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Hermann von Weinsberg

Hermann von Weinsberg

1.1. Name, Tätigkeiten und Positionen

Hermann von Weinsberg

Jurist (lic.); Advokat, Kaufmann; Ratsherr; Nachtwächter, Hauptmann; röm.-kath.; verh.

1.2. Geburts- und Todesjahr und -ort

* 03. 01. 1518 Köln

† Frühling 1597 ebd.

1.3. Herkunft, Lebensbeschreibung, Konfession

stammte aus einer Kölner Kaufmannsfamilie, Eltern betrieben Weinhandel, ältester Sohn von 11 Kindern; ging in Köln zur Schule; 1531-34 an der humanist. Fraterherrnschule in Emmerich; 1534 mit Stipendium der Kronenburse Immatrikulation an der Univ. Köln; 1536 Bacc. art., 1537 Lic. art. und M.A.; der Vater wollte, dass er auf diesem Wege eine geistl. Pfründe erwerbe; dann Jurastudium; 1539 Bacc. legum, Rektor der Kronenburse; 1543 Lic. legum; das Bemühen um eine geistl. Pfründe scheiterte erneut; 1543 Eintritt in die Gaffel Schwarzhaus, Wahl zum Ratsherrn; erwarb seinen Lebensunterhalt mit seinen Renten, kleineren Prozessen und einem bescheidenen Weinhandel, den er zunächst mit seinem Vater gemeinsam betrieb, arbeitete aber vor allem als Ratsherr und Familienchronist; eine uneheliche Tochter mit einer Magd seiner Mutter; 1548 Heirat mit der 6 Jahre älteren verwitweten Kauffrau Weisgin Ripgin, in dieser Ehe keine Kinder; er betrieb zusammen mit ihr Geschäfte; nach dem Tod seines Vaters 1549 übernahm er dessen Burggrafenamt (eine Art Hausmeisterstelle, aber mit Einkünften) und schied aus dem Rat aus; Weisgin Ripgin betrieb einen schwunghaften Zwischenhandel mit Woll- und Leinenprodukten, HvW führte ihre Bücher; 1557 Tod Weisgin Ripgins; 1558 Heirat mit der verwitweten Kauffrau Drutgin Barß, auch mit ihr betrieb er gemeinsame Geschäfte; auch in dieser Ehe keine gemeinsamen Kinder; auch Drutgin Barß war im Handel tätig, HvW führte auch ihr die Bücher, getrennte Kassen beider Eheleute; 1565 schied er auf Drängen seiner Frau aus dem Burggrafenamt aus und wurde erneut von seiner Gaffel in den Rat gewählt; 1573 Tod Drutgin Barß‘; in den Jahren danach schwanden seine Einkünfte durch die Kriegsverwüstungen, und ab 1580 musste er an den Toren als Nachtwächter arbeiten; 1583-87 arbeitete er als Hauptmann eines Fähnleins Soldaten; nach dem Tod seiner Mutter 1575 lebte er mit einem Bruder und einer Schwester zusammen; bis zu seinem Tod wurde er immer wieder von seiner Gaffel in den Rat gewählt, galt als Experte in Steuersachen, wurde auch gern als Schiedsmann benutzt

