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2014. Precarious Imaging - Visibility surrounding African Queerness

Von Marlene Genschel

 

Eingangsbereich der RAW MATERIAL Company. 

 

Die Ausstellung ,Precarious Imaging - Visibility surrounding African Queerness’ in der RAW MATERIAL Company war Teil des Off-Programms der DAK’ART 2014 und der letzte Akt eines einjährigen Programms zu dem Thema ‚Persönliche Freiheit mit Schwerpunkt auf Homosexualität und der in einigen afrikanischen Ländern wachsenden Homophobie‘.

Kuratorin Ato Malinda sagte im Vorfeld: „The time is ripe to talk about homosexuality in Africa! The show will cause controversy, but we will not censor ourselves!” Koyo Kouoh, ebenfalls Kuratorin der Ausstellung und Leiterin der RAW Material Company ergänzte, es gehe in der Ausstellung primär darum Kunst zu zeigen und über diese einen Raum für offene Diskussionen zu eröffnen. Homosexualität ist auch im Senegal nach Artikel 319 des Strafgesetzbuches, der „unsachgemäße oder unnatürlichen" Handlungen mit bis zu fünf Jahren Gefängnis unter Strafe stellt, illegal. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass die Ausstellung bereits vor Eröffnung sowohl von ihren Befürworter_innen als auch von ihren Gegner_innen in den Medien und sozialen Netzwerken verbreitet und besprochen wurde. „Die Ausstellung besitzt deshalb eine besondere Relevanz.“ Dieser Satz war bereits in zahlreichen Vorankündigungen zu lesen.

Die fünf austellenden Künstler Andrew Esiebo, Zanele Muholi, Amanda Kerdahi, Jim Chuchu und Kader Attia verfolgen mit ihren Werken, die alle bereits bestanden und nicht explizit für diese Ausstellung konzipiert wurden, trotz unterschiedlicher Medien und verschiedenen Umsetzungen zwei grundlegende gemeinsame Ziele: erstens durch das Medium der Kunst den von Homophobie betroffenen Individuen ein Gesicht zu geben und zweitens die Vernetzung der LGBT-AktivistInnen und die Bewegung über Landes- und Kontinentalgrenzen hinaus aufzuzeigen und öffentlich zu machen. 

Die elf gerahmten Portraits aus Andrew Esiebos Serie ‚Who we are‘ aus dem Jahr 2012, auf denen er homosexuelle Männer in ihrem Alltag fotografierte, erstreckten sich in den Maßen 50cm x 70cm über zwei Wände. Mit diesen Portraits bot der nigerianische Künstler Esiebo homosexuellen schwarzen Männern die Möglichkeit, sich selbst im Kontext ihres täglichen Lebens zu inszenieren und somit ihre privaten Identitäten in Alltagsräumen zu reflektieren. Sowohl die Settings als auch Körperhaltung und Mimik der Porträtierten unterscheiden sich dabei zum Teil stark voneinander. Ein Bild zeigt  beispielsweise einen jungen Mann, der im Schneidersitz auf einem Bett sitzt und sich an die sich hinter ihm befindende Wand anlehnt.

Der Körper des Mannes nimmt dabei etwa die Hälfte des Bildes ein. Sowohl der abgebildete Raumausschnitt als auch Bettwäsche und die Kleidung des Porträtierten sind in hellen Farben gehalten. Im linken oberen Drittel des Fotos ist der Ausschnitt eines Fensters zu sehen, durch das Tageslicht in das Zimmer fällt. Auf dem Fensterbrett stehen einige Alltagsgegenstände wie eine Deodorantdose und ähnliches. Auf einem Kissen links neben dem Mann liegt ein aufgeschlagenes Buch, vor dem Kissen ein Stift. Es lässt sich erahnen, dass es sich bei dem Buch um den Koran handelt, der Stift legt die Vermutung nahe, dass der Mann diesen kürzlich studiert hat. Der Porträtierte hat den Kopf leicht geneigt und schaut direkt in die Kamera, seine Mimik wirkt nachdenklich.

