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Beschlagnahmeinventar

Die Hauptaufgabe der Forschungsstelle in Berlin besteht im Erstellen eines Gesamtverzeichnisses der 1937 in deutschen Museen beschlagnahmten Werke der „Entarteten Kunst“. Das Inventar ist als Datenbank (MuseumPlus der Firma zetcom) angelegt. Den Grundstock bildet die von Andreas Hüneke zwischen 1994 und 1996 angelegte Excel-Tabelle aller ihm damals bekannten Daten zur Aktion „Entartete Kunst“.

Eines der wichtigsten historischen Dokumente ist der erste Band des Beschlagnahmeinventars (heute Bundesarchiv Berlin), der die beschlagnahmten Werke aus den Museen Aachen bis Greifswald mit ihren Nummern (EK-Nummern) enthält. Der zweite Band dieser Dokumentation mit den Museen von Hagen bis Zwickau fehlt. Auch die Informationen aus der „Harry-Fischer-Liste“, die 1997 in London entdeckt wurde und ein vollständiges Inventar darstellt, das wahrscheinlich Ende 1941 / Anfang 1942 angelegt wurde, um eine Bilanz der Verkäufe bei der Verwertungsaktion zu erstellen, wurde in Hünekes Tabelle aufgenommen. Sie enthält 16558 Einträge mit den dazugehörigen EK-Nummern. Zahlreiche Grafikmappen und Konvolute mit mehreren Einzelwerken sind hier jedoch nur unter einer Nummer verzeichnet. Darum geht Hüneke heute von ca. 20000 beschlagnahmten Werken aus.

Ziel der Forschungsstelle „Entartete Kunst“ ist, soweit möglich, jedes Kunstwerk, das während der Beschlagnahmeaktionen 1937 aus den deutschen Museen entfernt wurde,  zu identifizieren und  den heutigen Standort zu vermerken. Dafür werden die Grunddaten der Werke, wie etwa Angaben zum Künstler, der heute gebräuchliche Titel sowie auch der häufig abweichende Titel in den historischen Beschlagnahmelisten, die EK-Nummer, das Herkunftsmuseum samt damaliger Inventarnummer, die Gattung mit Material und Technik, die Maßangaben, der Objektstatus bei zerstörten Werken, der heutige Standort sowie weitere Informationen vermerkt.

Eine wesentliche Ergänzung der Dokumentation ist die Verknüpfung mit Abbildungen. Zu jedem Werk wird ein Bildarchiv angelegt, in dem die jeweiligen historischen Aufnahmen aus den Depots oder aus den Ausstellungsstationen der „Entarteten Kunst“ gespeichert werden. Aktuelle Farbaufnahmen dienen als Standardphoto zur schnellen Orientierung.

Neben all diesen Daten interessiert die Forschungsstelle vor allem der Verbleib der Werke nach der Beschlagnahme. Angestrebt wird ein Nachweis der Standorte ab 1933 bis zum ersten Besitzer nach dem Krieg. Darin enthalten sind die häufig schwer rekonstruierbaren Wege der Verwertung durch die damit vom Deutschen Reich beauftragten Kunsthändler.

Die Grunddaten der ehemals beschlagnahmten Werke sind in der Datenbank in dem Modul „Sammlung“ erfasst. Weitere Informationen werden über eigene Module eingegeben. So sind in dem Modul „Ausstellung“ die Femeausstellungen ab 1933, die einzelnen Stationen der Wanderausstellung „Entartete Kunst“ sowie weitere Propagandaausstellungen aufgenommen. Das Modul „Künstler“ beinhaltet – soweit bisher bekannt – die Namen, Lebensdaten, Wohn- und Wirkungsorte der rund 1400 betroffenen Künstler. Künftig werden hier die Diffamierungs- und Unterdrückungsmaßnahmen gegenüber einzelnen Künstlern, wie z. B. Ausstellungsverbot, Ausschluss aus der Kulturkammer, Berufsverbot, Malverbot, publizistische Ablehnung und Diskriminierung erfasst. In dem Modul „Literatur“ werden alle relevanten Archivalien, Werkverzeichnisse und Dokumentationen der Femeausstellungen, der Beschlagnahmeaktionen und der Verwertung aufgenommen.

Die Struktur der Datenbank ist multirelational, das heißt, alle Eingaben können miteinander verknüpft und unter verschiedenen Gesichtspunkten zusammengestellt und abgerufen werden. Neben der eigentlichen Bestimmung der Werkidentifizierung gewinnt man Aufschlüsse über die Sammlungsgeschichte der Museen, über die Werkprovenienz, die Geschichte des Kunsthandels und über das Oeuvre betroffener Künstler. So wird sich in Zukunft eine vielschichtige Dokumentation zur Aktion „Entartete Kunst“ ergeben, die auch nach Veröffentlichung der Daten als ein ‚work in progress' weiter ergänzt und stets aktualisiert werden soll.