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Die Jesuitenreduktionen Paraquarias

Institution:

FOR 'Transkulturelle Verhandlungsräume von Kunst'
Glokalisierungsprozesse in der Ordenskunst der Frühen Neuzeit

Projektleitung:

Wissenschaftliche Mitarbeiterin: Dr. des Amrei Buchholz

Förderung:

DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft)

Projektlaufzeit:
01.04.2014 — 31.03.2017

Exemplarisch widmet sich das Unterprojekt 2, ebenso wie das Unterprojekt 1, der Generierung neuer visueller Dispositive in der Frühen Neuzeit. Das Unterprojekt 2 analysiert ordensspezifische Charakteristika der Kunstproduktion in der ehemaligen jesuitischen Ordensprovinz Paraquaria (1604-1767/68), die heute sowohl Paraguay als auch Teile sämtlicher Nachbarstaaten umfasst. Ziel ist es, anhand der Kunstproduktion in den dortigen Jesuitenreduktionen transkulturelle Aushandlungsprozesse zwischen der indigenen Ethnie der Guaraní und den Jesuiten zu untersuchen. Im Fokus steht neben der Skulptur, die von den Guaraní unter Anleitung von Patern in großer Zahl selbst produziert wurde, auch die Architektur der Missionen, die es nicht nur als Bildprogramm zu befragen gilt, sondern auch als Handlungsraum, in dem transkultureller Austausch stattfand. Als drittes Medium gerät die Kartographie in den Fokus, in deren Raumrepräsentation sich indigenes wie jesuitisches Raumwissen ein- und, aufgrund der üblichen kartographischen Praxis des Kopierens, über lange Zeit hinweg fortschrieb.

An den Übersetzungsprozessen, die für die Ordensprovinz Paraquaria identifiziert werden können, bestätigt sich, dass visuelle Systeme nicht statisch sind. Vielmehr werden in Aushandlungsprozessen zwischen verschiedenen Akteuren beständig neue Ikonographien und neue Konzeptionen von Bildlichkeit generiert. Ziel der Untersuchung ist es daher, die Entstehung transkultureller Imaginationen und die Genese kolonialer Bildkulturen nachzuzeichnen und zu zeigen, dass diese Bildkulturen nicht mehr in einzelne essentialisierte Teilsysteme – ein europäisch-christliches und ein prähispanisches – zerlegbar sind, weil die Mischung und Verflechtung etwas Neues entstehen lässt, das mehr ist als die Summe seiner Teile. Vor diesem Hintergrund soll erforscht werden, wie die von einer Gruppe tradierten Bildtypen von anderen Teilnehmern der Kolonialgesellschaft aufgegriffen und entsprechend ihrer Repräsentationserfahrung und ihrer Perspektive auf die koloniale Wirklichkeit gelesen und weiterverarbeitet wurden. Diese Frage erhält für das Unterprojekts 2 dadurch eine besondere Relevanz, dass die Guaraní vor Ankunft der Jesuiten selbst keine figurative, mimetische Kunst produziert hatten. Für den kunstgeschichtlichen Zugriff auf die Bildproduktion der Missionen Paraquarias bedeutet dies eine Suche nach neuen Beschreibungskategorien des Sichzeigenden, womit sowohl eine spezifische Objektpräsenz als auch deren deiktisches Potential angesprochen sind.