Ein weiteres Bild aus der Serie zeigt hingegen einen jungen schwarzen Mann der sich scheinbar am Tage in einem leeren Nachtlokal befindet. Der abgebildete Raumausschnitt zeigt mehrere alte Sofas und Sessel. Am rechten Rand des Bildes ist ein Fensterausschnitt zu sehen, der größtenteils von Vorhängen verdeckt ist. Der Raum ist somit von außen nicht einsehbar und es dringt nur gedämpft Tageslicht hinein. Der junge Mann sitzt im Vordergrund des Bildes auf vier zusammengeschobenen Sitzgelegenheiten. Diese befinden sich in der Mitte des Bildes und die Gestalt des Porträtierten nimmt etwa ein Viertel der Szene ein. Er stützt sich in Richtung Kamera auf seinen rechten Arm, die Beine sind nach hinten angewinkelt, seine Körperhaltung wirkt entspannt. Das Gesicht des Mannes ist zwar nach vorne gewendet, sein Blick richtet sich aber eher nach links, so dass er nicht direkt in die Kamera blickt. Sowohl die Wände des Raumes, als auch Möbel und die Kleidung des Mannes sind in relativ dunklen Farben gehalten und die ganze Szene wirkt sehr ruhig. Der Umstand, dass sich der Porträtierte jedoch am Tage und allein in einem Nachtlokal befindet, also einem Ort der eigentlich für die Abendstunden und für viele Menschen bestimmt ist, vermittelt darüber hinaus auch den Eindruck von Einsamkeit oder Isolation.

Alle Fotografien der Serie ‚Who we are‘ sind ähnlich aufgebaut wie die zwei hier beschriebenen. Die porträtierten Männer befinden sich immer in Räumlichkeiten, die den Eindruck von Privatsphäre und/oder unmittelbarem Lebensumfeld vermitteln. Dabei lassen die stark variierenden Lichtverhältnisse und die jeweilige Positionierung der Männer innerhalb der fotografierten Szenen in Bezug auf die übergeordneten Themen der Homosexualität und Homophobie vielleicht Rückschlüsse auf den jeweiligen Umgang der Porträtierten mit ihrer eigenen Sexualität in ihrem Alltag und engem Lebensumfeld zu. Es ist auffällig, dass immer wieder auch Religion thematisiert wird, was sich besonders an einer Fotografie zeigt, die sich sehr deutlich von den restlichen Bildern der Serie abhebt. Dieses Foto zeigt einen schwarzen Geistlichen, der sich im Gegensatz zu allen anderen Porträtierten nicht in einem geschlossenen Raum befindet, sondern vor einer Hauswand steht. Der Mann, dessen Gestalt bis zur Hüfte zu sehen ist und etwa ein Drittel der Szene einnimmt, befindet sich im Vordergrund mittig des Bildes. Er hält mit beiden Händen  eine  Bibel vor der Brust. Im rechten Drittel der Fotografie ist im Hintergrund der Ausschnitt eines Fensters zu sehen, das von innen und deutlich sichtbar mit einer Regenbogen-Fahne, also dem Symbol der LGBT-Bewegung, zugehängt ist. Der fotografierte Mann schaut ein wenig von oben direkt in die Kamera und seine Körperhaltung ist gerade, was einen gefestigten und selbstbewussten Eindruck vermittelt. 

Die elf Fotografien aus der Serie waren in der Ausstellung in einem Abstand arrangiert, der es dem/der BesucherInn einerseits möglich machte jedem einzelnen abgelichteten Individuum  gerecht zu werden und  einen  vermeintlichen Eindruck von Intimität zu vermitteln, aber dennoch dicht genug arrangiert um auch eine gewisse Kollektivität zu unterstreichen. Esiebo legt hier den Fokus auf die Tatsache, dass sich homosexuelle und heterosexuelle Einzelpersonen und Paare viele der gleichen Herausforderungen teilen und hinterfragt mit dieser Arbeit stereotypische Ansätze, die Homosexualität normativ oftmals auf sexuelle Handlungen beschränken. Er befasst sich so mit dem allgemeinen Mangel an Akzeptanz in Bezug auf Fragen der kulturellen Vielfalt und sexuellen Komplexität. Esiebos  Bilder sind dabei sowohl intime Geschichten von Individuen als auch ein politischer Kommentar zu Phobien.

