten modernistischen Gerichtsgebäudes ragen verzweigte Metallskulpturen, die an blätterlose Bäume erinnern oder Wurzeln, die Schutthaufen aufwerfen, in ihrem beständigen Streben an die Oberfläche. An deren Verästelungen befinden sich Steinschleudern als Symbol für die „Stein-Revolte“ der Palestinenser in den Siedlungsgebieten und die Revolten des arabischen Frühlings. Der Stahl, der präsent ist in den Betonbauten der Städte und Siedlungen, das Material der Moderne, wird umgenutzt, umgedeutet, wiederentdeckt, um sich selbst zu verteidigen gegen die Vertreibung, gegen die Vereinnahmung des eigenen Lebensraums, gegen die Fremdbestimmung in einem ungleichen globalen Kräftemessen. Kader Attia erklärt im Katalog zur Ausstellung, dass er inspiriert war von denen, die auf diese Weise „nein“ sagen. Denjenigen, die sich durch die Konstruktion von einfachen improvisierten Waffen verteidigen als letzte Instanz. Diese Symbole des Widerstands verkörpern für ihn die Hoffnung auf eine ideale Zukunft, auf eine Zukunft in Freiheit. Ihm geht es in dieser Arbeit sinnbildlich um die wiederkehrende Adaptierung revolutionärer Ideen, die er zu einem poetischen wie auch politischem Statement der Wiederaneignung zusammenfasst.

What is the City Made of? / What is the Fabric of the City?

Zwängt mensch sich durch die dicht an dicht stehenden Metallbäume, gelangt er in den hintersten ehemaligen Gerichtssaal, in dem Youssef Limoud seine fragile und spielerische Inszenierung einer imaginierten Stadt entwirft. Diese ortsspezifische Installation ist eine Fortführung seines Ruinen-Projekts „Maquam“. „Maquam“ ist eine Installation, die sich prozesshaft weiterentwickelt und verortet – in einer Serie, die er vor drei Jahren als Reaktion auf die Geschehnisse in Syrien begann. Maquam hat im Arabischen vielfältige Bedeutungen und kommt aus dem Sufismus, der islamischen Mystik. Eine der Bedeutungen ist Siedlung – und zwar im Sinne eines Orts, an dem man sich zuhause fühlt und bleiben möchte. Es kann auch Schrein bedeuten oder einen Ort, der mit einer heiligen Person in Verbindung steht, an den man geht um zu etwas zu verehren oder sich segnen zu lassen. Und es verweist auf arabische Tonleitern (Maquamat).

Youssef Limoud, Maquam. Installationsansichten Dak’art 2016 – Fotos Nikola Hartl.

Nach seinen „Dérives“ in Dakar installierte Youssef Limoud eine imaginäre urbane Geographie aus den Materialen, die er vor Ort vorfand. Aus dem Schutt der Ruine, Sand und weggeworfenen Alltagsgegenständen entstand eine an die Realität angelehnte Miniaturstadt, die die Aspekte des Verschwindens als Metapher in sich trägt. Diese alternative vieldeutige Stadtgeographie kann mensch als poetisches Statement lesen, das einen Ort zwischen Realität und Fiktion entwirft, das Dinge ans Licht bringt und spielerisch bewusst und kritisch zugleich ist. Hier ist der Künstler selbst derjenige, der einen Versuch der (spirituellen) Wiederaneignung des Stadtraums als Gedankenraum unternimmt. In der Ruine der Moderne (Ancien Palais de Justice) mit dem Schutt der Moderne entwirft er die Stadt Dakar als erträumten Erfahrungsraum, als alternative Geographie. Es ist eine Reflexion auf die Fragilität der Stadt und die Beseeltheit der Dinge. Sie birgt Aspekte von Prekarität ebenso wie Kritik an den Projekten der Moderne. Limoud zeigt die Möglichkeiten, die Stadt in ihrer fragmentarischen Erscheinungsform immer wieder neu zu erschaffen und zu verhandeln. Aus den Überresten und Ruinen der Moderne werden spirituelle und kommunikative Möglichkeitsräume geschaffen, die auch im Austausch mit den Betrachtenden entstehen. Diese kritisch-poetische Vision einer spielerisch erfahrbaren urbanen Welt, kann als eine der direktesten Antworten auf Njamis Konzept „The City in Blue Daylight“ gelesen werden. Die Möglichkeiten des kollektiven Handelns und der Traum von einer gemeinsamen, selbstbestimmten Zukunft kann in ihr weiter sinnbildhaft erforscht werden. „Maquam“ denkt die postkoloniale Metropole als Ort der experimentellen Wiederaneignung und Verhandlung, als etwas das sich laufend im Entstehungs- und Wandlungsprozess befindet, sich auf das schon existierende beruft, sich jedoch von hier aus weiterentwickelt. Vorwärts, manchmal zögernd und das dadurch manchmal schwer greifbar ist.

