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Das Gebäude des Kunsthistorischen Instituts

Das Kunsthistorische Institut und das Friedrich Meinecke Institut in der Koserstr. 20

Das Kunsthistorische Institut und das Friedrich Meinecke Institut in der Koserstr. 20

Als das Kunsthistorische Institut der Freien Universität 1998 in das Gebäude Koserstraße 20 zog, war dies nicht der erste Ortswechsel des gerade 50 Jahre alten Instituts. Bei seiner Gründung 1948 hatte es seinen Sitz im ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie an der Boltzmannstraße 3 in Dahlem. Anfang der fünfziger Jahre war es in der Villa Wiegand von Peter Behrens an der Peter-Lenné-Straße untergebracht, später in einem ehemaligen Postamt an der Morgensternstraße in Lichterfelde. Die jetzige Adresse teilt sich das Kunsthistorische Institut mit dem Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität sowie mit dem Veterinärmedizinischen Institut.

Der Luckhardt-Bau

Bauzeitliches Foto des Treppenhauses. Aus: Deutsche Bauzeitschrift 1969, S. 2465

Bauzeitliches Foto des Treppenhauses. Aus: Deutsche Bauzeitschrift 1969, S. 2465

Unweit des Geheimen Staatsarchivs, auf dem Gelände einer ehemaligen Tiergarten-Gärtnerei, errichtete Wassili Luckhardt gemeinsam mit Hans Joachim Wandelt 1963-68 den Sitz des Veterinärmedizinischen Instituts der FU. Die Baugruppe bestand aus einem viergeschossigen Haupttrakt, an den rückwärtig Flachbauten mit Hörsälen, Sammlungsräumen und Tierställen sowie ein separater Bauteil mit Dienstwohnungen anschlossen (Grundriss). Bereits 1960 hatte das Veterinärmedizinische Institut ein kleineres Gebäude mit Präparationssaal errichten lassen, das am östlichen Ende des Haupttraktes in die neue Gebäudegruppe integriert wurde. Der viergeschossige, 104 Meter lange Hauptbau entstand in Stahlskelettkonstruktion mit Betonfertigteilen. Über einem Betonsockel kragen die Hauptgeschosse mit Stahl-Glas-Verkleidung leicht vor. Weiß gestrichene Doppel-T-Trägern strukturieren die Fassade und kontrastieren mit den schwarz umrahmten Brüstungsplatten. Der Eingang in der Gebäudemitte ist durch einen Rücksprung der Bauflucht sowie die vollständige Auflösung der Fassade in Glas gekennzeichnet.

Gemeinsame Bibliothek des Kunsthistorischen Instituts und des Friedrich Meinecke Instituts, Oktober 2006

Gemeinsame Bibliothek des Kunsthistorischen Instituts und des Friedrich Meinecke Instituts, Oktober 2006

Der Luckhardt-Bau ist mit seiner Stahlskelettkonstruktion und dem strengen Fassadenraster ein spätes Beispiel für den International Style der Nachkriegszeit, mit Anleihen etwa an den Hochhausbauten Mies van der Rohes. Als das Gebäude 1968 bezogen wurde, hatten sich zahlreiche Architekten bereits neuen Stilen zugewandt: Kurz zuvor hatte Robert Venturi das Credo Mies van der Rohes („Less is more“) in „Less is a bore“ abgewandelt. Er geißelte damit die Stahl- und Glaskisten des International Style und läutete die Postmoderne ein.

Das Gebäude wurde 1990 wegen des dort verbauten Asbests geschlossen und von den Münchener Architekten Betz und Partner saniert. Das Äußere des Luckhardtschen Baus blieb weitgehend unverändert, abgesehen von einem Lichtgraben vor dem Untergeschoss, der die neu geschaffenen Bibliotheksräume mit Tageslicht versorgt. Im Erdgeschoss mussten Seminarräume der Veterinärmediziner der Bibliothek weichen, im ersten Stock wurden fünf völlig neue Seminarräume geschaffen, und in den oberen Stockwerken gibt es nunmehr zwei parallele Flure statt vormals einen.

„Großer Würfel“

Brigitte Matschinsky-Denninghoff, Der große Würfel

Brigitte Matschinsky-Denninghoff, Der große Würfel

Auf dem Vorplatz des Institutsgebäudes befindet sich die Skulptur „Großer Würfel“  von Brigitte Matschinsky-Denninghoff. Das monumentale Werk aus Chromnickelstahl besteht aus einem glatt polierten Würfel, der von fünf organisch erscheinenden Röhren umfasst und gehalten wird. Die Bildhauerin blieb damit einer gemeinsam mit Martin Matschinsky-Denninghoff entwickelten Formensprache treu, die sie auch 1987 bei ihrer vielleicht bekanntesten Arbeit aufgriffen, der Skulptur „Berlin“ auf dem Mittelstreifen der Tauentzienstraße in Berlin-Charlottenburg.