Andrew Esiebo 'Who we are' Fotografien (50cm x 70cm) in 'Precarious Imaging - Visibility surrounding African Queerness'


Besonders deutlich wurde die Wirkungsästhetik der Bilder in dieser Ausstellung im Vergleich zu der Internationalen Ausstellung ‚Producing the Common‘, in der sich ebenfalls drei Fotografien Esiebos befanden. Obwohl die Bildauswahl gut getroffen war und es sich bei zweien ebenfalls um zwei der weiter oben beschriebene Bilder handelte, unterschieden sich die Formate deutlich: in der Halle des Village des Biennale waren die drei gerahmten Werke in den Maßen 120cm x 80cm sehr viel größer. Das Licht spiegelte sich so stark in den Glasscheiben der Bilderrahmen, dass der Besucher hauptsächlich sich selbst und nicht der porträtierten Person ins Gesicht schaute. Darüber hinaus fügten sich die drei Bilder so schlecht in das Gesamtkonzept der Ausstellung, dass sie mir nicht einmal aufgefallen wären, wenn ich mich im Vorfeld nicht relativ intensiv mit ihnen auseinandergesetzt hätte. Esiebos Intention, durch einen vermeintlich intimen Einblick in das Leben schwarzer homosexueller Männer bei den Rezipient_innen Empathie zu wecken und den Menschen hinter dem Konstrukt “Homosexualität“ ein Gesicht zu geben, wurde durch die Inszenierung der Bilder in der Internationalen Ausstellung meinem Empfinden nach nicht erwirkt.
 

Andrew Esiebo 'Who we are', Fotografien (120cm x 80cm) in 'Producing the Common'

 
Wie sehr sich der Ausstellungsraum auf die Wirkungsästhetik der Kunst auswirken kann, zeigte sich auch bei den Fotografien aus der Arbeit ‚Faces and Phases‘ (2011-2012) der südafrikanischen Künstlerin Zanele Muholi. Über 100 schwarz-weiß Portraits von homosexuellen und transgender Frauen, die auf Muholis Reisen als LGBT-Aktivistin in Gauteng, Kapstadt, Mafikeng, Botswana und Schweden enstanden,erstreckten sich in den Maßen 40cm x 30cm ungerahmt über drei Flurwände, wobei sich zwei davon gegenüberliegend befanden und sich die dritte den Raum mit der Arbeit ‚Architecture, transgenre, représentation de l’hermaphrodite‘ aus dem Jahr 2014 von Kader Attia teilte. Alle Porträtierten schauen direkt in die Kamera und auch wenn sich Mimik und Körperhaltung unterscheiden, ist es doch auffällig, dass viele der Frauen mit vor der Brust verschränkten Armen und entschlossenem Gesichtsausdruck posieren. Im Kontrast dazu finden sich aber auch Bilder, auf denen die Frauen seitlich zur Kamera stehen und deren Blick eher nachdenklich oder eingeschüchtert wirkt.

Im Gegensatz zu anderen Ausstellungen dieser Serie, wie beispielsweise im Schwulen Museum Berlin im Frühjahr 2014, befand sich unter den hier ausgestellten Portraits auch eines der Künstlerin Muholi selbst. Damit unterstrich sie deutlich ihre eigene Zugehörigkeit zur LGBT-Bewegung.

Als Besucher_in der Ausstellung sah man sich durch die Inszenierung der Bilder auf engem Raum mit den Gesichtern der Frauen konfrontiert, wobei die Masse und die fast kollektive Entschlossenheit der Porträtierten beeindruckend wirkte und einen Einblick in die Größe der LGBT-Bewegung vermittelte. Darüber hinaus kam man den Bildern aber durch die Räumlichkeit zwangsläufig nahe, dass auch die einzelnen Individuen präsent waren und nicht verschwommen in der Vielzahl der Bilder untergingen. Face to face war der/die Besucher_in gezwungen nicht nur einen verstohlenen Blick über die Bilder streifen zu lassen sondern den Frauen auch tatsächlich in die Augen zu sehen und den zum Teil stolzen, zum Teil traurigen Blicken stand zu halten.  

Zanele Muholi 'Faces and Phases', Fotografien (40cm x 30cm) in 'Precarious Imaging - Visibility surrounding African Queerness'

 
Die Arbeit ‚100 Conversations‘ (2014) der ägyptisch-amerikanischen Künstlerin Amanda Kerdahi entstand aus einem Projekt, das nicht nur die Grenzen des Tabus überschreiten, sondern vielmehr einen atypischen Raum eröffnen soll, indem weibliche Intimitäten eher geteilt als verborgen werden. Kerdahi führte dafür Gespräche mit in Kairo lebenden Frauen über ihre Sexualität, Homosexualität und ihre Erfahrungen. Während dieser Treffen lud die Künstlerin die Frauen ein, mit ihr gemeinsam zu rauchen. In diesen von Kerdahi selbst gedrehten Zigaretten ersetzte sie die Filter durch Stofffetzen. Diese Filter nutzt die Künstlerin als visuelles Transkript zweier Handlungen, die normalerweise ausschließlich dem privaten Raum vorbehalten sind: das Rauchen und Gespräche über Sexualität.