Conclusio: Reaching out, Speaking out, Encounter, Counter Agency, Communities, Neoliberalismus

„Les Fragments de Ouakam“, „Intifada: Les rhizomes infinis de la révolution“ und „Maquam“ zeichnen den prekären Zustand der Dinge in Zusammenhang mit (post-)kolonialer Siedlung, Stadt und Gesellschaft, als Reflexion einer realen Erfahrung nach. Sie verhandeln auf unterschiedlichste Weise etwas, das sich durch andauernde imperiale und wirtschaftliche Machtverhältnisse in einer Situation der Marginalisierung befindet und in diesem Zusammenhang immer wieder um Räume der Sichtbarkeit und um das Gehört-Werden kämpfen muss. Sie verzichten dabei auf die Darstellung derer, die sich im Zentrum dieses Konflikts befinden und machen beständig auf die oft übersehenen oder missinterpretierten Strategien von Selbstbestimmung, Widerstand und Re-Appropriation als Potential für selbstbestimmte Veränderung entgegen eines oft medial manifestierten Opfernarrativs aufmerksam. Das Potential, das in der intuitiven improvisierten Umnutzung von schon Vorhandenem als Strategie der Wiederaneignung und des Widerstands gegen die neokoloniale und vor allem neoliberale Vereinnahmung der Lebensräume von Communities und ihren sozialen Geweben steckt, machen sie als Counter Agency erfahrbar in einem Mapping von kommunalen Praktiken. Der Widerstand gegen die Kontrollmechanismen der neoliberalen Metropole und die neokolonialen Siedlungspraktiken wird als das Werden von hybriden gesellschaftlichen Formen markiert.

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Anmerkungen:

1 Léopold Sédar Senghor, Guélowâr ou Prince, Poèmes, Paris: du Seuil 1948, S. 72–73. 2

2 http://www.contemporaryand.com/de/magazines/an-artist-has-to-be-a-visionary/ Interview von Elsa Guily mit Youssef Limoud.

3 Vgl. Cédric Vincent, Tendencies and Confrontations, Afterall No. 43 (2017). https://www.afterall.org/journal/issue.43/tendencies-and-confrontations-dakar-1966 (27.September 2017)

4 https://news.artnet.com/art-world/olafur-eliasson-mentor-sammy-balojis-project-rolex-arts-initiative-takes-new-direction-387860

5 „Migrantisierte“ Menschen: nicht alle dieser Gruppe zugehörigen Personen sind migriert, z.B. Kinder von Migranten in 2. Generation, sie werden aber als oft als Zugereiste betrachtet.

6 Re-Appropriation, so wie Franz Fanon dieses Konzept theoretisiert in Relation zum Anti-Kolonialismus (vgl. The Wretched of the Earth, 1961)

7 z.B. den Einfluss, den die Mzab-Architektur in Algerien auf die Entwürfe von Le Corbusier hatte.

8 vgl.: http://kaderattia.de/signs-of-reappropriation/