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Workshop 'Akrasia'

12.10.2007

Mit: Prof. Dr. Matthias Vogel (Frankfurt am Main), Dr. Anna Kusser (Konstanz), Prof. Dr. Martin Seel (Marburg)

 

Tagungskonzeption

„Wenn jemand unter Berücksichtigung aller Umstände eine Handlungsweise für die beste hält bzw. für die richtige oder für das, was er tun sollte, und trotzdem etwas anderes tut, dann handelt er unbeherrscht“ (Donald Davidson). Im Protagoras hat Platon die Möglichkeit eines solchen Trotzdem entschieden bestritten: Entweder die Person hat ein Wissen von der besseren Handlung und wird diese auch ausführen, oder sie befindet sich im Unwissen und vollzieht deshalb die schlechtere Handlung. In der Politeia jedoch scheint Platon diese Auffassung insofern revidiert zu haben, als er dort zwei Faktoren benennt, die eine Disposition zur Akrasia hervorbringen: die Kunst und die demokratische Politik. Weil die ästhetische Darstellung der Wahrheit gegenüber gleichgültig ist, und weil die Demokratie eine unmäßige Freiheit in ihr Zentrum stellt, stehen beide „mit dem von der Vernunft Fernen in uns“ im Bund: Sie schwächen die Kraft des Urteils, begünstigen die ungezügelten Stimmungen, destabilisieren den Willen und schaffen derart einen akratischen Menschen.

Es ist diese ‚Ästhetisierung’ des Willens und seiner Freiheit, welche den Kern der platonischen Problematisierung der  Akrasia in der Politeia ausmachen. In der philosophischen Debatte, die sich vornehmlich den moralphilosophischen Implikationen der Willensschwäche gewidmet hat, blieb dieser Aspekt jedoch weitgehend im Hintergrund. Überdies ließ sie zumeist eine Voraussetzung unangetastet: dass die Freiheit und Selbstbestimmtheit eines Subjekts ausschließlich in der normativen Orientierung der praktischen Vernunft liegt, und dass das irrationale Scheitern an dieser Orientierung ein Moment der Unfreiheit bedeutet. Im Workshop soll die Frage nach den ästhetischen und politischen Dimensionen der Akrasia wieder aufgenommen und auf die klassischen Fragen nach der Möglichkeit und der Erklärung der Willenschwäche bezogen werden.

Zu den klassischen Problemstellungen, die im Workshop von besonderem Interesse sein werden, gehört aber nicht nur die Frage nach der spezifischen ‚Privation’, die den Willensschwachen charakterisiert (was ‚fehlt’ dem Akrates gegenüber dem Selbstbeherrschten, und welcher Begriff von Freiheit wird dabei vorausgesetzt?), sondern auch die Frage nach der Beschreibung des spezifischen Konflikts, welcher der ‚Krise’ der Akrasia zugrunde liegt: Haben wir es mit einer Trennung zwischen zwei Dimensionen des Wollens (Evaluation und Motivation), mit einer Divergenz zwischen praktischer Rationalität und psychischen Mechanismen, oder mit einem Auseinandertreten zwischen zwei konstitutiven Aspekten des menschlichen Handlungsvermögens (der Kraft und der Normativität von Handlungsgründen) zu tun? Müssen wir die Akrasia vor dem Hintergrund eines Konflikts zwischen der praktischen Vernunft und ihrem ‚Anderen’ (der Leidenschaft, den lebendigen Kräften oder psychischen Prozessen) beschreiben, oder sollten wir eher die Möglichkeit einer veritablen Ichspaltung des handelnden Subjekts selbst annehmen, d.h. einer internen Aufspaltung seines praktischen Wissens?

 

Programm (als PDF)

 

Veranstalter: Teilprojekt C1

Zeit & Ort

12.10.2007

Universität Potsdam, Haus 8, Raum 060, Foyer