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Tagung 'Presenting Potentialities in Aesthetics and Politics'

15.11.2007 - 17.11.2007

Untern den vortragenden Gaesten Jason Smith, Eva Geulen, Peter Risthaus, Friedrich Balke, Claire Colebrook, Jelica Sumic-Riha, Oliver Feltham, Christopher Fynsk.

 

 

Tagungskonzeption

Innerhalb der Philosophie klassisch gewordene Lesarten von Begriffen wie Vermögen oder Möglichkeit tragen diese Terme in der Regel in eine bipolare Struktur ein: Ein Vermögen wird in Abhängigkeit von seiner Aktualisierung gedacht, eine Möglichkeit verweist auf den ihr immanent notwendigen Übergang in die Wirklichkeit. Demgegenüber sind seit einiger Zeit, vor allem in der aktuellen Philosophie, Bestrebungen ins Spiel gekommen, diesen Dualismus aufzulösen. Zu denken wäre hier zum Beispiel an Alain Badious Bestimmung einer Ontologie des Übergangs, an Giorgio Agambens Projekt einer Potenz nicht zu (einer Potenz ohne Akt) oder an Gilles Deleuze’ Philosophie der Virtualität. All diese Bemühungen scheinen darauf abzuzielen, ein reines Vermögen jenseits seiner Aktualisierung zu denken; als unabgeltbare Möglichkeit, die in keiner ihrer Verwirklichungen aufgeht. Mit dem Begriff der Potentialität könnten, so die vorläufige These der Tagung, historische, ästhetische und politische Stellen markiert werden, an welchen auf unterschiedliche Weise eine Auflösung des Dualismus von Vermögen und Aktualität oder Möglichkeit und Wirklichkeit gedacht wird. Diese Auflösung wäre zum Beispiel als eine erweiterte Dialektik denkbar. Sie stellte in diesem Sinn den dritten Term der Dialektik vor und wäre, zunächst rein strukturell als Markierung einer inneren Ausnahme aufgefasst, sowohl mit klassisch philosophischen Begriffen wie Vermögen, Potenz, Möglichkeit, Virtualität etc. verbunden als auch über Begriffe wie Form, Transgression etc. (Ästhetik) oder Situation, Gelegenheit, Konjunktur etc. (Politik) lesbar, wie auch von diesen abzusetzen. An den je spezifischen Theorien und ihren je spezifischen Konstellationen der Terme ließe sich so aber auch die Frage nach der Möglichkeit der Potentialität jenseits der engeren Dialektik von Vermögen und Aktualisierung – die Frage nach einer Potentialität der Potentialität – stellen. Innerhalb dieser Konjunktion könnte, als Zwischenspiel der einzelnen Momente, ein Beitrag zur Geschichte und Gegenwart, das ist aber: zur geschichtlichen Gegenwart, der Potentialität geleistet werden. Vor allem aber ließe sich so eine der Potentialität eigene Zeitlichkeit bestimmen: eine Vergangenheit, die nicht vergeht; eine Gegenwart, die nicht gegenwärtig ist; eine Zukunft im Modus des Gewesen-Seins (futur antérieur) bestimmen. Zum einen soll also die Frage nach der Potentialität in ihrer Geschichte auf Beständigkeiten/ Unbeständigkeiten hin befragt werden, zum anderen ist diese Frage selbst bereits immer schon verwiesen auf jene Struktur der „Momente“, „Augenblicke“, Epochen“, in denen sich die singuläre Intensität einer Konzeption oder eines Denkens der  Potentialiät(en) präsentiert.

Insbesondere in der Moderne haben sich an den Sphären der Ästhetik und Politik Begriffe, Figuren, Konstellationen und Figurationen der Potentialität herausgebildet. Die Tagung

möchte daher den Beziehungen und Trennungen zwischen diesen Bereichen nachgehen. Benennt Potentialität ein Moment, an dem Ästhetik und Politik aufeinander treffen und sich wechselseitig durchdringen, oder ist Potentialität gerade das Moment, an dem die Sphären auseinander treten und sich als getrennte gegenüberstehen. Zwei grundlegende Fragen sollen die Reflexion über Potentialität von daher leiten: 1. Welche Momente lassen sich in  Ästhetik und der Politik aktuell und historisch aufweisen, in denen ein Nachdenken über Potentialität bzw. über deren eigene Möglichkeit dringlich wird oder ein Aufscheinen von Potentialität selbst thematisch wird? 2. Es stellt sich die Frage nach dem (methodischen, theoretischen usw.) „Wie“ und der („Wissens“-) Form der Erkennbarkeit dieser Momente.

Im Hintergrund dieser Fragen steht die Geschichte der Philosophie, selbst auf verschiedene Genealogien und Übersetzungen des Begriffs der Potentialität verweist, in denen die einzelnen Variablen – vor allem bei Aristoteles, Spinoza, Leibniz, Nietzsche, Hegel – in differente und widerstrebende Konstellationen treten. Darüber hinaus differieren aber ebenfalls die aus diesen Variablen sich ergebenden Momente und Strukturstellen von Potentialität. Es sind dementsprechend die Je-Andersheit des dritten Terms der Struktur und die Bedingungen der historischen Beständigkeiten und Unbeständigkeiten, die die Tagung in eine Diskussion zu überführen sucht. Aus dieser Konstellation heraus soll die Tagung Ansätze zu einer Topologie des Wissens herausarbeiten. Es geht also ganz allgemein gesprochen darum zu fragen, ob sich an den Bruch- und Übertragungsstellen von Potentialitäten (ihnen?) spezifische Wissensformen herausbilden, oder noch grundlegender gefragt, ob sich überhaupt so etwas wie ein Wissen generiert, und welch eine Form solch einem Wissen zukommen könnte.

Zwei Parameter sollen auf diesem Hintergrund die Konferenz anleiten:

  1. Potentialitäten des Ästhetischen: Das Aufscheinen der reinen Möglichkeit des Anderen ist oft dem Verdacht eines handlungsfernen schönen Scheins ausgesetzt. Demgegenüber wäre zu fragen: Welche Potentialitäten generiert das Ästhetische und wie sind seine Verfahren? Wie sind diese Potentialitäten in der Auseinandersetzung mit Politik und Philosophie zu begreifen? Ermöglicht ein Denken der Potentialität, das Ästhetische jenseits von Kategorien wie Verwertbarkeit, Therapie, Didaktik oder Diskurs zu beschreiben?
  2. Politik/Politische Theorie: Zu fragen wäre, welches Momente politischer Potentialität sein könnten. Sind es notwendig Momente historischer Großereignisse wie etwa die Französischen Revolution oder der Russischen Revolution oder wären andere Bestimmungen denkbar? Ausgehend von welchen theoretischen Vorentscheidungen ließen sich solch andere geschichtliche Momente als Momente politischer Potentialität markieren?

 

Programm (als PDF)

 

Organisation: Mark Potocnik, Frank Ruda, Jan Völker

Kontakt: jvoelker@zedat.fu-berlin.de

 

Zeit & Ort

15.11.2007 - 17.11.2007

Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin, Schützenstr. 18, 3. Etage