Die Dahlemer Plastik entstand in Absprache mit Wassili Luckhardt zur Bauzeit und wurde in dem mittleren von ehemals drei Innenhöfen aufgestellt, wo die geschwungenen Röhren der Skulptur mit dem streng orthogonalen Fassadenraster des Luckhardt-Baus kontrastierten. Aus Raummangel wurde dieser Hof nachträglich mit dem sogenannten „Bauteil B“ überbaut, in dem sich heute ein Teil der Bibliothek des Kunsthistorischen Instituts befindet. Die Skulptur wurde an ihren heutigen Standort versetzt.

Wassili Luckhardt hatte bei seinen Bauprojekten immer wieder eng mit bildenden Künstlern zusammengearbeitet, so baute er 1933 ein Wohnhaus für den Bildhauer Rudolf Belling in Lichterfelde. Nach dem Krieg bezog Luckhardt unter anderem Bernhard Heiliger und Hans Uhlmann bei seinen Bauten ein und arbeitete wiederholt mit Brigitte Matschinsky-Denninghoff zusammen.

Der Architekt

luckhardt

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Der 1889 in Berlin geborene Wassili Luckhardt führte in den zwanziger Jahren gemeinsam mit seinem Bruder Hans (1890-1954) sowie mit Alfons Anker (1872-1952) ein Architekturbüro, das neben Erich Mendelsohn, Ludwig Mies van der Rohe, Bruno und Max Taut und Hans Scharoun zu den wichtigen Exponenten des „Neuen Bauens“ zählte.

Nach einigen expressionistischen Bauten wandten sich die Brüder Luckhardt und Alfons Anker der Neuen Sachlichkeit zu und schufen unter anderem die weißen Kuben der „Versuchssiedlung Schorlemerallee“ (1925-30) in Berlin-Dahlem – unweit des Kunsthistorischen Instituts. In mehreren Doppel- und Reihenhausgruppen experimentierten mit neuen Bautechniken wie dem Stahlskelettbau. Ein prominentes Auftraggeberpaar war der Filmregisseur Fritz Lang und seine Frau, die Schriftstellerin Thea von Harbou, die ein Doppelhaus an der Schorlemerallee bezogen. Auch die Brüder Luckhardt selbst lebten in der Versuchssiedlung, in der sich zugleich ihr Ateliergebäude befand. Neben Geschäftshäusern und Umbauten schuf das Büro mit den Wohnhäusern am Rupenhorn in Charlottenburg (1929-30) zwei der prominentesten Beispiele der Neuen Sachlichkeit in Berlin, die mit ihren schwebenden Dachrahmen stark an Bauten Le Corbusiers erinnern.

Im Dritten Reich boten sich den Brüder Luckhardt auch nach der Trennung von ihrem jüdischen Büropartner Alfons Anker kaum Arbeitsmöglichkeiten. Einer der ersten großen Bauten nach dem Zweiten Weltkrieg war das Landesversorgungsamt in München (1954-58), zugleich der letzte Bau vor dem Tod Hans Luckhardts. Mit einem Wohnhaus im Hansaviertel 1957 sowie dem Haus der Bürgerschaft in Bremen (1961-66) feierte Wassili Luckhardt späte Erfolge. Er starb 1972 in Berlin.

Luckhardt und die FU

Über das Veterinärmedizinische Institut hinaus war das Büro Luckhardt der Freien Universität auch durch andere Bauprojekte eng verbunden. Bereits beim 1951 ausgelobten Wettbewerb für den Henry-Ford-Bau, das Hauptgebäude der FU, beteiligten sich Hans und Wassili Luckhardt. Wettbewerbssieger wurden jedoch die Berliner Architekten Sobotka und Müller, nach deren Plänen das Gebäude schließlich ausgeführt wurde. Einen seiner qualitätvollsten Nachkriegsbauten errichtete Wassili Luckhardt 1962-70 für die Freie Universität, das Pflanzenphysiologische Institut in der Königin-Luise-Straße 12-16a. Auf einem Betonunterbau mit lichtdurchflutetem Eingangsbereich ruht scheinbar schwerelos – durch eine tiefe Schattenfuge abgesetzt – der zweigeschossige Baukörper mit Glas-Stahlfassade. In der Fassadengliederung mit weiß gestrichenen, vorgelegten Stahlträgern, mit den vorkragenden Obergeschossen, dem lichten Foyer sowie dem rückwärtigen Flachbau mit Hörsaal erweist sich das Gebäude in Grundstruktur und vielen Details als Vorläufer des Veterinärmedizinischen Instituts.