Für die aus zwei Bildern bestehende Arbeit ‚100Conversations‘ sammelte Kerdahi zum einen die Filter als visuelle Überreste ihrer Gespräche und fügte sie dann zu einer großen Leinwand zusammen. Indem sie diese anschließend mit Videos von lautlosen Gesprächen in Verbindung setzt, fordert sie den/die Besucher_in dazu auf, Fragmente weiblicher Sexualität zu erleben. Darüber hinaus vergrößerte sie einen der Filter auf Poster-Format  um  die einzelnen Spuren des Rauches deutlich und dem/der Rezipient_in sichtbar zu machen. Jede dieser Spuren visualisiert laut Kerdahi gesprochene und verschwiegene Gedanken der Raucherinnen und ihre Sexualität.

Amanda Kerdahi ‚100 Conversations‘, mixed Media in ‘Precarious Imaging - Visibility surrounding African Queerness’

 
Von dem algerisch-französischen Künstler Kader Attia waren zwei Arbeiten Teil der Ausstellung. Bei dem ersten Werk Attias handelte es sich um die einstündige Videoarbeit ‚Collages‘ aus dem Jahr 2011. In diesem Video fokussiert Attia das Leben transsexueller Männer in Algier und Mumbai. Der Künstler stellt mit der Arbeit die Möglichkeit objektiver Aussagen in Frage und fordert mit dieser künstlerischen Erzählung eine strukturelle Kohärenz heraus.

Kader Attia ‚Collages‘, Video (62’24 s) in ‘Precarious Imaging - Visibility surrounding African Queerness’


Die zweite Arbeit Attias aus dem Jahr 2014 besteht aus vier gerahmten Collagen mit dem Titel ‚Architecture, transgenre, représentation de l’hermaphrodite‘. Auf diesen Collagen setzt der Künstler Travestie und die Konstruktion von Geschlecht mit europäischer Architekturgeschichte und der Entwicklung und Festschreibung von Geschlecht ins Verhältnis. Drei der Collagen haben einen weißen, die vierte einen Spiegel, ein immer wiederkehrendes Element in Attias Arbeiten, als Hintergrund. Auf diesen sind je drei bis fünf Fotografien oder Ausschnitte aus solchen von überwiegend weißen transsexuellen Männern im Vordergrund und je zwei verhältnismäßig großformatige Fotografien von historischer und moderner Architektur oder/und von vermutlich altertümlichen Steinstatuen im Hintergrund arrangiert. Die Fotografien der Männer ermitteln Durchweg den Eindruck als wären sie aus privaten Fotoalben entnommen und zeigen die Porträtierten zum Teil in ihrer männlichen Gestalt, zum Teil während des Umwandlungsprozesses und einige in ihrer Travestie-Gestalt. 

Dabei scheinen drei der Collagen jeweils eine Verbindung zwischen Geschlecht und Architektur bzw. Geschlecht und Repräsentation zu thematisieren, wohingegen die vierte diese dann auf einem Spiegel, der auch den/die Rezipient_in zum Gegenstand der Collage macht, zu vereinen scheint. Darüber hinaus scheinen die Collagen in ihrer Anordnung einer gewissen zeitlichen Chronik zu folgen, in der Kader Attia zum einen dieKonstruktion von Geschlecht mit europäischer Architekturgeschichte und zum anderen anhand der fotografierten Statuen mit der Entwicklungsgeschichte und Repräsentation von Geschlecht in Verbindung setzt. Dabei ist auffällig, dass Attia eine scheinbar antike Statue aus Europa wählt, die sehr deutlich das normative Idealbild des Männlichen darstellt, wohingegen die von ihm gewählte Statue aus dem vermutlich afrikanischen Kontext sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsattribute aufweist und keinem der zwei Geschlechter eindeutig zuzuordnen ist. Das legt für mich die Vermutung nahe, dass der Künstler die heute meist normative Trennung in zwei Geschlechter in ihrem Ursprung in den westlichen Gesellschaften verortet und somit von diesen als konstruiert ansieht. Daran schließt sich die Frage an, inwieweit die geschlechtliche Trennung in ‚Mann‘ und ‚Frau‘ und ihre Repräsentationen, ebenso wie europäische Architekturstile außerhalb Europas, ein Resultat europäischer Missionierung und Kolonialisierung ist. Kader Attia visualisiert mit seinen Collagen meinem Empfinden nach deutlich die Entwicklung und Festschreibung der heute in den meisten Ländern der Welt als normativ geltenden Konstruktionen und regt den/die Rezipient_in dazu an, die “Natürlichkeit“ der zwei Geschlechter und die eigene Position innerhalb dieser Konstruktionen zu hinterfragen.


