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Archäologische und geoarchäologische Untersuchungen am germanisch-römischen Schlachtfeld Harzhorn, Ldkr. Northeim (DFG-Projekt)

Institution:

FU Berlin
Institut für Prähistorische Archäologie

Projektleitung:
Förderung:

Deutsche Forschungsgemeinschaft (Sachbeihilfe)

Entdeckung

2008 wurden Funde illegaler Metallsondengänger vom Harzhorn, Ldkr. Northeim, Niedersachsen, bekannt, die als römische Militaria identifiziert wurden. Ausgehend von diesen Funden wurden intensive archäologische Forschungen betrieben, die zu der Erkenntnis führten, dass an dieser Stelle die Überreste eines germanisch-römischen Schlachtfeldes aus dem zweiten Viertel des 3. Jhd. n. Chr. vorliegen. Die beispiellose Erhaltung der Objekte eines solchen Ereignisses bietet die äußerst seltene Möglichkeit zur umfangreichen Untersuchung von antiken Kampfhandlungen, in einem Ausmaß, wie sie der Archäologie bislang noch nicht zur Verfügung stand.

Harzhorn bei Northeim. Der Hauptkamm des Harzhorns

Abb.1: Harzhorn bei Northeim. Hauptkamm des Harzhorns (Blickrichtung Ost).

Forschungen

Für die Erforschung des Fundplatzes wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur in Hannover (Dagmar v. Reitzenstein M.A.) ein Forschungsteam zusammengestellt, das die benötigten breitgefächerten fachlichen Kompetenzen abdeckte und unterschiedliche Aufgaben bei der Projektdurchführung übernahm (Dr. Felix Bittmann, Pollenanalyse; Dr. Frank Berger, Numismatik; Dr. Michael Geschwinde, Prospektionen; Dr. Henning Hassmann, Öffentlichkeitsarbeit; Dr. Petra Lönne, Prospektionen, Öffentlichkeitsarbeit; Prof. Dr. Michael Meyer, Ausgrabungen, Archäologie des Barbaricums; Prof. Dr. Günther Moosbauer, Provinzialrömische Archäologie).

Harzhorn bei Northeim. Geländemodell mit Grabungsschnitten (gelb) und Prospektionsfunden (blaue Punkte)

Abb.2: Harzhorn bei Northeim. Geländemodell mit Ausgrabungsflächen (gelb) und Prospektionsfunden (blaue Punkte).

Seit 2016 werden die Forschungen durch die DFG im Projekt „Archäologische und geoarchäologische Untersuchungen am germanisch-römischen Schlachtfeld Harzhorn, Ldkr. Northeim“ finanziert. Neben weiteren gezielten vertiefenden Prospektionen, liegt hierbei das Augenmerk auf der Erstellung einer detaillierten Bodenkarte des gesamten Schlachtfeldes (Dr. Jacob Hardt) zum besseren Verständnis der Fundverteilung. Abschließend sollen alle Forschungsmethoden und –ergebnisse in einer Publikation vorgelegt werden. Unser Institut ist daran in Persona von Prof. Dr. Michael Meyer und Torben Schatte M.A. mit der Aufarbeitung der durchgeführten archäologischen Ausgrabungen und der Vorlage und Interpretation des germanischen Fundguts beteiligt.

Grabungsarbeiten des Instituts für Prähistorische Archäologie der FU Berlin

Abb. 3: Harzhorn bei Northeim. Grabungsarbeiten des Instituts für Prähistorische Archäologie der FU Berlin.

Die Fundstelle wurde seit 2008 kontinuierlich durch ein Prospektionsteam der Niedersächsischen Landesarchäologie und der Kreisarchäologie Northeim untersucht. Dabei konnte 2010 ein zweiter Fundplatz 2 km südlich des Harzhorn am Osthang des Kahlberges entdeckt werden. Die Fundobjekte belegen, dass sich die Kampfhandlungen bis hierhin erstreckt haben. Unterstützend zu den Prospektionen wurden von 2009 bis 2013 in jährlichen Kampagnen von vier bis acht Wochen Ausgrabungen durch unser Institut unter Leitung von Prof. Dr. Michael Meyer, Prof Dr. Hans-Jörg Karlsen (geb. Nüsse) und Torben Schatte M.A. durchgeführt, die wichtige Erkenntnisse zur Interpretation des Fundplatzes beisteuerten. Die Grabungen wurden bodenkundlich durch Dr. Philipp Hoelzmann (FU Berlin) und Dipl. Geogr. Bernd Starossek (Marburg) begleitet. Die Finanzierung dieser Tätigkeiten erfolgte mit *Pro Niedersachsen-Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur, Hannover, und durch das Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege. Mit gezielt angelegten Grabungsschnitten, verteilt über das gesamte Harzhorn, konnten wichtige Erkenntnisse zu Fundverteilung und –erhaltung erlangt werden. Diese bestätigten das Fundverteilungsbild der Prospektion und belegten, dass ein großer Anteil der Funde noch in situ lag. Daneben lieferten die Grabungen Fundobjekte, welche bei einer bloßen Prospektion mit Metalldetektoren übersehen worden wären, etwa Objekte aus Keramik und Knochen. Der spektakulärste Fund war der einzig bislang bekannten Opfers der Schlacht: Die Überreste eines in einem Baumwurf zur Zeit der Kampfhandlungen verendeten Equiden. Aber auch größere Fragmente eines römischen Kettenhemdes, welches aufgrund seiner Reaktion mit dem umliegenden Boden keine Signale mehr an die Metalldetektoren abgab, wurden nur durch die Ausgrabungen des Instituts für Prähistorische Archäologie der FU Berlin freigelegt.


