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Josel von Rosheim

Josel von Rosheim

1.1. Name, Tätigkeiten und Positionen

Josel von Rosheim [Joselmann of Rosheim, Joseph ben Gershom]

Kaufmann, Geldverleiher; Parnas der unterelsäss. Juden; Shtadlan; jüd.; verh.

1.2. Geburts- und Todesjahr und -ort

* ca. 1478 in ?

gest. 1554 in ?

1.3. Herkunft, Lebensbeschreibung, Konfession

seine Familie lebte im 15. Jh. in Endingen/Baden, nach der Vertreibung v. dort siedelte sich sein Vater Gerschon in Obernai/Elsass an und floh nach den Schweizer Plünderungszügen v. dort nach Hagenau; 1484 Tod des Vaters; aufgezogen v. der Familie seiner Mutter Reislin aus Hagenau; er verdiente seinen Lebensunterhalt mit Geldverleih und Handel und siedelte sich in Mittelbergheim bei Straßburg an; 1507 verhandelte er erfolgreich f. die aus Obernai vertriebenen Juden mit den Provinzobrigkeiten und dem Ks.; 1510 wurde er zus. mit Rabbi Zadok und einigen anderen zu Parnassim der Juden des Unterelsass gewählt, d.h. er hatte zum einen innerjüd. Gerichts- und Verwaltungsfunktionen auszuüben, zum anderen war er häufig in Verhandlungen mit den christl. Obrigkeiten f. die unterelsässischen Juden tätig; zusätzlich beauftragten ihn andere Judenschaften des Reiches vielfach mit solchen diplomatischen Interventionen, wenn sie v. Rechtsbrüchen, v. Vertreibung, v. Folter und Hinrichtung infolge v. Ritualmordbeschuldigungen bedroht waren; in dieser Funktion des Shtadlan, als wichtigster jüd. Politiker im Reich, verhandelte er häufig mit dem Ks. und erlangte versch. Judenschutzbriefe (1520, 1530, 1544); 1530 musste er auf dem Augsburger Reichstag mit Antonius Margarita disputieren, und es gelang ihm, den Ks. v. der Haltlosigkeit des Vorwurfs jüd. Spionage f. die Türken zu überzeugen; mehrfach setzte er sich gg. die beabsichtigte Vertreibung der Juden durch versch. Landesherren ein (Sachsen, Bayern, Baden-Württemberg); Mitwirkung an innerjüd. Ordnungen zur Regelung des Geldverleihs und v. Handelsgeschäften; Gegner der messianischen Bewegung v. David Reubeni und Salomon Molcho; 1543 erlangte er v. Straßburger Rat ein Verbot der antijüd. Schriften Luthers; 1546 im Schmalkaldischen Krieg unterstützte er die ksl. Seite; verfasste versch. autobiogr., ethische und homiletische Schriften sowie Verteidigungsschriften f. die Juden

