Springe direkt zu Inhalt

Ist Losen die Zukunft der Demokratie? Ein antike Losmaschine in Dahlem

Das Kleroterion wurde uns von der Universität Hamburg ausgeliehen.

Das Kleroterion wurde uns von der Universität Hamburg ausgeliehen.

Die Namenstäfelchen der Kandidaten wurden blind gezogen und in die Schlitze des Kleroterions gesteckt

Die Namenstäfelchen der Kandidaten wurden blind gezogen und in die Schlitze des Kleroterions gesteckt

Schwarze Kugel: Die betreffende Kandidatenreihe ist nicht gewählt bzw. erhält heute keinen Auftrag als Richter.

Schwarze Kugel: Die betreffende Kandidatenreihe ist nicht gewählt bzw. erhält heute keinen Auftrag als Richter.

Antikes Kleroterion, ausgestellt im Agora-Museum in Athen.

Antikes Kleroterion, ausgestellt im Agora-Museum in Athen.
Bildquelle: Sharon Mollerus, Wikimedia Commons (CC BY 2.0)

News vom 09.07.2025

Das klassische Athen gilt als Wiege der Demokratie. Was vielen dabei nicht bewusst ist: Die Athener haben nicht gewählt, sondern gelost. Für eine Vielzahl von öffentlichen Ämtern in der Polis Athen entschied ein Losverfahren die Besetzung. Insbesondere der Rat der 500, in dem Beschlussvorlagen für die Volksversammlung ausgearbeitet wurden, und die Geschworenengerichte wurden auf diese Weise bestellt.

Antike zum Anfassen

Um besser zu verstehen, wie dieses Losverfahren funktionierte, präsentierten Dr. Thersia Raum, Sebastian Zellner und Fabio Calo, Mitarbeitende der Professur für Alte Geschichte, bei der „Langen Nacht der Wissenschaften“ am 28. Juni die Rekonstruktion eines Kleroterions, einer antiken Losmaschine. Möglich gemacht werden solche Nachbauten durch archäologische Funde: Überreste von Losmaschinen aus Stein sowie Namenstäfelchen aus Bronze wurden in Athen gefunden. Zusammen mit den Beschreibungen in unserer wichtigsten Quelle zur attischen Demokratie, der Athēnaíōn politeía aus dem Umfeld des Aristoteles, erlauben uns diese Funde, die Funktionsweise der Losmaschine nachzuvollziehen.

Verkürzt dargestellt funktionierte das Verfahren wie folgt: Auf der Agora versammelten sich die attischen Vollbürger (männlich, frei, mindestens 30 Jahre alt, ohne Schulden), die für ein Amt kandidieren wollten. In Behältern wurden ihre Namenstäfelchen gesammelt, gemischt und dann durch einen zufällig bestimmten Einstecker in die dafür vorgesehenen Schlitze der Losmaschine eingesteckt. Daraufhin wurde eine bestimmte Anzahl an weißen und schwarzen Bronzekügelchen über einen Trichter in die Losmaschine gefüllt: so viele weiße, wie Kandidaten benötigt wurden, dann wurde mit schwarzen auf die Zahl der Anwesenden aufgefüllt. Im Anschluss wurden die Kügelchen einzeln aus der Losmaschine entnommen: fiel eine weiße Kugel, war die Reihe der Kandidaten gezogen, fiel eine schwarze Kugel, war die Reihe nicht gelost worden. Innerhalb kürzester Zeit erhielt man so die notwendige Anzahl an Amtspersonen.

Den Athenern war wichtig, dass die Meinung der Bevölkerung möglichst breit vertreten sein sollte. Kompetenz war (bei den meisten Ämtern) zweitrangig. Korruption und Klientelpolitik hatten es damit schwer in der attischen Demokratie. Ιnwieweit es der týchē, dem Zufall, überlassen sein sollte, wer das Gemeinwesen regiert, steht freilich auf einem anderen Blatt …

1 / 16