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Charisma des Fremden. Ästhetiken religiöser Transferprozesse in Mittelalter und Früher Neuzeit

Projektleitung

Prof. Dr. Klaus Krüger

Wissenschaftliche Mitarbeiter/innen

Dr. Alberto Saviello

Dr. Christine Ungruh

Projektbeschreibung

Das Projekt untersucht in wechselseitiger, christlicher und nicht-christlicher Perspektive den ästhetisch bestimmten Umgang mit dem jeweils fremden Sakralen und die Diskurse, die seine Wahrnehmung, seine Wertbesetzung und seine Konzeptualisierung in der Vormoderne hervorbrachten. Die vielfältigen Manifestationsformen, in denen das religiöse Fremde dabei in Erscheinung trat, zeugen davon, dass diese Diskursivierung nicht nur in je wechselnder Polarisierung als Abgrenzung oder als Aneignung geschah, sondern zugleich als Neu-Bestimmung und Re-Lektüre des eigenen Heiligen wirksam wurde. Die Unterprojekte richten sich einerseits auf die Adaption frühchristlicher bzw. byzantinischer Formen und Inhalte in den seit dem späten 13. Jahrhundert in Italien aufkommenden Thebais-Darstellungen und andererseits auf die Aushandlungsprozesse um und mit christlichen Bildern in der indischen Mission im 16. und 17. Jahrhundert. Gemeinsam gilt es anhand von fallorientierten Studien darzulegen wie das fremde Sakrale in künstlerische Dispositive überführt wurde, deren Aussagekraft sich nicht in den Topoi von In- oder Exklusion erschöpft, sondern bei denen die ästhetische Inszenierung des Fremden als Auratisierung bzw. als Erneuerung der charismatischen Wirksamkeit der Bilder fassbar wird. Damit wird zugleich der Frage nachgegangen, inwiefern solche Verfahren einer genuinen Neusemantisierung durch Ästhetisierung bereits ein maßgebliches Ferment für jene Sakralisierung des Ästhetischen in sich bargen, die seit der Renaissance als zunehmende Divinisierung des Kunstschönen zutage trat.

Während sich die Kunstgeschichte bisher meist auf die Bestimmung und Katalogisierung bildlicher Alteritätsmerkmale konzentrierte, fragt das Vorhaben nunmehr pointiert nach der ästhetischen Valenz und Wirkung des Fremden innerhalb künstlerischer Dispositive. Mit dem im Projekttitel aufgegriffenen Terminus des »Charisma« soll die ästhetische Aktivierung des Fremden im Eigenen wie auch die so vermittelte soziale und sakrale Geltung des Fremden erfasst werden. Von Max Weber zur Charakterisierung von Herrschaftsformen in die Sozialwissenschaften eingeführt, erlangte das »Charisma« als Interpretament der Politik-, Wirtschafts- und Religionswissenschaften in den 1990er Jahren erneut Relevanz. Mit der Übertragung des Begriffs auf kunsthistorisch beschreibbare Prozesse soll die doppelte Valenz des Fremden im Eigenen erfasst werden. Einerseits richtet sich das Augenmerk dabei auf die Frage, inwieweit die Adaption und Transformation des religiös Fremden als machtpolitischer Vorgang zu verstehen ist. Anderseits sollen die künstlerischen Reaktionen auf das Fremde als ein Vorgang der Sublimierung untersucht werden, der Fremdheit auratisiert und zum Gegenstand ästhetischer Wahrnehmung werden lässt.

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Deutsche Forschungsgemeinschaft