1.4. Literatur zur Person

ADB 55 (1910) 18f. (Hermann Keussen); Rheinische Lebensbilder 11 (1988) 59-76 (Wolfgang Herborn) (Lit.); G[eorg] Voß, Ein Studentenleben aus der Reformationszeit. In: Burschenschaftliche Bll 4 (W.-S. 1889/90) 49-53. 65-67. 81-86; Jakob Dreesen, Kölner Kultur im 16. Jahrhundert. Die Handschrift des Hermann von Weinsberg. Mitteilungen und Erläuterungen. Köln 1899; Josef Stein, Hermann Weinsberg als Mensch und Historiker. Köln 1917 (= Jb des Kölnischen Geschichtsvereins 4 (1917) 109-168); Wolfgang Herborn, Die Familie von Schwelm/von Weinsberg. Entwicklungsstufen einer bäuerlichen Familie im großstädtischen Milieu an der Schwelle zur Neuzeit. In: Beiträge zur Heimatkunde der Stadt Schwelm und ihrer Umgebung NF 32 (1982) 36-62; Häßlin ed. (s.u. 2.4) 409-426; Robert Jütte, Household and Family Life in Late 16th Century Cologne: The Weinsberg Family. In: Sixteenth Century Journal 17 (1986) 165-182; ders., Aging and Body Images in the Sixteenth Century: Hermann Weinsberg’s Perception of the Aging Body. In: European History Quarterly 18 (1988) 259-280; Wolfgang Schmid, Kölner Renaissancekultur: im Spiegel der Aufzeichnungen des Hermann Weinsberg (1518-1597). (= Veröffentlichungen des Kölnischen Stadtmuseums 8). Köln 1991; Manfred Groten (Hg.), Hermann Weinsberg (1518-1597). Kölner Bürger und Ratsherr. Studien zu Leben und Werk. (= Geschichte in Köln − Beihefte: Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte 1). Köln 2005 (darin v.a. die Beiträge von Wolfgang Herborn, Tobias Wulf, Joachim Oepen; Rez.: Gregor Rohmann, URL: http://www.sehepunkte.historicum.net/2005/12/9029.html, 2.4.2007); Wolfgang Herborn: Biographisches, in: Die autobiographischen Aufzeichnungen Hermann Weinsbergs - Digitale Gesamtausgabe, URL: http://www.weinsberg.uni-bonn.de/Projekt/Weinsberg/Weinsberg.htm, 22.9.2007; Manfred Groten: Zum Werk Hermann Weinsbergs, in: Die autobiographischen Aufzeichnungen Hermann Weinsbergs - Digitale Gesamtausgabe, URL: http://www.weinsberg.uni-bonn.de/Projekt/Weinsberg/Weinsberg.htm, 22.9.2007; Walter Hoffmann: Sprachgeschichtliche Einordnung, in: Die autobiographischen Aufzeichnungen Hermann Weinsbergs - Digitale Gesamtausgabe, URL: http://www.weinsberg.uni-bonn.de/Projekt/Weinsberg/Weinsberg.htm, 22.9.2007 (dort auch weitere Lit. usw.)

2.1. Quelle: benutzte Edition

Die autobiographischen Aufzeichnungen Hermann Weinsbergs − Digitale Gesamtausgabe. Hg. v. Tobias Wulf in Zusammenarbeit mit Manfred Groten und Thomas Klein; bisher fertig gestellt: Liber juventutis, Liber senectutis, Liber decrepitudinis, Zitierweise: Bandangabe, Folio-Seitenangabe, URL: http://www.weinsberg.uni-bonn.de/Projekt/Handschrift/Handschrift.htm, 22.9.2007; Buch Weinsberg fehlt noch, wird zuerst (2008) gedruckt erscheinen (Hg. Tobias Wulf, unter Mitarbeit von Eva Büthe, Manuel Hagemann, Rafaela Hiemann und Melanie Wooßmann), dann auch digital; bisher in Bd. 5 der alten Werkausgabe: Das Buch [Hermanns von] Weinsberg. Kölner Denkwürdigkeiten aus dem 16. Jahrhundert bearb. v. Konstantin Höhlbaum [Bde. 1.2]/bearb. v. Friedrich Lau [Bde. 3.4]/bearb. v. Josef Stein [Bd. 5]: Kulturhistorische Ergänzungen. Bde. 1-5. (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 3.4.16). Leipzig 1886 und 1887 (Bd. 1.2), Bonn 1897 und 1898 (Bd. 3.4), Bonn 1926 (Bd. 5)

