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Abstracts

Colleen Anderson

Katherine Boyce-Jacino

Jana Bruggmann

Benjamin Dittmann

Tilmann Siebeneichner

Colleen Anderson

Space Travelers in East and West Berlin, 1960–1990

This paper looks at the public receptions for cosmonauts and astronauts who visited East and West Berlin. From the advent of human spaceflight in 1961 through the end of the divided city in 1990, a series of cos­monauts and astronauts visited the two cities. Their visits were often greeted with parades, meetings with local dignitaries, and tours of the city, in which they met with a wide range of East and West Berlin resi­dents. While many of these visitors were Soviet cosmonauts and American astronauts, including Yuri Ga­garin, Valentina Tereshkova, and the Apollo 11 astronauts, the cities also welcomed East and West German citizens, namely Sigmund Jähn in the GDR and Ulf Merbold in the FRG.

This paper first considers how residents of the two cities and the cities' leaders saw outer space, space travelers in general, and especially the visitors themselves. Opinion polls from public events illuminate popular enthusiasm for these visits and also the lingering doubts in the minds of many East and West Berliners about the benefits of manned spaceflight. Moreover, the ways in which city leaders saw spaceflight can be seen in how they organized these public events, in the signs and banners that accompanied these spectacles, and in the selection of the people with whom the space travelers met.

Second, this paper uses these public events as a way to discover how East and West Berlin leaders thought about their own cities. Tasked with showing VIPs around, which parts of the cities did these leaders choose to showcase for the guests? Which places were visited during public parades, and which places were visited on private tours? The changing list of attractions and the declining emphasis on Berlin as a divided city demonstrate developments in the ways that city leaders saw their cities individually and in relation to each other.

To this end, the combination of space travel and the urban spaces of East and West Berlin brings out new ways in which we can think about outer space in East and West Germany and in which we can discover how local leaders saw their two cities.

Katherine Boyce-Jacino

Space and Spectacle in the Berlin Planetarium

This paper interrogates the historical and cultural circumstances surrounding the first years of the Berlin Planetarium, built in 1926 at the Zoologischer Garten. The Berlin Planetarium was the second planetarium built by the Carl Zeiss Company, and opened only a year after the first planetarium opened its doors in the Deutsches Museum in Munich. While the Munich Planetarium was capable only of reproducing the sky over Munich, the projection apparatus installed in Berlin was far more complex. Walther Bauersfeld's new design was not only able to show the sky at all the latitudes of the Northern Hemisphere; it was also capable of showing southern skies and both the north and south poles.

The shows that played at the Berlin Planetarium struck a balance between education and entertainment. In this, it was not unlike its contemporary, the Berlin Urania, which also offered dramatic lectures on the cosmos, completed with special effects and theatrical staging. However, while the public lectures at the Urania were only one part of a much larger research institution, the Berlin Planetarium was an independent structure, strategically located at the nexus of several tram lines and the entrance to the Zoo in Tiergarten. The Berlin Planetarium thus distinguished itself as a unique destination, for tourists and amateur astronomers alike to enjoy.

In this paper, I situate the Berlin Planetarium not in the context of contemporary scientific institutions like the Urania, but rather in a constellation of entertainments and diversions that dominated the Berlin cultural scene during the Weimar Republic. I consider how the shows projected in the planetarium engaged not only with contemporary scientific knowledge but also with cultural discourses on modernity, time, and the status of space. The experience of the planetarium as a sight of cosmological wonder was thus conditioned by its specific urban setting.

Jana Bruggmann

Weltraumtheater: Astronomie auf der Bühne der Berliner Urania, 1888–1906

Die Berliner Gesellschaft Urania – benannt nach der griechischen Göttin der Sternkunde – wurde 1888 von den Astronomen Max Wilhelm Meyer und Wilhelm Foerster sowie dem Industriellen Werner von Siemens gegründet. Neben den Abteilungen Astronomie, Physik und Mikroskopie umfasste die Urania eine eigene Sternwarte, Räume für physikalische Experimente sowie ein Wissenschaftliches Theater. Während die "Verbreitung der Freude an der Naturerkenntnis" bereits statutarisch verankert war, wurde insbesondere das Wissenschaftliche Theater dazu genutzt, dem Unterhaltungsbedürfnis eines Laienpublikums durch "möglichst glänzenden Bilderschmuck und wechselnde szenische Vorgänge" (Max Wilhelm Meyer) nachzukommen. Dabei zog gerade die Verbindung von wissenschaftlicher Belehrung und Unterhaltung im Medium des modernen Theaters ein breites Publikum an: Jährlich besuchten mehr als 200.000 Menschen die Urania, wobei sich das Wissenschaftliche Theater als "Mittelpunkt der Anziehungskraft" erwiesen habe, wie es in der Denkschrift von 1913 zum 25jährigen Bestehen der Gesellschaft hieß.