1.4. Literatur zur Person

EJ 10 (1971) 227-229 (Jacob Rothschild); EJ 4 (1971) 1175f. (Jan Herman/Misha Louvish) sv Bohemia; EJ 5 (1971) 67 (Salo W. Baron) sv Calvin. 147f. (Misha Louvish/Raphael Loewe) sv Capito. 355 sv Charles V (II); NDB 10 (1974) 609f. (Hans Jürgen Rieckenberg); Elie Scheid, Joselmann de Rosheim. In: REJ 13 (1886) 62-84. 248-259; EncR 2 (1996) 355f. (Jerome Friedman); Isidore Loeb, Rabbi Joselmann de Rosheim. In: REJ 2 (1881) 271-277 [Biographie]; 5 (1882) 93-103 [Verschiedenes]; M[arcus] Lehmann, Rabbi Joselmann von Rosheim. Historische Erzählung aus der Zeit der Reformation. 2 Bde. Frankfurt, M. 1879/80 (= ND Zürich 1988); Moritz Stern, Joselmann von Rosheim und seine Nachkommen. In: Zs f d Gesch der Juden in Deutschland 3 (1889) 65-74; Harry Bresslau, Aus Strassburger Akten: zur Gesch. Josels von Rosheim. In: Zeitschrift f Gesch der Juden in Deutschland 5 (1892) 309-332; Ludwig Feilchenfeld, Rabbi Josel von Rosheim. Ein Beitrag zur Geschichte der Juden in Deutschland im Reformationszeitalter. Straßburg 1898; Saul Phinehas Rabbinowitz, Rabbi Yosef Ish Rosheim. Haye ha-shtadlan R. Yosef Yuzilman Le-mishpahat Lu’ants u-mif ’alav. [Mikrofilm] Warschau 1902; Moses Ginsburger, Josel von Rosheim und seine Zeit. (= Schriften der Ges f die Gesch der Israeliten in Elsaß-Lothringen 11). Gebweiler 1913; Kurt Pinthus, Josel von Rosheim. In: Jüdische Gestalten und ihre Zeit. Berlin 1936, 137-150; Isaiah Tishby, Teudot michtav-jadav schel R. Moscheh Loanz bno schel R. Joselman mi-Rosheim. In: Mosche David Cassuto/Joseph Klausner/Jehoschua Gutman (eds.), Sefer Assaf. Kowez maamrei mechkar. [FS Simcha Assaf.] Jerusalem 1952/53, 515-528 (hebr.); Selma Stern, Josel von Rosheim. Befehlshaber der Judenschaft im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Stuttgart 1959; Iosephi de Rosheim Sefer Hammiknah. Ex autographo auctoris descripsit prolegominis at annotationibus instruxit Hava Fraenkel-Goldschmidt. Jerusalem 1970, Introduction, 11-77: 57-77 (hebr.); Hayim Hillel Ben-Sasson, The Reformation in Contemporary Jewish Eyes. In: Proceedings of the Israel Academy of Sciences and Humanities, vol. 4 (1969-1970). Jerusalem 1971, 230-326: 286-293; Roger Berg, 1478, naissance de Joselman de Rosheim, „chef suprême de la nation juive“. In: Amitiés France-Israël 258 (1978) 55-57; Yishaq Zîmer, Jewish Synods in Germany during the Late Middle Ages. New York 1978 (teilw. hebr. und engl.), 59-66 (Machtfülle als Shtadlan [normal]); Daniel J. Cohen, German Jewry’s Struggle against Expulsion in 1545: R. Joselmann of Rosheim and the Appeal to Cardinal Farnese. In: Shmuel Almog (Hg.), Israel and the Nations. Essays printed in Honor of Shmuel Ettinger. Jerusalem 1987, 43-52 (hebr.); Rosemarie Schuder/Rudolf Hirsch, Der Gelbe Fleck. Wurzeln und Wirkungen des Judenhasses in der dt. Gesch. Essays. Berlin 1989, Kap. Josel von Rosheim − Luther − Osiander, 353-423; Leonore Siegele-Wenschkewitz, Josel von Rosheim: Juden und Christen im Zeitalter der Reformation. In: Kirche und Israel 6,1 (1991) 3-16; Kenneth R. Stow, Alienated Minority. The Jews of Medieval Latin Europe. Cambridge, Mass./London 1992, 175 (Machtfülle als normal, Shtadlan; gewählt und daher mächtiger als die bis dahin führenden Rabbis); Eckardt Opitz, Johannes Reuchlin und Josel von Rosheim. Probleme einer Zeitgenossenschaft. In: Arno Herzig/Julius H. Schoeps (Hgg.) in Zus.arb. mit Saskia Rohde, Reuchlin und die Juden. (= Pforzheimer Reuchlinschriften 3). Sigmaringen 1993, 89-108; Elisheva Carlebach, Converts and their Narratives in Early Modern Germany. The Case of Friedrich Albrecht Christiani. In: Leo Baeck Institute Year Book 40 (1995) 65-83: 69 Anm. 19. 79 (JvR und Konvertiten); dies., Joseph of Rosheim and the History of Jews in German Lands. In: Jewish Studies 36 (1996) 75-77; dies., Between History and Myth: The Regensburg expulsion in Josel of Rosheim’s “Sefer ha-Miknah”. In: ead./John M. Efron/David N. Myers (eds.): Jewish History and Jewish Memory. Essays in Honor of Yosef Hayim Yerushalmi. Hanover, NH 1998, 40-53; Hans-Joachim Bechtoldt, Josel von Rosheim, „Fürsprecher“ der deutschen Juden, und seine Kontaktaufnahme zu Martin Luther. In: Ebernburg-Hefte 2002, 13-29; François Guesnet, Die Politik der „Fürsprache“: Vormoderne jüdische Interessenvertretung. In: Dan Diner (Hg.): Synchrone Welten. Zeitenräume jüdischer Geschichte. Göttingen 2005, 67-92

