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Ausgrabung der Siedlung Ivancea-Sub Pădure

Grabungsarbeiten auf dem Planum

Grabungsarbeiten auf dem Planum
Bildquelle: Institut für Prähistorische Archäologie

Luftbild der Gesamtgrabung

Luftbild der Gesamtgrabung
Bildquelle: Institut für Prähistorische Archäologie

Anlage des Hauptplanums

Anlage des Hauptplanums
Bildquelle: Institut für Prähistorische Archäologie

Projektleitung: Prof. Dr. Michael Meyer und apl. Prof. Dr. Octavian Munteanu, Staatliche Pädagogische Hochschule ‘Ion Creangă’, Chişinau, Republik Moldau

DFG- Projekt Me 1251/12-1

Seit 2020 graben wir gemeinsam mit unserem moldawischen Partner in Ivancea-Sub Padure (Republik Moldau) eine Siedlung der späteisenzeitlichen Poienești-Lucașeuca-Kultur aus.

Worum geht es? Die Poieneşti-Lucaşeuca-Kultur ist östlich der Karpaten im Bereich der Waldsteppe bis zum Dnjestr in den heutigen Ländern Rumänien, Moldau und der Ukraine verbreitet. Sie setzt in den letzten Jahrzehnten des dritten Jahrhunderts v. Chr. ein und endet in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts v. Chr.

Die Gräberfelder, die dieser Kultur zugewiesen werden, fielen bei ihrer Entdeckung sofort als ein sehr eigenes Phänomen auf. Urnengräber waren in der Region für diese Zeit etwas ganz Neues, ebenso wie die Sitte, die Toten zu verbrennen. Aber nicht nur die Bestattungssitten sind eigen: auch die keramischen Formen – häufig mit facettierten Rändern – und viele Kleinfunde passten überhaupt nicht in die Region, wohl aber nach Nordwesten. Am eindrücklichsten ist dies vielleicht anhand der Metallfunde zu zeigen, wobei mehrere ‚Pommersche Fibeln‘, die ihren Verbreitungsschwerpunkt auf Rügen und in Vorpommern haben, den klarsten Hinweis geben. Die Forschung geht hier von einem deutlichen Einfluss bzw. von einer Einwanderung von Menschengruppen aus der sog. ‚Jastorf-Kultur‘ Nordostdeutschlands und Südskandinaviens aus, nicht zuletzt da einheimische Elemente aus der vorausgegangenen ‚getischen Kultur‘ ganz weitgehend fehlen.

Während die Gräberfelder solche klaren Aussagen ermöglichen, fehlen nach wie vor großflächig ausgegrabene Siedlungen, die uns mit Informationen zur Alltagskultur, zu Siedlungsstrukturen und zur Ökonomie der Bewohner versorgen könnten. Die bislang bekannten Einblicke in Siedlungsplätze zeigen ein anderes Keramikspektrum, in dem durchaus einheimische Traditionen erkennbar sind, und beispielsweise einen signifikanten Anteil griechischer Importkeramik. Die Einblicke sind aber klein und unsystematisch, Pfostenhäuser etwa liegen fast gar nicht vor.

In vielfacher Hinsicht wird hier ein Forschungsdesiderat sichtbar. Zum einen geht es dabei um unser Wissen über das Siedlungswesen, zum andern aber auch um den spezifischen Beitrag der Siedlungsforschung zur Frage der Mobilität und der Genese der Poienești-Lucașeuca-Kultur. Im Bereich der Alltagskultur muss hier ganz neu der Frage nachgegangen werden, welche Rolle einheimische Traditionen gegenüber den vermuteten Migrationsprozessen spielen.

Unser Projekt hat es sich deshalb zum Ziel gesetzt, diese Lücke zu schließen und zumindest eine Siedlung großräumig und mit moderner Prospektions- und Ausgrabungsmethodik freizulegen. Seit 2016 haben wir Siedlungsplätze der Poieneşti-Lucaşăuca-Kultur in Zentral-Moldau prospektiert mit dem Ziel, eine geeignete Siedlung für eine großräumige Siedlungsgrabung zu finden. 2018 fiel die Entscheidung auf den Fundplatz Ivancea-Sub Pădure, der die entscheidenden Kriterien erfüllte:

  • er ist einphasig, so dass keine älteren oder jüngeren Befunde die Ausgrabung erschweren,

  • die Befunderhaltung ist ausgesprochen gut und

  • die Surveys und Testgrabungen ergaben ein reiches Fundmaterial.

Seit 2020 graben wir dort mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die Förderung läuft Ende 2024 aus – ein Antrag auf zweijährige Verlängerung wurde gestellt.

