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Ingo Wiwjorra

Studien zum Germanenmythos in der Altertumsforschung des 19. Jahrhunderts.

Die Vorstellung von einer maßgeblichen Identitätsprägung durch germanische Vorfahren gehört in Deutschland traditionell in den Katalog der populären Nationalstereotypen. Die Idealisierung der Germanen als ein seit prähistorischen Epochen dominierender Rassentypus bildet den Fokus eines völkischen Geschichtsdenkens, das in erheblichem Maße auf der Rezeption einer politisch zunehmend tendenziösen Altertumsforschung des 19. Jahrhunderts basiert.

Für die in der Dissertation gestellte Aufgabe, die Genese des im nationalen und insbesondere völkischen Denken konstitutiven Germanenmythos anhand der altertumskundlichen Publizistik des 19. Jahrhunderts nachzuvollziehen, mußte ein weit gefaßtes Verständnis dieser sich erst in dieser Phase sukzessive etablierenden Fachrichtung zugrunde gelegt werden. Die als Quellenbasis herangezogenen Veröffentlichungen stammten notwendigerweise aus dem gesamten altertumskundlichen Fächerkanon wie etwa der Archäologie, der Germanistik, der vergleichenden Sprachforschung, der Geschichte und der Anthropologie. Darüber hinaus war ein von seiner Qualifikation sehr breites Spektrum der Akteure zu berücksichtigen, das von seriösen Fachwissenschaftlern über Populärwissenschaftler bis hin zu fachlich dilettierenden Publizisten reicht. Dieser Ansatz ist wichtig, um Ideologisierung und Mythisierung der Germanenthematik angemessen zu reflektieren.

Die Studie gliedert sich in zwei Teile. Der erste Teil befaßt sich mit den Konfliktpotentialen, die aus den konkurrierenden altertumskundlichen Verortungen nationaler Identität resultierten. Hier stand der Forderung nach einer Gleichung „germanisch-deutsch“ die Vorstellung eines für die Konstituierung der Nation maßgeblichen Anteils der Kelten, der Slawen sowie des kulturellen Erbe der antiken Kulturen gegenüber.

Der zweite Teil beschreibt den Prozeß, diese altertumskundlichen Konflikte mittels rassenanthropologischer Ansätze zu kompensieren. Eine auf den „germanischen Typus“ ausgerichtete Rassengeschichte, die einen Ursprung der Germanen im Norden und deren Rolle als maßgeblicher Kulturträger seit prähistorischer Zeit zu „beweisen“ suchte, erfüllte jenseits des wissenschaftlichen Diskurses ideologiebildende Funktionen.

Erschienen als

Wiwjorra, Ingo: Der Germanenmythos. Konstruktion einer Weltanschauung in der Altertumsforschung des 19. Jahrhunderts, Darmstadt 2006.

Kontakt

E-Mail: wiwjorra[at]gmx.de