Kader Attia ‚Architecture, transgenre, représentation de l’hermaphrodite‘, Collagen/ mixed Media  in ‘Precarious Imaging - Visibility surrounding African Queerness’

 
Der kenianische Künstler Jim Chuchu geht nach eigener Aussage anhand seiner Fotomontagen ‚Pagans V und VI‘ (2013) hingegen der Frage nach, in wieweit der negativ konnotierte Begriff der Sodomie und auch Homophobie erst durch die europäischen Missionare und später durch die Kolonialzeit ihren Weg nach Afrika gefunden hat und somit vom Westen konstruiert ist. Er hinterfragt mit dieser Arbeit also sexuelle Stereotypen und die “Natürlichkeit“ von Heterosexualität.
 
Jim Chuchu ‚Pagan V und VI‘, Fotomontagen in ‘Precarious Imaging - Visibility surrounding African Queerness’


Die Vernissage am Abend des 11.05.2014 war sehr gut besucht und es herrschte trotz der eigentlich ernsten politischen Thematik der ausgestellten Werke eine gelöste und positive Stimmung. Das Ausstellungskonzept ging auf, die Atmosphäre war intim, irgendwie privat und bot der eigentlich prekären Botschaft einen geschützten Raum, in dem die Kunstwerke zur Geltung kamen. Darüber hinaus herrschte ein reger Austausch zwischen den Besucher_innen und anwesenden Künstler_innen.  

 
*Nachtrag: Die Ausstellung  ‚Precarious Imaging - Visibility surrounding African Queerness‘ wurde am Samstag den 31.05.2014 vorzeitig geschlossen. Aus der darauf folgenden Berichterstattung wurde jedoch nicht ersichtlich, wie es tatsächlich und konkret zu der Schließung kam. Einem ersten Bericht auf times24.info zur Folge wurde die Schließung von den senegalesischen Behörden initiiert, nachdem es vermehrt zu Protesten gegen die Ausstellung gekommen war.