2.2. Beschreibung der Edition, Bemerkungen

vollst., diplomatisch getreu und parallel in einer Lesefassung; Seitenwechsel vermerkt, Ort der Hss. angegeben, keine inhaltl. Erschließung des Textes; ausführliche Informationen zu den Editionsprinzipien; ersetzt (soweit bisher vorhanden) die alte Edition

2.3. Literatur zur Quelle bzw. Edition

Häßlin ed. (s.u. 2.4) 427-432; Herborn (s.o. 1.4) 59f.; Theodor Paas, Ein neues Buch Weinsberg. In: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 15 (1933) 161-167; Stephan Pastenaci, Erzählform und Persönlichkeitsdarstellung in deutschsprachigen Autobiographien des 16. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur historischen Psychologie. (= Literatur − Imagination − Realität 6). Trier 1993, 90-145; Anette Völker-Rasor, Bilderpaare − Paarbilder. Die Ehe in Autobiographien des 16. Jahrhunderts. (= Rombach Wissenschaft. Reihe Historiae 2). Freiburg 1993; Gerhard Fouquet, Ein privates Milieu im 16. Jahrhundert. Familie und Haushalt des Kölner Hermann Weinsberg (1518-1597). In: Rainer S. Elkar (Hg.), Vom rechten Maß der Dinge. Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte. FS für Harald Witthöft zum 65. Geburtstag. (= Sachüberlieferung und Geschichte 17). St. Katharinen 1996, 347-379; Christoph Lumme, Höllenfleisch und Heiligtum. Der menschliche Körper im Spiegel autobiographischer Texte des 16. Jahrhunderts. (= Münchener Studien zur neueren und neuesten Geschichte 13). Frankfurt, M./Berlin/Bern/New York/Paris/Wien 1996 (passim; kein Reg.); Birgit Studt, Der Hausvater. Haus und Gedächtnis bei Hermann von Weinsberg. In: Rheinische Vierteljahrsblätter 61 (1997) 135-160; Joachim Oepen, Ein neues Buch Weinsberg: Erste Einblicke. In: Geschichte in Köln 46 (1999) 123-129; Gregor Rohrmann, Der Lügner durchschaut die Wahrheit. Verwandtschaft, Status und historisches Wissen bei Hermann von Weinsberg. In: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 71 (2000) 43-76; Manfred Groten, Die autobiographischen Aufzeichnungen des Kölner Bürgers Hermann Weinsberg (1518-1597). Digitale Erfassung, historische Auswertung und sprachgeschichtliche Analyse. In: Zeitenblicke 1,2 (2002) [20.12.2002], URL: http://www.zeitenblicke.historicum.net/2002/02/groten/index.html, 2.4.2007; Manfred Groten (Hg.), Hermann Weinsberg (1518-1597). Kölner Bürger und Ratsherr. Studien zu Leben und Werk. (= Geschichte in Köln − Beihefte: Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte 1). Köln 2005 (darin v.a. die Beiträge von Alexandra Vullo, Robert Jütte, Robert Möller); Wolfgang Schmid, Kölner Renaissancekultur im Spiegel der Aufzeichnungen des Hermann Weinsberg (1518-1597). Köln 1991; Barbara Schmid, Schreiben für Status und Herrschaft. Deutsche Autobiographik in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Zürich 2006, 64. 65. 94; Antje Wittstock, Von eim Kemergin − minem studorio. Zur Darstellung von ,Denkräumen’ in humanistischer Literatur. In: Elisabeth Vavra (Hg.): Imaginäre Räume. Sektion B des internationalen Kongresses „Virtuelle Räume. Raumwahrnehmung und Raumvorstellung im Mittelalter“, Krems an der Donau vom 24. bis 26. März 2003. Mit 33 Abb. (= Österr. Ak. der Wiss.en, philos.-hist. Kl., Sbb 758) (=Veröffentlichungen des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 19). Wien 2007, 133-154 (zu Felix Platter, Ulrich von Hutten, HvW); Gregor Rohmann, mit seer grosser muhe und schreiben an ferre Ort. Wissensproduktion und Wissensvernetzung in der deutschsprachigen Familienbuchschreibung des 16. Jahrhunderts. In: Birgit Studt (Hg.): Haus- und Familienbücher in der städtischen Gesellschaft des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit. (= Städteforschung A 69). Köln/Weimar/Wien 2007, 87-120: v.a. 88-98 (dort auch weitere neue Lit.)

