Springe direkt zu Inhalt

Susanne Wein

Antisemitismus im Reichstag 
Judenfeindliche Sprache in Politik und Gesellschaft der Weimarer Republik

In dieser Arbeit werden antisemitische Äußerungen in den Reichstagsdebatten der Weimarer Republik erstmals in einer Monografie untersucht.

Quantitativ nahm der Antisemitismus mit der Anzahl der rechtsextremen Abgeordneten im Reichstag zu – in der zweiten Wahlperiode 1924 und von neuem ab Oktober 1930. Im Gegenzug wurde er von den parlamentarischen Kräften in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre immer seltener geächtet.

Die Studie entwickelt aus der kontextgestützten semantischen Analyse des Sprachhandels der Akteure die Kategorien einer Sprache der Judenfeindschaft: Von offener radikal-antisemitischer Propaganda der Deutschvölkischen und Nationalsozialisten über verschieden stark codierte Formen bis hin zu kulturell eingeschriebenen Redewendungen, die den Sprechenden nicht bewusst waren. Solche latent antisemitischen Sprachformen traten auch bei den Parteien der Mitte und der Linken auf. Die Arbeit hebt außerdem die bisher vernachlässigte Rolle der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) in Bezug auf das Salonfähigmachen judenfeindlicher Einstellungen hervor.

Von einem ideologiekritischen Standpunkt ausgehend, verknüpft die Untersuchung Ansätze der historischen Antisemitismusforschung und der Politischen Kultur-Forschung, um sich den unausgesprochenen Selbstverständlichkeiten der Weimarer Gesellschaft anzunähern. Durch diese Methode ist es möglich, den Antisemitismus als relevantes Muster in der Deutungskultur der politischen Kultur der Weimarer Republik nachzuweisen. Die wellenförmig auftretenden judenfeindlichen Deutungen, die im Reichstag und darüber hinaus erkennbar sind, legen zudem den Schluss nahe, dass der Antisemitismus bereits in der Weimarer Zeit zu einem Teil der deutschen Soziokultur wurde.

Die Dissertation wurde 2014 veröffentlicht (s. Publikationen)

Curriculum Vitae

Studium der Politikwissenschaft und der Neueren Geschichte, Zeitgeschichte in Tübingen, Bremen und Berlin. Im September 2012 Verteidigung der Dissertation am Friedrich-Meinecke-Institut der FU Berlin, Prädikat: magna cum laude. Forschungsschwerpunkte sind Deutsche Geschichte vom 19. bis 21. Jahrhundert, jüdische Geschichte, Geschichte des Antisemitismus, NS-Raubgut und Restitution, Aufarbeitung und Nachwirkungen des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik, sowie Parlaments- und Presseforschung.

Aktuelle Position

  • Seit Februar 2023 als freie Historikerin tätig mit Aufträgen unter anderem vom Stadtarchiv Heilbronn und der Stadt Regensburg (Stabstelle Erinnerungskultur). Lebt in Heilbronn und Heidelberg

Tätigkeiten und Erfahrungen

  • Juni 2021–Febr. 2023: Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Stadtarchiv Heilbronn, Forschungsprojekt zur Überprüfung NS-belasteter Straßennamen und Erstellung eines Gutachtens. Das Gutachten mit Empfehlungen zum Umgang mit NS-belasteten Straßennamen stellt die wissenschaftliche Grundlage für die auf politischer Ebene zu führende Debatte über Umbenennungen oder Kommentierungen dar [Link]
  • Juni 2019–Mai 2021: Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Stadtarchiv Heilbronn, Forschungsprojekt zu Kontinuitäten und Brüchen in der Heilbronner Stadtelite von der NS-Zeit bis in die 1960er Jahre
  • Nov. 2018 – Mai 2019 als freie Historikerin Beauftragung vom Stadtarchiv Heilbronn für eine Machbarkeitsstudie und erste Umsetzung des Projekts: Zwangsverkäufe und Rückerstattungsverfahren von Grundstücken vornehmlich jüdischer Vorbesitzer in Heilbronn nach 1933
  • Mai 2016–Dez. 2017: Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Magdeburg; Auswertung von Berichten finanziell geförderter Projekte der Provenienzforschung zur Recherche nach NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut in öffentlichen Museen, Biblio­theken und Archiven gemäß den Washingtoner Prinzipien. Projektkoordination beim Aufbau einer Forschungsdatenbank
  • Okt. 2012–Juni 2016 und Jan. 2018–Mai 2019: Beauftragungen als freie Historikerin für das Archiv der Gedenkstätte Yad Vashem (Israel) und für einen privatwirtschaftlichen Träger zur Ermittlung von Erben jüdischer Vorbesitzer von Eigentum auf dem Gebiet der ehemaligen DDR in Berlin und für die Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V. in Stuttgart: Erstellen einer Bibliografie über den Forschungsstand zum Nationalsozialismus in Württemberg und Hohenzollern (s. Publikationen)
  • 2010–2012: Werkverträge mit der Stadt Tübingen / Geschichtswerkstatt Tübingen e.V., mit dem Archiv der Gedenkstätte Yad Vashem über Archivrecherchen sowie mit der FU Berlin im Projekt „Zeugen der Shoah. Das Visual History Archive in der schulischen Bildung“ über die Transkription von Video-Interviews
  • 2009: Forschungsaufenthalt an der Yale University, CT, USA. Archivrecherchen u.a. an der Harvard University, MA, und in New York City (Leo Baeck Institute)
  • 2005–2009: Promotionsstipendien von der Fondation pour la Mémoire de la Shoah (FMS), Paris und vom Evangelischen Studienwerk Villigst e.V.
  • 2003: Abschluss Magistra Artium in Geschichte, Thema der Arbeit „Bremer Arbeiterbewegung und Antisemitismus 1924 bis 1928“, Abschlussnote: 1,2 (2005 Auszeichnung der Arbeit durch die Fondation Auschwitz, Brüssel)
  • 2000–2003: Berufliche Tätigkeit im Redaktionsarchiv (Bild und Text) der Bremer Tageszeitungen AG. Aufgabenbereich u.a. Archiv- und Datenbankpflege