2.1. Quelle: benutzte Edition

Josel von Rosheim, Chronicle (hebr.). In: Chava Fraenkel-Goldschmidt (ed.), Joseph of Rosheim. Historical Writings. Jerusalem 1996, 42-55 (Einl. zum Text). 275-310 (Text)

2.2. Beschreibung der Edition, Bemerkungen

Krit. Ed. mit textkrit. Anmerkungen

2.3. Literatur zur Quelle bzw. Edition

Selma Stern passim (s.o. 1.4.); Iosephi de Rosheim Sefer Hammiknah. Ex autographo auctoris descripsit prolegominis at annotationibus instruxit Hava Fraenkel-Goldschmidt. Jerusalem 1970, Introduction, 11-77 (hebr.); Gabriele Jancke, Autobiographische Texte − Handlungen in einem Beziehungsnetz. Überlegungen zu Gattungsfragen und Machtaspekten im deutschen Sprachraum von 1400 bis 1620. In: Winfried Schulze (Hg.), Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen in der Geschichte. (= Selbstzeugnisse der Neuzeit 2). Berlin 1996, 73-106: 78-84; Jancke (2002) 35-43 (Fallstudie 1). 67-74 (Machtverhältnisse und Beziehungskonzepte). 188f. 191f. (Rezeptionskreise); Chava Fraenkel-Goldschmidt (Hg.), The Historical Writings of Joseph of Rosheim. Leader of Jewry in Early Modern Germany, übers. v. Naomi Schendowich, engl. Ed. und Nachwort v. Adam Shear (= Studies in European Judaism 12), Boston/Leiden 2006; Debra Kaplan, Writing History, Defining Communities: The Construction of Historical Space in Josel of Rosheim’s Chronicle. In: Andreas Bähr/Peter Burschel/Gabriele Jancke (Hgg.), Räume des Selbst. Selbstzeugnisse transkulturell (= Selbstzeugnisse der Neuzeit 19). Köln/Weimar/Wien 2007, 97-109

2.4. weitere Editionen; Auszüge, Übersetzungen

Josel(mann) von Rosheim, Journal. Hg. v. Isidor Kracauer. In: Révue des Etudes Juives 16 (1888), 84-105, Text: 85-95 (hebr. mit frz. Inhaltsangabe; Ed. überholt durch Fraenkel-Goldschmidt [s.o. 2.1.], weitere Quellen (dt., frz., lat.) beigegeben); zahlreiche Zitate in dt. Übers.: Lehmann (s.o. 1.4.) passim; Selma Stern passim (s.o. 1.4.); Iosephi de Rosheim Sefer Hammiknah. Ex autographo auctoris descripsit prolegomenis at annotationibus instruxit Hava Fraenkel-Goldschmidt. Jerusalem 1970 (hebr.); engl. Übers.: The Chronicle. In: Historical Writings (s.o. 2.3.) 303-339 (Text in engl. Übers., mit inhaltlichen Erläuterungen)

3.1. Abfassungszeit

ab 1543/44-1547

3.2. AdressatInnen

selbst, Mitglieder der jüd. Gemeinde

3.3. Funktion der Quelle

das eigene Engagement zur Wahrung der jüd. Rechte festhalten als Unterschied zur Elterngeneration, als trotz letztlicher Erfolglosigkeit wichtig und weiterhin nötig dokumentieren, sich selbst und in das Wir eingeschlossene jüd. Gemeindemitglieder in entspr. Aktivitäten bestärken (implizit)

3.4. Medium (hsl.; gedr.); Überlieferung; Ort der Hs.

hsl.; gelangte in die Bibliothek des Prager Rabbiners David Oppenheim (1664-1734) (zur Bibliothek: EJ 4, 974; 12, 1421) und zus. mit dieser 1829 nach Oxford, Bodleian Library, MS. Opp. 715

4.1. Berichtszeitraum

1470-1547

4.2. Sprache

hebr.

4.3. Form der Quelle

Ich- und Wir-Form, Prosa; Memoiren

4.4. Inhalt

Beziehungen zw. Juden und christl. Obrigkeiten im Reich, sofern JvR durch seine Familie o. durch eigene pol. Aktivitäten in seiner Funktion als Shtadlan daran beteiligt ist; keine innerjüd. Aktivitäten in seiner Funktion als Parnas (außer bei Schlichtungsversuchen in der Prager jüd. Gemeinde)

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