Das DFG-Projekt begann mitten in der Corona-Pandemie: 2020 und 2021 waren nur kurze Grabungen mit wenigen Mitarbeiten möglich. Seit 2022 finden nun endlich in jedem Sommer großflächige Ausgrabungen statt. Die Grabungsflächen wurden auf Grundlage einer großflächigen geomagnetischen Prospektion ausgewählt – das Ziel ist die Freilegung eines möglichst großen, zusammenhängenden und zentralen Siedlungsbereich. Zum ersten Mal wird in Moldau ein Bagger zum maschinellen Abtrag des Pflughorizonts auf einer Siedlungsgrabung eingesetzt. Aus den Siedlungsgruben werden systematisch Bodenproben entnommen und auf botanische Makroreste hin geschlämmt. Die ersten Ergebnisse sind ermutigend: schon in den ersten Proben konnten eine ganze Reihe von Getreidearten, Ackerunkräutern und Wildpflanzen nachgewiesen werden. Die hervorragend erhaltenen Knochenfunde werden Aussagen zu Viehhaltung und Fleischversorgung ergeben.

Das keramische Fundmaterial ist umfangreich und zeigt ein breites Spektrum an Grobkeramik, die häufig in ‚getischer‘ Tradition steht, aber auch Feinkeramik, wie sie aus den Urnengräbern bekannt ist. Das Spektrum an griechischer Keramik geht deutlich über das bisher bekannte hinaus und zeigt erstmals auch Formen des 1. Jahrhunderts. Unter den Kleinfunden finden sich Fibeln ebenso wie Messer und Pfeilspitzen.

Darüber hinaus ist es uns gelungen, drei Pfostenhäuser, eine ovale Pfostensetzung und mindestens 12 Grubenhäuser unterschiedlicher Typen freizulegen. Die Grubenhäuser erwecken den Eindruck einer halbkreisförmigen Anordnung – die Fortsetzung der Grabung wird hier weiteren Aufschluss erbringen.

Die Grabungen finden als deutsch-moldawisches Gemeinschaftsprojekt mit Studiereden beider Universitäten statt. Untergebracht sind wir in einem alten Hof in Butuceni, einem malerisch in einer Schleife des Flusses Răut direkt unterhalb einer getischen Befestigungsanlage gelegenen Dorf.

Ein ausführlicher Vorbericht erscheint demnächst in der Prähistorischen Zeitschrift:

M. Meyer / O. Munteanu / V. Iarmulschi / T. Schatte, Beyond cemeteries – excavation of a settlement of Poieneşti-Lucaşeuca Culture in Ivancea, Republic of Moldova, Prähistorische Zeitschrift 99 (acc.).

Weitere Literaturhinweise:

  • M. Meyer / O. Munteanu / V. Iarmulschi / B. Rauchfuß / F. Höppner, Așezarea de tip Poienești-Lucașeuca de la Brănești – Marginea de Vest (r. Orhei, R. Moldova) (cercetările din anii 2014-2015). In: L. Sîrbu / N. Telnov / L. Ciobanu / Gh. Sîrbu / M. Kașuba, (eds.), Culturi, procese și contexte în Arheologie. Volum omagial – Oleg Levițki la 60 de ani (Chișinău 2016), 310-330.
  • M. Meyer / O. Munteanu / V. Iarmulschi / T. Schatte, Geomagnetic prospects and archaeological surveys on the Poieneşti-Lucaşeuca type settlement Ivancea-Sub Pădure (district Orhei, R. Moldova). In: A. Zanoci / S.-C. Ailincăi / M. Băț (Hrsg.), Interdisciplinary research at Iron Age sites in the Tisa-Dniester sites. Proceedings of Saharna Summer Colloquim July 13th-16th, 2017 (Tulcea Chișinău 2018), 57-91.
  • M. Meyer / O. Munteanu / V. Iarmulschi / B. Rauchfuß / T. Schatte, Reluarea cercetării siturilor de tip Poieneşti-Lucaşeuca în spaţiul pruto-nistrean: campaniile de la Brăneşti şi Ivancea în anii 2014 2018. In: D. Aparaschivei / G. Bilavschi / L. Pîrnău, Tradiţie şi inovaţie în cercetarea arheologică din România şi Republica Moldova. Varia Archaeologica I (Cluj-Napoca 2020) 133-177.
  • O. Munteanu / V. Iarmulschi, The Poieneşti-Lucaşeuca culture: a short historiographic retrospective of ethnoarchaeological interpretations. In: J. Schuster / A. Michałowski (Hrsg.), Kulturkonzepte und konzipierte Kulturen. Aussagemöglichkeiten und Grenzen einer systematischen Erfassung archäologischer Funde des eisenzeitlichen Mittel- und Nordeuropas (Frankfurt am Main 2018) 17-26.
  • O. Munteanu, Der Beginn der Poieneşti-Lucaşeuca-Kultur: Nekropolen versus Siedlungen. In: E. Sava / V. Iarmulschi / A. Zanoci / M. Băț / O. Munteanu (Hrsg.) Chronologie in den archäologischen Forschungen. Humboldt-Kolleg Chisinau, 08.-09. November 2018, Tyragetia International III (Chișinău – Berlin 2021) 145 160.
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