Colloquien und Vorträge

  • Dez. 2023, Vortrag „Kontinuitäten in Heilbronn von der NS-Zeit bis in die 1960er Jahre“ im Rahmen der Buchvorstellung heilbronnica 7, Stadtarchiv Heilbronn
  • Juli 2017, Vortrag im Rahmen der Tagung „Antisemitismus – Antifeminismus. Ausgrenzungsstrategien im 19. und 20. Jahrhundert“, Haus auf der Alb, Bad Urach; eine Kooperation des Vereins Frauen & Geschichte und der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg
  • Mai 2017, Teilnahme an einer Podiumsdiskussion zur Buchveröffentlichung über MdR Ludwig Haas (1875–1930), im Ständehaus Karlsruhe, veranstaltet von der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus, dem Jüdischen Museum Berlin und dem Archiv des Liberalismus, Berlin
  • März 2016, Vortrag beim internationalen Workshop des Projektes „Auseinander-setzungen mit dem Nationalsozialismus im deutsch- und französisch¬sprachigen Europa (1919–1949)“ an der Université Paris-Sorbonne
  • Dez. 2015, Vortrag im Rahmen der internationalen Tagung „Demokratisches und undemokratisches Sprechen. Das Parlament als Demokratie in Aktion?“, eine Kooperation des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Wien und des Österreichischen Parlaments
  • Okt. 2015, Vortrag „Antisemitismus im Zeitalter der Weltkriege“ beim Lehrerfortbildungsseminar „Das Zeitalter der Weltkriege 1914 bis 1945“ der Politischen Akademie Tutzing

Publikationen

Monografie

  • Susanne Wein: Antisemitismus im Reichstag. Judenfeindliche Sprache in Politik und Gesellschaft der Weimarer Republik. (Zivilisationen & Geschichte 30, herausgegeben von Ina Ulrike Paul und Uwe Puschner). Frankfurt a. M., u.a.O.: Peter Lang 2014 [Link]

Ausgewählte Rezensionen

von Stefan Haas, Göttingen am 02.07.2015, in: auf H-Soz-Kult [Link]
von Micha Brumlik, Berlin in der tageszeitung, vom 25.07.2015 [Link]
von Uwe Lohalm, Hamburg, in: Archiv für Sozialgeschichte 56, 2016 [Link]
von Nicolas Patin, Bordeaux (auf Französisch), in: Francia-Recensio 2016/3 [Link]
von Christine G. Krüger, Gießen in: Historische Zeitschrift, Band 306 (2018), S. 890
  • Susanne Wein: Alles erforscht? Nationalsozialismus in Württemberg und Hohenzollern: Literaturbericht und Bibliografie. Herausgegeben von der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V. Norderstedt: Books on Demand 2013

Herausgeberschaft

  • David Bordiehn / Christian Köhler / Stefan Noack / Susanne Wein (Hg.): Ausgrenzende politische Ideologien. Akteure, Organisationen und Programmatiken. Festschrift zu Ehren von Uwe Puschner (Zivilisationen & Geschichte 61). Berlin u.a.O.: Peter Lang 2020