Im Kontext der Wissenschaftspopularisierung richtet der Vortrag sein Augenmerk auf das astronomische Programm des Wissenschaftlichen Theaters. Legte die Urania allgemein einen starken Fokus auf die Sternkunde – immerhin waren die Gründerväter Meyer und Foerster ausgebildete Astronomen –, wurde astronomisches Wissen jedoch nicht nur in der hauseigenen Sternwarte, sondern auch im Wissenschaftlichen Theater vermittelt. Zu den am meisten aufgeführten Stücken gehörten denn auch Meyers Von der Erde bis zum Monde und Kinder der Sonne. Welche Weltraumvorstellungen vermittelten diese Stücke? Welche Form der Inszenierung wurde von Meyer als zeitgemäß und zweckdienlich erachtet? Und wie legitimierte er die Wissensvermittlung im Dienste eines Laienpublikums?

In den Schriften von Max Wilhelm Meyer wird deutlich, dass die Wissenschaftspopularisierung mit dem Paradox der Ernüchterung bei gleichzeitiger Faszination kämpfte. So kritisierte Meyer die zeitgenössische Wissenschaft dafür, nichts anderes zu lehren als dass "das Leben mit dem Fluch der Sinnlosigkeit behaftet sei". Demgegenüber präsentierte sich das Wissenschaftliche Theater der Urania mit seinen farbenfrohen Kulissen in krassem Gegensatz und ließ die Besucher „in der gegenwärtigen Schöpfung schwelgen". Vor diesem Hintergrund lässt sich das Wissenschaftliche Theater einerseits als Medium der Wissenspopularisierung im Schnittpunkt von Wissenschaft und Unterhaltung untersuchen. Andererseits werfen die von Meyer vertretenen Weltraumentwürfe Fragen nach einem zunehmenden Kampf um die öffentliche Meinung auf: Die auf der Bühne der Urania aufgeführten astronomischen Stücke dienten Meyer nicht zuletzt dazu, eine "kosmische Weltanschauung" zu propagieren.

Benjamin Dittmann

Der "Mediale Friedenskreis Berlin", 1955–1975

Der "Mediale Friedenskreis Berlin" war eine Gruppe christlich-spiritualistischer UFO-"Kontaktler" um die Berliner Familie Speer (Herbert Viktor Speer und seine Kinder Monika-Manuela und Uwe), die zwischen 1957 und 1975 zahlreiche esoterische Broschüren veröffentlichte. Seit Mitte der 1950er Jahre hatten sie in ihrer Wilmersdorfer Wohnung regelmäßig Séancen veranstaltet, in denen sie auf schriftmedialem Wege ("vollautomatisches Medialschreiben") Botschaften jenseitiger "Lichtboten", aber auch von extraterrestrischen "Ufonen", den Santinern vom Planeten Metharia, zu Papier brachten. Ihre ersten drei Veröffentlichungen erschienen ab Herbst 1957 im Schweizer Verlag Karl Schönenberger unter dem stets gleichen Titel: Nicht von dieser Erde. Ein Ufo-Tatsachenbericht. Mediale Protokolle über die interplanetarischen Fliegenden Scheiben und über den Oberbefehlshaber der Raumschiff-Flotte Ashtar-Sheran. Danach stellten die Speers ihr umfangreiches Werk in Grassroots-Manier eigenhändig her: Neben jährlich verlegten Broschüren publizierten sie einmal monatlich das Bulletin Mene-Tekel, von dem bis 1975 über 200 Ausgaben erschienen.

