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Kojosŏn

Samguk yusa - Legendensammlung der Drei Königreiche (1281) von Iryŏn (1206-1289)

Samguk yusa - Legendensammlung der Drei Königreiche (1281) von Iryŏn (1206-1289)
Bildquelle: The Academy of Korean Studies

Der Name Kojosŏn kommt im Gründungsmythos der koreanischen Nation vor, der in der von Iryŏn verfassten Legendensammlung der Drei-Königreiche, Samguk yusa (1281), aufgezeichnet wurde. Darin steht, dass ein himmlischer Sohn namens Tan’gun wanggŏm in der Zeit des ersten chinesischen Staates Xia ein Reich gründete, das Chosŏn genannt wurde. Dieses Reich bezeichnete der Verfasser als Kojosŏn, Alt-Chosŏn, und unterschied es mit dem Attribut „Alt-“ von dem Reich Wiman-Chosŏn, das in dem darauffolgenden Kapitel der Samguk yusa beschrieben wird.

Berücksichtigt man die Zeit der Niederschrift, als das damalige Königreich Koryŏ durch die mongolische Invasion in eine existentielle Krise gestürzt worden war, dann liegt die Vermutung nahe, dass Iryŏn mit dem genannten Zeitraum der Entstehung von Kojosŏn, der mit dem legendären ersten Staat Chinas vergleichbar ist, die historische Kontinuität der damaligen Koryŏ-Dynastie betonen wollte. Das heute oft genannte Entstehungsdatum 2333 v. Chr. wurde erst in der 1484 veröffentlichten Geschichtsschreibung Tongguk t’onggam angegeben.

Mehrere Quellen der alten chinesischen Chroniken bezeugen die Existenz einer sogenannten „ostbarbarischen“ Stammeseinheit in der südmandschurischen Gegend vom 7. bis 1. Jahrhundert v. Chr. Sie sprechen von einem Altstaat Chao-hsien, Chosŏn, jenseits der nordöstlichen Grenze. Dieser Staat betrieb mit dem frühen chinesischen Staat Qi Handel und es gab Grenzkonflikte mit dem am nördlichsten gelegenen chinesischen Staat Yen. Die Konflikte führten im 3. Jahrhundert v. Chr. dazu, dass der Staat Yen seinen Nachbarn Chosŏn angriff und das Gebiet besetzte. In Folge dessen wurde Chosŏn von der Region um den Fluss Liao weiter nach Osten verschoben. Das neue Siedlungsgebiet lag nun in der Gegend des Flusses Taedong, wo sich heute die Hauptstadt Nordkoreas befindet. Im Jahr 194 v. Chr. wurde dieses Chosŏn erneut von nordchinesischen Flüchtlingen erobert. Nach dem Namen des Anführers dieser Auswanderer, Wiman, wird die Periode als Wiman-Chosŏn bezeichnet. Sie ging im Jahr 108 v. Chr. mit der Eroberung durch die chinesische Han-Dynastie zu Ende.

Auf der Grundlage der historischen Überlieferungen lässt sich über den ersten koreanischen Staat Kojosŏn Folgendes sagen: In der antiken chinesischen Zeit gab es einen Stammesstaat nordöstlich der chinesischen Grenzen, der bereits seit früherer Zeit in der Gegend existierte und der sich spätestens im 7. Jahrhundert v. Chr. zu einem frühen Staat mit einer politischen, wirtschaftlichen und sozialen Struktur entwickelte. Der Staat wurde chinesisch Chao-hsien, (Chosŏn in koreanischer Sprache) genannt und hatte mit nordchinesischen Staaten Handels- wie auch kriegerische Kontakte.

Nach den archäologischen Forschungen wurde der Staat durch die Einführung einer fortschrittlichen Bronzekultur beeinflusst, deren Verbreitung das Gebiet um den Fluss Liao umfasst. Deshalb wird angenommen, dass der erste Staat Koreas, Kojosŏn, mit der Einführung der Bronzekultur in der südmandschurischen Gegend entstand war, deren Zeitraum etwa zwischen das 15. und 10. Jh. v. Chr. datiert wird.

Das Leben der Menschen jener Zeit ist uns in Ausschnitten in der chinesischen Chronik Han-shu überliefert. Es gab ein kodifiziertes Recht mit acht vorgesehenen Strafen, von denen drei überliefert sind: die Todesstrafe für Mörder, eine Nahrungsmittelstrafe für Gewalttäter und die Versklavung für Diebe. Daraus kann man ableiten, dass es eine Gerichtsbarkeit, ein Eigentumsrecht und Formen sozialer Klassen gab. Außerdem lässt die Geschichtsschreibung erkennen, dass die Keuschheit der Frauen von großer Bedeutung war. Das deutet darauf hin, dass Kojosŏn eine patriarchalische Gesellschaftsordnung hatte, in der bereits eine ausgeprägte politische und gesellschaftliche Machtstruktur vorhanden war.

Koindol - Steingrab aus der Bronzezeit in Ŭnyul

Koindol - Steingrab aus der Bronzezeit in Ŭnyul
Bildquelle: The Academy of Korean Studies

So lässt sich zusammenfassen, dass sich im Zeitraum der Einführung der Bronzekultur in den Ebenen um den Fluss Liao in der heutigen Süd-Mandschurei einer der dort ansässigen Clanverbände zu einer Herrschaftseinheit entwickelte, die deutlich entwickelte Strukturen aufwies. Ein genaues Datum ist aber grundsätzlich kaum zu ermitteln. Im Allgemeinen wird angenommen, dass Kojosŏn als erster koreanischer Staat im Zeitraum von 2333 v. Chr. bis 108 v. Chr. existierte: von der mythologischen Existenz der ursprünglichen Stammeseinheit mit einem religiös-rituellen Führer in der chinesischen Südmandschurei bis zum historischen Reich Wiman-Chosŏn im nordwestlichen Gebiet der koreanischen Halbinsel.

 

Hee Seok Park