LanzenspitzeHipposandaleGeschossspitzen

Abb. 4: Harzhorn bei Northeim. Funde römischer Militaria: Römische Lanzenspitze in Originalfundlage(links), Hipposandale (mitte), Geschossspitzen (rechts) (Fotos mitte und rechts: Christa Fuchs, NLD Hannover).

Aktuell sind ca. 750 identifizierte antike Metallfunde und zudem eine große Zahl an Schuhnägel aus dem insgesamt sechs Quadratkilometer großem Fundareal bekannt. Unter den römischen Waffen überwiegen Projektile (Katapultbolzen, Pfeilspitzen, Speerspitzen), Angriffs- und Schutzwaffen für den Nahkampf oder Teile davon gehören zu den Ausnahmen. Daneben liegen persönliche Ausrüstungsteile, einige Münzen, Werkzeuge, Wagenteile und Objekte vor, die dem Tross einer römischen Armee zuzuordnen sind. Die Funde vom Harzhorn bilden die bisher umfangreichste Kollektion römischer Militaria in der Germania Magna. Die germanischen Waffen beschränken sich auf Lanzen- und Pfeilspitzen und treten gegenüber den römischen Objekten von der Anzahl her deutlich zurück. In dem großflächigen Fundareal lassen sich deutliche Fundkonzentrationen erkennen, die von fundarmen Zonen getrennt sind. Dabei zeichnen sich verschiedene Fundschwerpunkte ab, welche differenzierte Geschehnisse während des Kampfverlaufes widerspiegeln. Zur Datierung des Fundplatzes lassen sich die Typologie der Fundstücke, die vorhandenen Münzen und C14-Daten kombinieren und weisen auf das zweite Viertel des 3. Jhd. n. Chr.

Deutung

Die vom Forschungsteam vertretene Arbeitshypothese ist, dass der Fundkomplex im Zusammenhang mit einer militärischen Expedition des römischen Heeres in das Innere Germaniens 235 oder 236 n. Chr. steht. Für die These der Parallelisierung des Harzhorn-Ereignisses mit dem durch Herodian und die Historia Augusta für die Jahre 235/36 n. Chr. überlieferten Feldzug des Maximinus Thrax (235-238) spricht u.a. eine Inschrift der legio IV severiana alexandriana vermutl. flavia felix auf einer Pionieraxt, deren Teilnahme an diesem Feldzug vorausgesetzt werden kann.

2013 wurden die Funde und eine erste Interpretation als Relikte eines Kampfgeschehens zwischen römischen Soldaten und germanischen Kriegern im 3. Jh. n. Chr. im Rahmen einer Niedersächsischen Landesausstellung im Braunschweigischen Landesmuseum einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Mit über 70.000 Besuchern war die Schau ein großer Erfolg.

Literatur

  • F. Berger/F. Bittmann/M. Geschwinde/P. Lönne/M. Meyer/G. Moosbauer, Die römisch-germanische Auseinandersetzung am Harzhorn (Ldkr. Northeim, Niedersachsen). Germania 88, 2010 (2013), 313-402.
  • M. Geschwinde/H. Haßmann/P. Lönne/M. Meyer/G. Moosbauer, Roms vergessener Feldzug - Die Entdeckung eines römischen Schlachtfeldes des 3. Jahrhunderts am Harzhorn bei Kalefeld, Ldkr. Northeim. Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 1/2009, 12-15.
  • M. Geschwinde/H. Haßmann/P. Lönne/M. Meyer/G. Moosbauer, Roms vergessener Feldzug. Das neu entdeckte römische Schlachtfeld am Harzhorn in Niedersachsen. In: Varusschlacht im Osnabrücker Land (Hrsg.), Ausstellungskatalog: 2000 Jahre Varusschlacht. Band 2: Konflikt, Stuttgart 2009, 228-232.
  • M. Geschwinde/P. Lönne, Die Spur der Sandalennägel. Hintergründe zur Entdeckung eines römischen Schlachtfeldes. Archäologie in Deutschland 2/2009, 38-39.
  • M. Geschwinde/P. Lönne, Römische Militärpräsenz in der Germania Magna aus archäologischer Perspektive: Das Fallbeispiel Harzhorn. In: G.A. Lehman, R. Wiegels (Hrsg.), "Über die Alpen und über den Rhein...". Beiträge zu den Anfängen und zum Verlauf der römischen Expansion nach Mitteleuropa. Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen NF 37 (Berlin 2015) 376-391.
  • M. Geschwinde/P. Lönne/G. Moosbauer, Eine römische Dolabra mit Inschrift vom Schlachtfeld Harzhorn. Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 4/2011, 248-249.
  • P. Lönne, Das römisch-germanische Schlachtfeld am Harzhorn, Landkreis Northeim. Unser Harz 12/2011, 230-232.
  • H. Pöppelmann/K. Deppmeyer/W.-D. Steinmetz (Hrsg.), Roms vergessener Feldzug. Die Schlacht am Harzhorn. Veröffentlichungen des Braunschweigischen Landesmuseums 115, Darmstadt 2013.
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