Wie viele vergleichbare "Kontaktler"-Publikationen verbinden auch die Texte der Speers christlich geprägte Motive eines millenaristischen Endzeitszenarios (Harmagedon-Schlacht) mit einer auf die "Ufonen" gerichteten technologisch-spirituellen Heilserwartung. Das Faszinosum dieser Diskursmelange besteht daher weniger in den esoterischen Predigten der Raumfahrer aus der "Christus-Sphäre" oder den Kommentaren zur atomare Bedrohung, sondern in einer kommunikativen Besonderheit, die mit der spiritistischen Tradition zusammenhängen mag: Der "Friedenskreis" war, bei aller Wohnzimmer-Intimität, stets offen für Fragen aus dem Publikum. Diskutiert wurden triviale Fragen und philosophische, das Spektrum deckte populärkulturelle Felder genauso ab wie eschatologisch-spiritistische. Da die erwartete Apokalypse ausblieb, entwickelte sich das Speer'sche Mene-Tekel unter der Hand nicht zuletzt zu einem Archiv der Gegenwart, dessen Schlagworte sich wie das popliterarisches ABC eines ganz alltäglichen Kosmos, nämlich jenem der Berliner Wirtschaftswunderwelt, rekonstruieren lassen.

Im Rahmen des Versuchs, die Kontexte, Einflüsse und Rezeptionen des "Friedenskreises" besser zu verstehen, untersucht die Präsentation das Werk der Speers in zweierlei Hinsicht: Einerseits vor dem Makrokosmos 'Astrokultur', dem Mikrokosmos 'West-Berlin' andererseits. Wie ist der von Ashtar und den seinen beherrschte Weltraum aus Sicht dieser spezifischen Weltraum-Mystik mit dem Prädikat 'Handmade in Berlin' beschaffen – und umgekehrt: wie kommentieren die Aliens das Berlin der 1960er Jahre?

Tilmann Siebeneichner

Die "Narren von Tegel": Der Berliner Raketenflugplatz zwischen Show und seriöser Wissenschaf

Der im Jahre 1930 in Berlin-Tegel eröffnete "Raketenflugplatz" besitzt einen legendären Ruf: Nicht nur habe er zahlreiche Pioniere der Raumfahrt wie Hermann Oberth, Wernher von Braun oder Willi Ley erstmalig zusammengeführt, dort seien auch zentrale Grundlagen moderner Raketentechnik erarbeitet worden. Hervorgegangen war der vom Verein für Raumschiffahrt (VfR) betriebene Ort jedoch aus einer PR-Aktion für Fritz Langs Stummfilmklassiker Frau im Mond von 1928/29. Tatsächlich sei das ganze Unternehmen in seinen Grundzügen mehr "showmanship than science" gewesen, urteilt etwa Michael Neufeld und verweist damit indirekt auf die Bedeutsamkeit spektakulärer Stunts für die Popularisierung der Raumfahrt.

Wird dieser, insbesondere am Gründervater des Raketenflugplatzes, Rudolf Nebel, festgemachte Hang zu aufsehenerregenden und publikumswirksamen Vorführungen in der Forschung zumeist skeptisch beurteilt, ist seine Bedeutung für die Etablierung eines seriösen Raketenforschungsprogrammes nicht zu unterschätzen. Nebel berichtet in seiner Autobiographie Die Narren von Tegel, dass der Lärm der Experimente bisweilen bis zum Potsdamer Platz zu hören gewesen sei und beträchtliches Interesse bei der Berliner Presse hervorgerufen habe. Eine Analyse dieses Materials steht im Mittelpunkt dieser Präsentation. Unter Einbeziehung der Analysekategorien 'Dilettantismus' und 'Enthusiasmus' wird danach gefragt, wie die Vorführungen auf dem Raketenflugplatz in der lokalen Presselandschaft bewertet wurden und welche Bedeutung dieser spektakulären Dimension für die Popularisierung der Raketentechnologie zugeschrieben wurde.

Eine Professionalisierung der Raketenforschung erfolgte erst nach der Übernahme durch das Militär. Dass sie dann jedoch unter strengem Ausschluss der Öffentlichkeit betrieben wurde, verweist auf ein konstitutives Spannungsverhältnis moderner Gesellschaften, das David Edgerton mit seiner Etikettierung eines "liberalen Militarismus" auf den Begriff gebracht hat: technologischer Fortschritt bedarf auch in den aufgeklärten Gesellschaften des 20. Jahrhunderts der Einbettung in einen militärisch-industriellen-wissenschaftlichen Komplex. Inwiefern dieser Komplex auch eine populärkulturelle Dimension besitzt – und welche Bedeutung diese für die Legitimierung innovativer Forschung besitzt –, wird am Beispiel des Berliner Raketenflugplatzes und seiner populären Rezeption untersucht.