2.4. weitere Editionen; Auszüge, Übersetzungen

Auswahl, ins Nhd. übers.: Das Buch Weinsberg. Aus dem Leben eines Kölner Ratsherrn. Im Auftrag der Stadt Köln hg. v. Johann Jakob Häßlin. Vom Hg. ausgewählt und ins Hochdt. übertr. München 31980 (11961) (gekürzt, nicht textkrit.; nimmt aber z. T. bei Höhlbaum/Lau eds. [s.o. 2.1] gestrichene Stellen mit auf); Matthias Zender, Rezension zu: J. J. Hässlin, Das Buch Weinsberg. In: Rheinische Vierteljahrsblätter 26 (1961) 366-370

3.1. Abfassungszeit

(1) 1561 (7 Monate lang) (Buch Weinsberg)

(2) [= Berichtszeitraum, s.u. 4.3.]: 1561-1597 (Gedenkbücher)

3.2. AdressatInnen

Nachfahren: „Dem erenthaften fleisligsten zukunftigen hausfatter zu Weinsberch, minem geliebten erben“ (1, 3)

3.3. Funktion der Quelle

Nachschlage- und Auskunftsbuch; Rechtfertigung seines Lebens und seiner berufl. Entscheidungen; alles, was das Gedächtnis der Menschen nur unvollkommen und lückenhaft festhält und was mit dem Tod unwiederholbar verloren geht, schriftl. festhalten und für die Nachwelt retten; Schreiben der Chronik steht im Zsh. mit seinem Bestreben, seine Familie auf dem Aufstiegsweg weiter voranzubringen, sie dafür auch möglichst weit in die Vergangenheit in möglichst hoher ges. und pol. Stellung zu verankern; ein Grund für dieses Bestreben war sein Wunsch, seine gegenwärtige Position oder eine noch zu erstrebende neue Position hist. zu legitimieren

3.4. Medium (hsl.; gedr.); Überlieferung; Ort der Hs.

hsl., Überl.: Hs. geriet wahrsch. im Zsh. mit einem Prozess gg. den jüngeren Weinsberg ins Archiv; Ort: Stadtarchiv Köln

4.1. Berichtszeitraum

(1) 1517-1555

(2) 1556-1597

4.2. Sprache

dt.: weder städt. Dialekt noch gemeindt., sondern Kanzleisprache (wie in den Ratsprotokollen)

4.3. Form der Quelle

Ich-Form; ein 1. Teil (Berichtszeitraum 1517-1555/Abfassungszeit 1561) gestützt auf eigenes Erinnerungsvermögen, Erzählungen seiner Verwandten und Bekannten, auf Quellenstudien, zeitgenöss. Lit. und ab 1550 auf seine Almanach-Einträge (Tagebuch); der 2. Teil fußt ebenfalls auf seinen Almanach-Einträgen, geht aber über das Tagebuch-Artige nicht hinaus; 3 hsl. autobiograph. Bde. mit Titeln: „Liber Juventutis 1518-1577“, „Liber Senectutis 1578-1587“, „Liber Decrepitudinis 1588-1597“, ferner „Boich Weinsberch“ mit Vorgeschichte der Familie, Erläuterungen zum Testament, seine Gedichte, Notizen über Preise, eine Sprichwörtersammlung etc.

4.4. Inhalt

familiäre Entwicklungen, berufliche Aktivitäten, alltägliche Begebenheiten, pol. und kirchl. Ereignisse; genaue Selbstbeschreibungen, z. B. von Kleidung, Krankheiten, körperl. Veränderungen durch Alter; Notizen über seine Lektüre

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