Weitere Berichte ließen verlauten, die RAW Material Company sei am 13.05.2014 Opfer von Vandalismus geworden und Koyo Kouoh habe die Ausstellung selbst als präventive Maßnahme gegen weitere Angriffe geschlossen. Es war darüber hinaus auffällig, dass sowohl Befürworter_innen als auch Gegner_innen der Ausstellung sich zur Untermauerung ihrer Berichte in den lokalen Medien, Online-Artikeln und den sozialen Medien zum Teil mehr als fragwürdigen Quellen bedienten, die in einigen Fällen sehr offensichtlich mit der tatsächlichen Ausstellung und den ausgestellten Kunstwerken recht wenig zu tun hatten. Die Berichterstattungen waren zum Teil gegensätzlich und es gab weder von der RAW MATERIAL Company und den Kuratorinnen noch von den senegalesischen Behörden eine offizielle Stellungnahme. Bei direkten Anfragen an die RAW MATERIAL Company erhielt ich die Antwort, dass auch die Mitarbeiter_innen dort nicht befugt wären, Auskünfte über die Schließung Preis zu geben. Meiner eigenen Erfahrung nach gibt es in der sonst sehr toleranten senegalesischen Gesellschaft zwei große Tabuthemen über die öffentlich nicht kritisch gesprochen wird: das ist zum einen Sexualität und zum anderen Religion. Und beide Themen werden meiner Erfahrung nach ebenfalls nicht kritisch mit Politik in Verbindung gebracht. Deshalb war es erst einmal sehr überraschend, dass sich in die Diskussion über Homophobie und Gesellschaft sehr schnell auch eine Diskussion über Politik und Religion mischte und  die Diskussionen um die Ausstellung und ihre vorzeitige Schließung auch als eine Art Plattform zu fungieren schien, auf der verschiedenste persönliche, gesellschaftliche und politische Differenzen ausgetragen wurden. Letztendlich war es mir erst im September möglich, mich mit Koyo Kouoh persönlich zu treffen und sie nach den Gründen für die Schließung zu fragen. Diese gestalteten sich als sehr komplex und wurde von vielen Faktoren und Ereignissen beeinflusst. Bereits im Vorfeld war es von Seiten einer religiösen Vereinigung und deren Anhänger_innen zu Protesten gegen die gesamte Biennale gekommen, die einen vermeintlich zu offenen und positiven Umgang mit Homosexualität in der auf der Biennale ausgestellten Kunst in den lokalen Medien propagierten. Diese Propaganda wurde so für die Untermauerung ihres politischen Programms im Vorfeld zu den lokalen Wahlen am 29. Juni 2014 im Senegal genutzt. Nach Eröffnung der Biennale konzentrierten sich die Proteste dann überwiegend auf die Ausstellung ‚Precarious Imaging - Visibility sourrounding  African Querness‘, da diese schon auf Grund des Namens die größte Angriffsfläche bot. Sowohl in einem lokalen TV-Sender, der der Organisation zugehörig ist, als auch in anderen Medien wurden die Ausstellung und ihre Inhalte immer wieder unter zum Teil falschen Angaben über Künstler_innen und dort ausgestellten Kunstwerken öffentlich angeprangert. Koyo Kouoh bestätigte mir darüber hinaus den Vandalismus an dem Gebäude der RAW MATERIAL Company und der Ausstellung zwei Tage nach der Vernissage. Bei diesem kam es zwar zu größeren Sach- aber zu keinen Personenschäden und dieser Vorfall wurde erst einmal nicht öffentlich gemacht, sondern lediglich der alte Zustand des Gebäudes und der Ausstellung wieder hergestellt und das Sicherheitspersonal erhöht. Nachdem die Situation im Zuge der näher rückenden Wahlen und  dem damit angespannteren politischen Klima zu eskalieren schien und es neben Drohungen gegen die Mitarbeiter_innen der RAW MATERIAL Company auch einen konkreten Hinweis auf einen weiteren geplanten Anschlag auf das Gebäude gab, verkündete Koyo Kouoh am 31.05.2014 die zeitweilige Aussetzung der Ausstellung. Diese Mitteilung wurde unter der Angabe, die senegalesischen Behörden hätten die Ausstellung geschlossen, so schnell von den lokalen Medien aufgegriffen und verbreitet, dass Koyo Kouoh nach eigener Aussage keine Möglichkeit mehr hatte, die Tatsachen richtig zu stellen. Auch die senegalesischen Behörden widersprachen diesen Meldungen nicht, weshalb die Ausstellung letztendlich endgültig geschlossen blieb. Abschließend ist also anzumerken, dass viele verschiedene Faktoren zusammen geflossen sind und die RAW MATERIAL Company tatsächlich zum Teil einfach nur als Projektionsfläche und die Ausstellung als Plattform für politischen Wahlkampf und die Austragung persönlicher Differenzen fungiert hat. Hätte die Ausstellung zu einem anderen Zeitpunkt stattgefunden, wäre ihr sehr wahrscheinlich viel weniger öffentliche Aufmerksamkeit geschenkt und vielleicht eher die Kunst fokussiert worden.

Auf Grund all der Diskussionen um die Thematik ist die Tatsache, dass es sich  bei ‚Precarious Imaging - Visibility sourrounding African Querness‘ um eine großartig konzipierte und ästhetisch sehr ansprechende Ausstellung handelte, leider vollends in den Hintergrund gerückt. Die Instrumentalisierung von Homophobie für politische Zwecke ist jedoch keine unbekannte Praxis. Deshalb ist es ebenfalls wichtig noch einmal zu unterstreichen, dass Homophobie und ihre Konsequenzen in einigen Teilen der Welt ganz real und alltäglich für Menschen Lebensrealität bedeuten kann und durch wie hier beschriebene Propaganda gegebenenfalls noch verschlimmert wird.  Die Ausstellung besaß letztendlich  tatsächlich eine besondere Relevanz. „The time is ripe to talk about homosexuality in Africa!” Allerdings haben die gegebenen Umstände die von den Künstler_innen und Kuratorinnen angestrebte offene Diskussion weitestgehend unmöglich gemacht.