Aufsätze

  • 2023: Kontinuitätslinien in der Heilbronner Stadtelite von der NS-Zeit bis in die 1960er Jahre, in: heilbronnica 7. Beiträge zur Stadtgeschichte (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Heilbronn 23). Heilbronn 2023, S. 397–431
  • 2021: Handbuchartikel mit Co-Autor Dr. Martin Ulmer in Englisch und Deutsch:
    Susanne Wein / Martin Ulmer: Antisemitism in the Weimar Republic, in: Nadine Rossol / Benjamin Ziemann (Ed.): The Oxford Handbook of the Weimar Republic. Oxford: Oxford University Press 2021, 404–426
    Susanne Wein / Martin Ulmer: Antisemitismus in der Weimarer Republik, in: Nadine Rossol / Benjamin Ziemann (Hg.): Aufbruch und Abgründe. Das Handbuch der Weimarer Republik. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2021, S. 465–486. (2023: Lizenzausgabe des Handbuchs bei der Bundeszentrale für politische Bildung – aktuell vergriffen [Link])
  • 2020: Enteignungen, Zwangsverkäufe und Rückerstattungsverfahren von Grundstücken in Heilbronn nach 1933. Ein Werkstattbericht zum Projekt des Stadtarchivs Heilbronn, in: Christhard Schrenk / Peter Wanner (Hg.): Heilbronn 1933 ff. Beiträge zum Nationalsozialismus in der Stadtgeschichte (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Heilbronn 24). Heilbronn: Stadtarchiv Heilbronn 2020, S. 467–481
  • 2019: Die Entrechtung der jüdischen Rechtsanwälte, in: Heinz Högerle/Peter Müller/ Martin Ulmer (Hg.): Ausgrenzung, Raub, Vernichtung. NS-Akteure und »Volksgemeinschaft« gegen die Juden in Württemberg und Hohenzollern 1933 bis 1945. Horb: Staudacher 2019, S. 55–76
  • 2019: Antisemitismus und Antifeminismus. Parlamentarierinnen jüdischer Herkunft in der Weimarer Republik, in: Frauen & Geschichte e.V. (Hg.): Antisemitismus – Antifeminismus. Ausgrenzungsstrategien im 19. und 20. Jahrhundert. Roßdorf: Ulrike Helmer 2019, S. 211–233
  • 2018: Die deutsche Tragödie. Der Selbstmord einer Republik. Eine frühe Analyse des Nationalsozialismus von Georg Bernhard, in: Olivier Dard, Michael Grunewald, Uwe Puschner (Hg.): Confrontations au National-Socialisme en Europe francophone et germanophone / Auseinandersetzungen mit dem Nationalsozialismus im deutsch- und französischsprachigen Europa (1919–1949) – Vol. 2: Die Liberalen, Modérés und Proeuropäer. Bruxelles u.a.O.: Peter Lang 2018, S. 59–71
  • 2017: Das »Modul Forschungsergebnisse«, in: Provenienz & Forschung. Publikationsreihe des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste, Nr. 2/2017, S. 56
  • 2017: Forschungsdatenbank im Aufbau, in: Provenienz & Forschung. Publikationsreihe des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste, Nr. 1/2017, S. 61–62
  • 2015: Annäherungen an Siegfried Aufhäusers »Stellung zur jüdischen Frage«. Ein sozialdemokratischer Gewerkschaftsfunktionär und Reichstagsabgeordneter der 1920er Jahre in Exil und Remigration, in: Holger Böning/Susanne Marten-Finnis (Hg.): Aufklären, Mahnen und Erzählen. Festschrift für Prof. Dr. Michael Nagel. Bremen: edition lumière 2015, S. 231-249
  • 2013: Von der Person zum Symbol: Der antisemitische Pressediskurs über Julius Barmat und Georg Bernhard in der Weimarer Republik, in: Michael Nagel/Moshe Zimmermann (Hg.): Judenfeindschaft und Antisemitismus in der deutschen Presse über fünf Jahrhunderte. Bremen: edition lumière, S. 555–578
  • 2012: Abgeordnete jüdischer Herkunft und Antisemitismus im Weimarer Reichstag, in: E-Newsletter für die deutschsprachigen Länder der International School of Holocaust Studies (Yad Vashem), September 2012 [Link]
  • 2008: Antisémitisme dans les mouvements ouvriers des années 1920 ? Enquête sur la presse ouvrière de Brême de 1924 à 1928, in : Témoigner entre Histoire et Mémoire, No. 100 (Juillet–Septembre 2008), S. 125–155

Rezensionen

  • 2016: Rezension zu Böning, Holger: Volksarzt und Prophet des Schreckens. Julius Moses. Ein jüdisches Leben in Deutschland. Bremen 2015 , in: H-Soz-Kult, 16.11.2016 [Link]
  • 2013: Rezension zu Ulmer, Martin / Ritter, Martin (Hg.): Das jüdische Zwangsaltenheim Eschenau und seine Bewohner. Horb 2013, in: H-Soz-Kult, 12.12.2013 [Link]
  • 2012: Rezension zu Halbinger, Monika: Das Jüdische in den Wochenzeitungen Zeit, Spiegel und Stern (1946-1989). München 2010, in: H-Soz-Kult, 02.04.2012 [Link]
  • 2009: Rezension in Englischer Sprache zu Schröder, Ilka (Hg.): Weltmacht Europa – Hauptstadt Berlin? Hamburg 2005, in: Jewish Political Studies Review Vol. 21, No. 1–2 (Spring 5769/2009)
  • 2007: Rezension von vier Sammelbänden zum Thema Antisemitismus, in: H-Soz-Kult, 11.09.2007 [Link]
  • 2006: Rezension zu Schäfer, Julia: Vermessen – gezeichnet – verlacht. Judenbilder in populären Zeitschriften 1918–1933. Frankfurt a. M. 2005, in: H-Soz-Kult, 14.07.2006 [Link]

Kontakt

susanne.wein1[at]fu-berlin.de

Redaktioneller Hinweis

* Alle Links dieser Seite wurden zuletzt am 04.12.2023 aufgerufen.